WDR Zeitzeichen

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Max Born und die Quantenmechanik: Motor der modernen Welt

Max Born und die Quantenmechanik: Motor der modernen Welt WDR Zeitzeichen 10.12.2024 14:42 Min. Verfügbar bis 11.12.2099 WDR 5

Als er die Lösung fand, fühlte sich Max Born wie ein Seefahrer nach langer Irrfahrt. Der Physik-Nobelpreis als Anerkennung ließ bis zum 10.12.1954 lange auf sich warten.

Auf dem Grabstein des Nobelpreisträgers Max Born steht eine Formel, die die Welt verändert: pq−qp=h/2πi. Sie erinnert nicht nur an seine geniale Arbeit, sondern auch an seinen unermüdlichen Einsatz für eine friedlichere Welt. *** Gesprochen haben wir für das Zeitzeichen unter anderem mit: Arne Schirrmacher, Prof. für Wissenschaftsgeschichte, Humboldt-Universität Berlin, Inst. für Geschichtswissenschaften ***


In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Burgmer:
  • warum Max Born die Quantenmechanik als "hoffnungslose Schweinerei" bezeichnet,
  • wie ein Steinway-Flügel in seinem Wohnzimmer zur Wiege bahnbrechender physikalischer Erkenntnisse wird,
  • und weshalb ihm der Nobelpreis erst Jahrzehnte nach seiner Entdeckung verliehen wird.

Max Born zählt zu den Vätern der Quantenmechanik – einer Theorie, die die Gesetze der kleinsten Teilchen beschreibt. Mit Kollegen wie Werner Heisenberg erarbeitet er in den 1920er Jahren revolutionäre Erkenntnisse, darunter die berühmte "Vertauschungsrelation". Born ist kein egozentrischer Wissenschaftler: In Göttingen schafft er ein kreatives Arbeitsumfeld, das Kollegen wie Studierende gleichermaßen inspiriert.

Doch Borns Leben ist nicht nur von den wissenschaftlichen Durchbrüchen geprägt. Als Jude muss er 1933 vor den Nazis nach England fliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt er nach Deutschland zurück, wo er sich entschieden gegen die Atombewaffnung ausspricht. Mit der "Göttinger Erklärung" erinnert er daran, dass die Wissenschaft stets der Menschlichkeit dienen müsse.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Prof. Arne Schirrmacher, Wissenschaftsgeschichte, Humboldt-Universität Berlin

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Max Born: Mein Leben. Erinnerungen des Nobelpreisträgers, München 1975.
  • Nancy Thorndyke Greenspan: Max Born - Baumeister der Quantenwelt, Heidelberg 2006.
  • Max Born: Von der Verantwortung des Naturwissenschaftlers. Gesammelte Vorträge, München 1985.
  • Arne Schirrmacher: Dreier Männer Arbeit in der frühen Bundesrepublik. Max Born, Werner Heisenberg und Pascual Jordan als politische Grenzgänger. MPIWG 2005.
  • Hedwig Born - Max Born: Der Luxus des Gewissens. Erlebnisse und Einsichten im Atomzeitalter, München 1969.

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Autor: Wolfgang Burgmer
Redakteur: Matti Hesse
Technik: Sarah Fitzek

Hape Kerkeling wird 60 (Geburtstag am 9.12.1964)

Hape Kerkeling wird 60 (Geburtstag am 9.12.1964) WDR Zeitzeichen 09.12.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 10.12.2099 WDR 5

Als falsche Königing Beatrix, als "Hurz"-Perfomer, als Bestseller-Autor vom Jakobsweg, als Junge, der mal an die frische Luft muss: Hape Kerkeling gehört zu den beliebtesten Komikern der Deutschen.

Als verkleidete Königin Beatrix und als schlitzohriger Horst Schlämmer hat Hape Kerkeling Fernsehgeschichte geschrieben. "Im Grunde ist Hape ein Ein-Mann-Zirkus", sagt sein Autor Pelle Pershing über den Komiker, Schauspieler, Showmaster und Schriftsteller, der seit vier Jahrzehnten sein Publikum zum Lachen bringt. *** Gesprochen haben wir für dieses Zeitzeichen unter anderem mit: Hape Kerkeling, Anke Engelke und Bastian Pastewka ***


In diesem Zeitzeichen erzählt Fritz Schaefer:
  • dass Hape Kerkeling gerne Loriots "Dicki Hoppenstedt" geworden wäre,
  • wie dieser das "Aus" seiner ersten Fernsehsendung "Känguru" erlebt hat,
  • über dessen väterliche Freundschaft zu Alfred Biolek,
  • was Kerkeling heute über sein unfreiwilliges Coming-Out denkt,
  • ob Kerkeling – wie ihm mal prognostiziert wurde – "ein ganz bekloppter Alter" wird oder eher ein "alter Spießer".

Geboren wird Hape Kerkeling am 9. Dezember 1964 in Recklinghausen. Seine Kindheit hält er im Bestseller "Der Junge muss an die frische Luft" fest, einschließlich des Suizids der Mutter. Da heißt Hape noch Hans Peter und wird ab seinem achten Lebensjahr liebevoll von den Großeltern großgezogen. Diese bringt er ebenso wie seine Schulfreunde ständig zum Lachen. Die Großmutter fördert auch das komische Talent ihres Enkels und stellt früh fest: Der Junge muss ins Rampenlicht.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Hape Kerkeling, Entertainer und Autor
  • Anke Engelke, Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin
  • Achim Hagemann, Komponist und Musiker
  • Cordula Stratmann, Komikerin und Schauspielerin
  • Pelle Pershing, Künstler und Comedy-Autor
  • Bastian Pastewka, Komiker und Schauspieler

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Autor: Fritz Schaefer
Redaktion: David Rother

Giuseppe Verdi gründet ein Altersheim für Musikschaffende

Giuseppe Verdi gründet ein Altersheim für Musikschaffende WDR Zeitzeichen 08.12.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 09.12.2099 WDR 5

Sein bestes Werk, so der italienische Komponist Verdi: Sein im Dezember 1899 gegründetes "Haus des Ausruhens", in dem Musikschaffende im Alter auf Gleichgesinnte treffen.

Ein Haus, in dem "Musicisti", also Musiker, nach einem Leben in Konzertsälen und auf Opernbühne zur Ruhe finden sollen, ist natürlich ein Haus voller Musik. Wer die "Casa di Riposo per Musicisti" betritt, hört sie in den langen Gängen, die rechts und links einen begrünten Innenhof umschließen. Fast immer übt jemand auf dem Klavier, singt oder lauscht einer Schallplatte – womöglich eine Aufnahme einer der weltberühmten Opern des Gründers Giuseppe Verdi. *** Als Quelle genutzt haben wir für dieses Zeitzeichen unter anderem: "Il Bacio di Tosca" (Der Kuss der Tosca), Film von Daniel Schmid, 1984 ***


In diesem Zeitzeichen erzählt Holger Noltze:
  • wie sich der bei seiner Arbeit oft unerbittliche Komponist Verdi privat sozial engagiert hat,
  • wie aus einer günstigen Gelegenheit, ein Grundstück zu kaufen, bei Verdi die Idee reifte, die Altersresidenz für Musiker und Musikerinnen zu bauen,
  • wie Verdi durch die Übertragung der Urheberrechte dem Altersheim langfristige Einnahmen sichert,
  • und wie es heute bei einem Besuch in der "Casa di Riposo per Musicisti" klingt.

Mit dem Haus in Mailand will Giuseppe Verdi für "meine weniger glücklichen Gefährten" einen Ruheort im Alter schaffen. Zum Zeitpunkt der Eröffnung, im Dezember 1899, rutschen selbst große Bühnenstars im Alter häufig in die Armut. Ihnen will Verdi ein wenig Frieden am Ende des Lebens schenken, umgeben von Musik.

Das erhofft sich der erfolgreiche Komponist, dessen Werke "La Traviata", "Rigoletto" oder "Aida" an den große und kleinen Opernhäusern weltweit gespielt werden, auch für sich selbst. So lässt er sich schließlich eine Sondergrabstätte genehmigen und wird selbst in der Kapelle der "Casa di Riposo per Musicisti" beerdigt – in der Sicherheit, dass immer Musik um ihn sein wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Brief von Guiseppe Verdi an Giulio Ricordi
  • "Il Bacio di Tosca" (Der Kuss der Tosca), Film von Daniel Schmid, 1984

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Autor: Holger Noltze
Redaktion: Matti Hesse

Theodor Heuss: Schuld, Scham und Deutschlands Neubeginn

Theodor Heuss: Schuld, Scham und Deutschlands Neubeginn WDR Zeitzeichen 07.12.2024 15:29 Min. Verfügbar bis 08.12.2099 WDR 5

Der erste Bundespräsident thematisiert die Nazi-Verbrechen, spricht in seiner Rede vom 7.12.1949 von deutscher "Kollektivscham" und entschärft die Kollektivschuld-These.

"Sind wir, bin ich, bist Du schuld, weil wir in Deutschland lebten, Mitschuld an diesem teuflischen Unrecht?", fragt Bundespräsident Theodor Heus in seiner Festrede am 7. Dezember 1949 bei der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Während die meisten Deutschen jede Verantwortung an den Gräueltaten der Nazis von sich weisen, prägt Heuss den Begriff der "Kollektivscham", der bleiben wird. *** Gesprochen haben wir für dieses Zeitzeichen unter anderem mit: Ernst Wolfgang Becker, stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus ***


In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:
  • wie Theodor Heuss 1949 mahnt: "Wir dürfen nicht vergessen, was die Menschen gerne vergessen würden, weil es so bequem ist",
  • warum die USA und England das Wort der "Kollektivschuld" der Deutschen vermeiden,
  • dass nach Kriegsende noch mehr als die Hälfte der Deutschen den Nationalsozialismus für eine gute Sache halten,
  • über einen dunklen Fleck in der Biografie von Theodor Heuss.

Der frisch gewählte erste Bundespräsident Theodor Heuss weiß, dass seine Rede am 7. Dezember 1949 die Gemüter in Wallung bringen würde: "Wir dürfen nicht vergessen die Nürnberger Gesetze, den Judenstern, den Synagogenbrand, den Abtransport von jüdischen Menschen in die Fremde, ins Unglück, in den Tod. Das sind Tatbestände, die wir nicht vergessen sollen."

Die Worte sitzen. Der Bundespräsident benennt, was die Deutschen so gerne vergessen würden, um endlich "einen Schlussstrich" zu ziehen. Doch Heuss hält dagegen: "Etwas wie Kollektivscham ist aus dieser Zeit gewachsen und geblieben." Kollektivscham ist die Umschreibung für sein Hauptanliegen: die Schuldfrage besprechen - und die Kollektivschuld-These entschärfen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Kristin Platt, Genozidforscherin, Ruhr-Universität Bochum
  • Ernst Wolfgang Becker, stellvertretender Geschäftsführer der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
  • Joachim Radkau: Theodor Heuss. München 2013
  • Thomas Hertfelder, Christiane Ketterle: Theodor Heuss. Publizist – Politiker – Präsident. Stuttgart, 2003

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Hörtipp:
Im historycast gibt es weitere Hintergründe zur Holocaust-Forschung, zu jüdischem Leben und Antisemitismus in der Geschichte, zum Zionismus und zu Israel. Der historycast ist ein Podcast des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e.V.

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Autor: Heiner Wember
Redaktion: Sefa Inci Suvak
Technik: Moritz Raestrup

Jiu-Jitsu im Rock: Kampfsport für Frauenrechte im Jahr 1909

Jiu-Jitsu im Rock: Kampfsport für Frauenrechte im Jahr 1909 WDR Zeitzeichen 06.12.2024 14:42 Min. Verfügbar bis 07.12.2099 WDR 5

Kaffee, Kuchen - und ostasiatische Kampfkunst: Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in London am 6.12.1909 machen sich die "Suffragetten", Aktivistinnen fürs Frauenwahlrecht, fit für ihren Kampf.

Von der Gründung des ersten Selbstverteidigungsclubs für Suffragetten im Jahr 1909 bis zur Entwicklung moderner Techniken wie "WenDo": Was Edith Garrud und ihre Mitstreiterinnen als Mittel gegen Polizeigewalt und Übergriffe entwickeln, ist mehr als nur Selbstverteidigung – es ist ein politisches Statement. *** Gesprochen haben wir für dieses Zeitzeichen unter anderem mit: Dr. Veronika Springmann, Sportmuseum Berlin ***


In diesem Zeitzeichen erzählen Ulrich Biermann und Veronika Bock:
  • von aufsehenerregenden Bühnenauftritten, bei denen Edith Garrud als Suffragette einen "Polizisten" besiegt – gespielt von ihrem eigenen Mann.
  • was "Suffrajutsu" ist,
  • wie die Kampfkunst nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch als politisches Mittel eingesetzt wird,
  • wie die Suffragetten mit Straßenprotesten und direkter Aktion neue Formen des Widerstands prägen, die weit über Petitionen hinausgehen,
  • und wie "Jiu-Jitsu als Bändiger des Gatten" humorvoll und provokativ traditionelle Rollenbilder infrage stellt.

Im Dezember 1909 wird in London Geschichte geschrieben – mit einer außergewöhnlichen Premiere: Die Suffragetten gründen ihren eigenen Selbstverteidigungsclub.

Im Zentrum dieser Bewegung steht Edith Garrud, eine nur 1,50 Meter große Kämpferin mit beeindruckender Stärke. Sie ist eine der ersten Frauen in Europa, die fernöstliche Kampfkünste lehrt. Und sie trainiert Aktivistinnen darin, sich gegen Polizeigewalt und Übergriffe zu wehren.

Jiu-Jitsu wird für die Frauenbewegung nicht nur ein Werkzeug zur Selbstverteidigung, sondern auch ein Symbol für Selbstermächtigung und Gleichberechtigung. Mit ihrer Ausbildung sichert Garrud nicht nur den Schutz führender Suffragetten wie Emmeline Pankhurst, sondern beweist auch, dass Frauen physisch und mental in der Lage sind, sich Raum in einer männlich dominierten Welt zu erkämpfen – sei es auf der Straße, im Parlament oder im Alltag.

Diese Frauen, oft belächelt und angefeindet, setzen ein Zeichen, eine Botschaft, die bis heute nachwirkt: Taten statt Worte.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:

Und das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Dr. Veronika Springmann, Sportmuseum Berlin

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Autor: Ulrich Biermann und Veronika Bock
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother

Hexenbulle: Wie ein Papsterlass die Hexenjagd befeuerte

Hexenbulle: Wie ein Papsterlass die Hexenjagd befeuerte WDR Zeitzeichen 05.12.2024 14:35 Min. Verfügbar bis 06.12.2034 WDR 5

Vor 540 Jahren, genau am 5.12.1484, besiegelt Papst Innozenz VIII. ein Unheil bringendes Schreiben. Als so genannte Hexenbulle wird es in die Geschichte eingehen.

Männer und Frauen werden verdächtigt, mit Dämonen im Bunde zu stehen und verheerende Schäden anzurichten - von der Vernichtung von Ernten und Vieh bis hin zu grausamen Verbrechen wie Kindesmord. Das später "Hexenbulle" genannte Schreiben von Papst Innozenz VIII. wird als Grundlage für ausufernde Verfolgungen genommen. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Dr. Peter Arnold Heuser, Zentrum für Historische Friedensforschung, Universität Bonn***


Mit den Worten "Summis desiderantes affectibus", was so viel bedeutet wie "In unserem sehnlichsten Wunsch", fordert Papst Innozenz VIII. die konsequente Bekämpfung von Zauberei und Hexerei. Am 5. Dezember 1484 erlässt er dazu ein Dokument, das die Grundlage für zahllose Hexereiprozesse in Europa bildet.

Das Papstschreiben richtet sich direkt an die Kirche und fordert alle Geistlichen auf, die Arbeit der Inquisitoren bei der Jagd nach Hexen und Hexern zu unterstützen. Es ist der Auftakt zu einer dunklen Ära der Verfolgung, in der düstere Abhandlungen über Hexerei, wie der berüchtigte "Hexenhammer" des Inquisitors Heinrich Kramer, weite Verbreitung finden.

Kramer nutzt die Bulle, um vor allem gegen Frauen vorzugehen und trägt maßgeblich dazu bei, dass die Ideologie hinter den Hexenprozessen gefestigt wird. Eine Welle von Verdächtigungen und Anklagen ist die Folge, die Prozesse vor weltlichen Gerichten arten in einen Hexenwahn mit erfolterten Denunziationen aus. Bis zu 50.000 Menschen sterben im Zuge der Hexenverfolgung in Europa - meist Frauen, die verbrannt, geköpft oder auf andere grausame Weise getötet werden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marko Rösseler:
  • dass sogar Bischöfe sich über die Existenz von Hexen uneins sind,
  • dass Papst Innozenz mindestens 16 Kinder hat und welchen Einfluss das auf sein Streben nach Macht hat,
  • wie ihm dabei Ideologie, Aberglaube und Frauenfeindlichkeit in die Karten spielen,
  • warum die Opferzahlen der Hexenverfolgung gerade im deutschsprachigen Raum so hoch sind,
  • und wie die Hexenprozesse auch durch gezielte Fälschungen und den Missbrauch von wissenschaftlichen Gutachten legitimiert werden.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:

Und das ist unser Interviewpartner:
  • Dr. Peter Arnold Heuser, Zentrum für Historische Friedensforschung, Universität Bonn

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Autor: Marko Rösseler
Redaktion: Christoph Tiegel und Frank Zirpins
Technik: Sarah Fitzek

Sultan Süleyman I. der Prächtige erobert Bagdad (am 4.12.1534)

Sultan Süleyman I. der Prächtige erobert Bagdad (am 4.12.1534) WDR Zeitzeichen 04.12.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 05.12.2099 WDR 5

Nie war das Osmanische Reich größer als unter Süleyman. Im Abendland sorgt er für die Türkenfurcht, der "Schrecken Europas" erhält hier aber auch den Beinamen "der Prächtige".

Sultan Süleyman I. ist prächtiger Herrscher und erfolgreicher Feldherr: Seine Eroberung Bagdads 1534 markiert den Höhepunkt des schiitisch-sunnitischen Konflikts. Süleyman I. festigt damit die Vormachtstellung der Osmanen im Nahen Osten und legt den Grundstein für einen jahrhundertelangen politischen und religiösen Konflikt in der Region. ***Das sind unsere wichtigsten InterviewpartnerInnen: Prof. Dr. Suraiya Faroqhi, Osmanistin, Universität München, Istanbul und Prof. Dr. Albrecht Fuess, Islamwissenschaftler, Universität Marburg***


Er ist ein Mann der Superlative: Süleyman I., Sultan des Osmanischen Reiches, vereint das Schwert eines Feldherrn mit der Feder eines Dichters. Unter seiner Regentschaft erlebt das Reich im 16. Jahrhundert seine größte Ausdehnung – vom Herzen Europas bis in den Nahen Osten.

Die Eroberung Bagdads im Jahr 1534 markiert dabei einen entscheidenden Triumph. Die alte Hauptstadt der Abbasiden wird nach blutigen Kämpfen den schiitischen Safawiden entrissen, die zuvor sunnitische Heiligtümer geschändet hatten. Süleyman, der von seinen Zeitgenossen in Europa "der Prächtige" und in seiner Heimat "der Gesetzgeber" genannt wird, lässt die Stadt wieder aufbauen und sichert sie als eines der wichtigsten Zentren seiner Herrschaft.

Doch sein Erbe reicht weit über militärische Siege hinaus: Süleyman schafft ein Gesetzeswerk, das das Osmanische Reich jahrhundertelang prägt, und verleiht Istanbul mit prächtigen Bauten ein unverwechselbares Antlitz.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
  • warum Süleyman nicht nur als prächtiger Herrscher, sondern auch als strenger Gesetzgeber in die Geschichte eingeht,
  • wie die Angst vor den Osmanen Europa prägt,
  • warum Süleymans Heirat mit der Sklavin Roxelane am osmanischen Hof für Aufsehen sorgt,
  • warum Süleyman 1529 unerwartet vor den Toren Wiens umkehrt,
  • und wie eine türkische Historiendrama-Serie Süleymans Leben neu interpretiert und für Proteste sorgt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Suraya Faroqhi: Geschichte des osmanischen Reiches, München 2010.
  • Josef Matuz: Das Osmanische Reich, Darmstadt 2012.

Und das sind unsere wichtigsten InterviewpartnerInnen:
  • Prof. Dr. Suraiya Faroqhi, Osmanistin, Universität München, Istanbul
  • Prof. Dr. Albrecht Fuess, Islamwissenschaftler, Universität Marburg
  • Prof. Dr. Heinz Schilling, Historiker, Humboldt-Universität Berlin

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Marfa Heimbach
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Sascha Schiemann

Meister von Schauer, Spannung und Abenteuer

Meister von Schauer, Spannung und Abenteuer WDR Zeitzeichen 03.12.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 04.12.2099 WDR 5

Grausame Piraten, Ärzte mit gespaltener Persönlichkeit, entführte Söhne aus den Highlands - sie bevölkern die Romane von Robert Louis Stevenson. Die entstehen in Teilen auf Samoa in der Südsee. Hier stirbt Stevenson am 3.12.1894.

Bekannt ist Robert Louis Stevenson heute vor allem für "Die Schatzinsel". Viele Literaturkritiker halten aber ein anderes Buch für sein bestes: "Die Herren von Hermiston". Bis zu seinem Tod arbeitet Stevenson an dem historischen Roman, der letztlich unvollendet bleibt. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Burkhard Niederhoff, Professor für Englische Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum***


Er ist ein Reisender, ein Chronist der Abenteuer und ein Mann, der sich nie mit Konventionen zufriedengibt: Robert Louis Stevenson. Bekannt für Klassiker wie "Die Schatzinsel" und "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" hinterlässt der schottische Autor ein Leben voller Geschichten – und Geschichten voller Leben.

Stevenson wächst in Edinburgh auf, geplagt von einer schweren Lungenerkrankung und dem strengen Glauben seiner puritanischen Kinderfrau. Doch weder seine schwache Gesundheit noch die Erwartungen seiner Familie, wie sein Vater und Großvater Leuchtturmbauer zu werden, können seinen Drang nach Freiheit und Kreativität zügeln.

Seine Werke spiegeln diese Rastlosigkeit wider: Stevensons Literatur ist geprägt von Abenteuerlust und philosophischer Tiefe, vom Spiel mit Moral und Identität und zeugen von seiner unerschöpflichen Neugier auf die Welt und das, was den Menschen ausmacht. Mit seiner Familie verschlägt es ihn schließlich in die Südsee, wo er sein letztes Zuhause findet. Hier schreibt er an einem seiner ehrgeizigsten Werke, bis er 1894 plötzlich stirbt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marko Rösseler:
  • warum ein Jurastudium für den jungen Robert Louis Stevenson ein Kompromiss mit seinen Eltern ist,
  • welche persönlichen Erfahrungen in seinen Romanen eine Rolle spielen,
  • warum Stevenson auf Samoa "Tusitala" genannt wird und was das bedeutet,
  • und warum sein letztes Buch womöglich sein bestes ist – obwohl es unvollendet bleibt.

Das ist unser Interviewpartner:
  • Burkhard Niederhoff, Professor für Englische Literaturwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Und das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Burkhard Niederhoff: Erzähler und Perspektive bei Robert Louis Stevenson, Würzburg 1994.
  • Robert Louis Stevenson: Die Schatzinsel. Zürich 2006.
  • Robert Louis Stevenson: Emigrant aus Leidenschaft. Ein literarischer Reisebericht, Zürich 2005.
  • Robert Louis Stevenson: Reise mit dem Esel durch die Cevennen, München 1995.
  • Robert Louis Stevenson: In der Südsee, Zürich 2000.

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Autor: Marko Rösseler
Redaktion: Frank Zirpins

Nackt gegen die Kolonialherrschaft: Krieg der Frauen in Nigeria

Nackt gegen die Kolonialherrschaft: Krieg der Frauen in Nigeria WDR Zeitzeichen 02.12.2024 14:22 Min. Verfügbar bis 03.12.2034 WDR 5

Der Protest einer Nigerianerin eskaliert nach dem 2.12.1929 zum Krieg tausender Frauen gegen die britische Kolonialherrschaft. Die gerät stärker ins Wanken als je zuvor.

Weil die britische Kolonie am Golf von Guinea in West-Afrika weniger ertragreich ist als von den Briten erhofft, müssen die einheimischen Männer Steuern zahlen. Als sich das Gerücht verbreitet, auch Frauen würden künftig besteuert, kommt es zum Widerstand. Tausende Frauen nehmen an Großdemonstrationen teil. Einige von ihnen werden erschossen. *** Für dieses Zeitzeichen haben wir unter anderem gesprochen mit: Rita Schäfer, freiberufliche Afrikawissenschaftlerin, Essen ***


Ab 1861 erobern die Briten Nigeria. 1914 erklären sie das westafrikanische Land zur Kolonie. Weil ihre Gewinne nicht so hoch ausfallen, wie sie erwartet haben, müssen die Einheimischen auch noch Steuern bezahlen. Das betrifft nur die Männer und zunächst nur jene im Norden Nigerias. Doch 1928 sind auch die Männer in den südöstlichen Provinzen rund um das Niger-Delta an der Reihe - ungeachtet erster Proteste.

Im November 1929 bringt eine Volkszählung das Fass zum Überlaufen. Es verbreitet sich das Gerücht, auch Frauen würden künftig besteuert - woher die Frauen das Geld nehmen sollen, ist unklar. Frauen-Gruppen verlangen eine schriftliche Erklärung, dass sie steuerfrei bleiben.

Am 2. Dezember 1929 wird der örtliche Vertreter der Kolonialverwaltung des Dorfes Oloko seines Amtes enthoben und inhaftiert, um die Lage zu beruhigen. Doch das passiert nicht. Mehrere tausend Frauen nehmen an Großdemonstrationen teil, bewaffnet mit Palmwedeln und Zweigen. Die Proteste gipfeln im Massaker von Egwanga: Mehr als 2.000 Frauen sind gekommen, um für ihre Forderungen zu kämpfen. Mehr als 30 Frauen werden von Soldaten erschossen.

Es werden Untersuchungen eingeleitet. Nach ihrem Abschluss müssen viele britische Vertreter ihren Hut nehmen. Die einheimischen Frauen bekommen mehr Rechte. Organisierten Protest von Frauen gibt es in den folgenden Jahrzehnten immer wieder. Auch nachdem Nigeria ab 1960 unabhängig ist.

In diesem Zeitzeichen erzählt Edda Dammmüller:
  • wie das Ritual "Sitting on the Man" den Krieg von 1929 mitentscheidet,
  • wie die "Warrant Chiefs" im Auftrag der Kolonialverwaltung die Bevölkerung ausnehmen,
  • warum der Begriff "Aba Riots" ("Unruhen von Aba") zu kurz greift,
  • warum auch heute noch nigerianische Frauen manchmal zu den Protestmitteln von damals greifen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Rita Schäfer, freiberufliche Afrikawissenschaftlerin, Essen
  • Ekwere Otu Akpan, Violetta I. Ekpo: The Women's War of 1929. Calabar 1988
  • Marc Matera; Misty L. Bastian; Susan Kingsley Kent: The Women's War of 1929 - Gender and Violence in Colonial Nigeria. Großbritannien 2012
  • Lola Zee: Aba Women Riots - Women At The Frontline of Social Change, 2012
  • Onyka Igwe: Sitting on a Man | Re-imagining Igbo women's protest through dance

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Autorin: Edda Dammmüller
Redaktion: Carolin Rückl und Sefa Inci Suvak
Technik: Sascha Schiemann

Der Weihnachts-Countdown: Die Erfindung des Adventskranzes

Der Weihnachts-Countdown: Die Erfindung des Adventskranzes WDR Zeitzeichen 01.12.2024 14:51 Min. Verfügbar bis 02.12.2099 WDR 5

Der heutige Adventskranz ist jung: Seit den 50er Jahren ist er das Symbol für die Vorweihnachtszeit. Am 1. Dezember 1839 hängt Johann Hinrich Wichern den ersten hölzernen Ring mit 24 Kerzen auf.

Als der Hamburger Theologe Johann Hinrich Wichern am 1. Dezember 1839 zum ersten Mal einen Adventskranz aufhängen lässt, hat dieser genau 24 Kerzen. Die Anzahl der Kerzen variiert mit der der Adventstage, bis schließlich nur noch vier Kerzen für die vier Adventssonntage übrig sind. Der Kranz hält zunächst Einzug in die Wohnzimmer der Protestanten, bis nach dem Zweiten Weltkrieg auch Katholiken den Brauch übernehmen. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Katrin Bauer, Wissenschaftliche Referentin im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte***


Der Theologe Johann Hinrich Wichern gründet 1833 in Hamburg das "Rauhe Haus". Dort sollen verarmte und verhaltensauffällige Kinder eine Ausbildung erhalten. Vor allem aber will Wichern ihnen den christlichen Glauben näher bringen.

Damit die Jugendlichen das Licht der Geburt Jesus erfahren, hängt Wichern 1839 ein Wagenrad mit 24 Kerzen im Gebetsraum auf. Jeden Tag zünden sie eine Kerze mehr an und jeden Tag wird es heller. "Brennt der volle Kranz mit allen 24 Lichtern, dann ist er da, der heilige Christ in all seiner Herrlichkeit", so Wichern.

Vom Rauhen Haus aus verbreitet sich der Kranz in den folgenden Jahren in andere protestantische Einrichtungen. Erst 1925 soll erstmals ein Adventskranz in einer katholischen Kirche in Köln erblickt worden sein. Allerdings nur noch mit vier Kerzen für die vier Adventssonntage, dafür mit Tannengrün geschmückt - so, wie der Adventskranz seinen Weg in deutsche Wohnzimmer findet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • warum die Zahl der Kerzen auf dem Wichern-Kranz jedes Jahr variiert,
  • welche Rolle Kerzen und Licht in Religionen spielen,
  • vom "Straßburger Adventsstreit" im 11. Jahrhundert,
  • warum auf Adventskränzen heute nur noch vier Kerzen brennen.

Das ist unsere Interviewpartnerin und die wichtigsten Quellen:
  • Dr. Katrin Bauer, Wissenschaftliche Referentin im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
  • Uwe Birnstein: Johann Hinrich Wichern. Wie der fromme Erzieher Kinder und Kirche retten wollte. Berlin 2018.
  • Rüdiger Vossen: Weihnachtsbräuche in aller Welt: Von Martini bis Lichtmess. Hamburg 2019

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Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: Sefa İnci Suvak
Technik: Moritz Raestrup

Musik im Schatten des Holocaust: Hans Krása (geb. 30.11.1899)

Musik im Schatten des Holocaust: Hans Krása (geb. 30.11.1899) WDR Zeitzeichen 30.11.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 01.12.2099 WDR 5

Hans Krása ist auf dem besten Weg, einer der führenden Komponisten im 20. Jahrhundert zu werden. Die Nationalsozialisten beenden seine Karriere und nehmen ihm das Leben.

Als Hans Krása am 30.11.1899 in Prag geboren wird, sind die Gräuel der Nationalsozialisten noch weit weg. Sorgenfrei stürzt er sich in eine Karriere als Komponist. Deportiert nach Theresienstadt wird seine Kinderoper "Brundibár" dort für Propagandazwecke missbraucht. Zusammen mit anderen Musikern stirbt er 1944 in Auschwitz. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Daniel Hope, Geiger ***


Hans Krása wird am 30. November 1899 in Prag geboren. Finanzielle Sorgen kennt die Familie nicht. Krása lernt Klavier und Geige bei führenden Prager Musikern. Mit elf Jahren komponiert er ein erstes Orchesterstück, etwas später ein Streichquartett. Krásas Karriere verläuft im Eiltempo. Für seine Oper "Verlobung im Traum" wird er 1933 mit dem Tschechoslowakischen Staatspreis ausgezeichnet.

Es ist eines von nur zwei Werken, das Krása für die Opernbühne komponiert. Die Kinderoper "Brundibár", schreibt er 1938 für einen Wettbewerb des tschechoslowakischen Bildungsministeriums. Dieser findet wegen des Kriegsausbruchs keinen Sieger. Stattdessen erlangt "Brundibár", ursprünglich ein hoffnungsvolles Werk über den Sieg des Guten über das Böse, im Konzentrationslager Theresienstadt traurige Berühmtheit.

Nachdem Krása 1942 wegen seiner jüdischen Wurzeln dorthin deportiert wird, führt er die Kinderoper unter den erbärmlichen Lagerbedingungen mehr als 50 Mal auf. In einem Propagandafilm zeigen die Nazis "Brundibár" als Beleg für das "lebendige Kulturleben" in Theresienstadt.

Krása selbst ist seit seiner Deportation ein gebrochener Mann. Dennoch gibt er nicht auf, organisiert Konzerte und komponiert weitere Werke. Bis im Oktober 1944 Theresienstadt mit einem Schlag nahezu verstummt. Hans Krása wird zusammen mit vielen weiteren Musikerkollegen nach Auschwitz verlegt und dort ermordet – da ist er noch keine 45 Jahre alt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Vratz:
  • von Krásas sorgenfreier Jugend, seinem Aufstieg und dem Leben als Bohemien,
  • welche weiteren Musiker mit Krása in Theresienstadt inhaftiert sind,
  • von einem seiner letzten Werke, das wie ein Hilfeschrei klingt,
  • wie es die Nazis fast geschafft haben, eine der zentralen Musiksprachen aus dem 20. Jahrhundert auszulöschen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Daniel Hope, Geiger
  • Blanka Červinková: Hans Krása. Leben und Werk. Saarbrücken, 2005
  • Milan Kuna: Musik an der Grenze des Lebens. Musikerinnen und Musiker aus böhmischen Ländern in nationalsozialistischen Konzentrationslagern und Gefängnissen. Übersetzt von Eliska Nováková. Frankfurt a.M., 1993
  • Ingo Schultz: Krása, Hans, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Personenteil, Bd. 10

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Autor: Christoph Vratz
Redaktion: Sefa İnci Suvak

Massenmedien: "The Times" erstmals mit Schnellpresse gedruckt

Massenmedien: "The Times" erstmals mit Schnellpresse gedruckt WDR Zeitzeichen 29.11.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 30.11.2099 WDR 5

Friedrich Koenig hieß der deutsche Erfinder der dampfgetriebenen Zylinderpresse. Die Schnelligkeit des Drucks war revolutionär. Am 29. November 1814 wurde "The Times" erstmals mit der Schnellpresse gedruckt.

Die englische "Times" wird am 29. November 1814 als erste Zeitung der Geschichte per Schnellpresse gedruckt. Mehr als 1.000 Seiten pro Stunde: Das bedeutet eine Auflagezahl, die über die regionalen Grenzen hinausreicht. Die Innovation revolutioniert den Zeitungsmarkt und verändert die Welt. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Eckhard Rieck, Maschinenbau-Ingenieur, Historiker und Autor ***


Was heute im britischen Parlament besprochen wird, ist bei der Londoner "Times" schon am nächsten Morgen zu lesen - bei den anderen Zeitungen dagegen erst am übernächsten Tag. Dank der Schnellpresse brechen für das Blatt goldene Zeiten an und in ganz Europa boomt der Zeitungsmarkt: Es ist der Beginn der Massenblatt-Ära.

Die technische Revolution ist zugleich der Höhepunkt im Leben von Friedrich Koenig. Denn der 1774 in Eisleben als Sohn eines Bauern geborene Unternehmer ist der Erfinder dieser buchstäblichen "Zeit-Spar-Maschine".

Schon 1802 kommt der junge Koenig auf die Idee mit der neuen Druckpresse, doch anfangs will davon niemand etwas wissen. Erst John Walter von der "Times" erkennt 1814 die Zeichen der Zeit und bestellt zwei der Doppelzylinderdruckpressen. Damit verschafft der Verleger seiner Zeitung einen entscheidenden Vorsprung gegenüber der Konkurrenz.

Die Original "Times"-Schnellpresse ist etwa 3,50 Meter lang, knapp zwei Meter hoch und komplett aus Metall. Das Auftragen der Druckerschwärze besorgt die Maschine selbstständig mit Färbewalzen. Mit mehr als 1.000 Bogen pro Stunde ist Koenigs Apparat viermal so schnell wie die herkömmlichen handbetriebenen Druckapparate - bei halbem Personaleinsatz.

In diesem Zeitzeichen erzählt Stephan Beuting:
  • wieso der Technikoptimismus des einen die Zukunftsangst der anderen ist,
  • weshalb man den Drucker von damals angeblich an seinem Gang erkennen kann,
  • und warum keine deutsche Zeitung zuschlägt und Koenig für den Erfolg seiner Maschine nach England auswandern muss.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Eckhard Rieck, Maschinenbau-Ingenieur, Historiker und Autor
  • Volker Jansen, Professor für Print-Media-Technologies an der Uni Stuttgart
  • Sonja Neumann, Kuratorin im Fachbereich Drucktechnik, Deutsches Museum München
  • Kathrin Fahlenbrach, Medienwissenschaftlerin und Medienrezeption, Uni Hamburg
  • Eckhard Rieck: Friedrich Koenig und die Erfindung der Schnellpresse. Wege eines Pioniers der modernen Unternehmensgeschichte (2015)
  • Benjamin Krebs: Handbuch der Buchdruckerkunst. Frankfurt a.M., 1827

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Autor und Technik: Stephan Beuting
Redaktion: Sefa İnci Suvak

Wie ein Preuße die US-Armee schuf: Wilhelm von Steuben

Wie ein Preuße die US-Armee schuf: Wilhelm von Steuben WDR Zeitzeichen 28.11.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 29.11.2099 WDR 5

F.W. von Steuben (gestorben am 28.11.1794) wird vermutlich wegen seiner Homosexualität aus dem preußischen Militär entlassen. Dann spielt er eine entscheidende Rolle im US-Unabhängigkeitskrieg...

Marschmusik, uniformierte Mädchentanzcorps, Konfettiregen - jedes Jahr im September zieht in New York die Steuben-Parade über die Fifth Avenue. Gefeiert wird Baron Friedrich Wilhelm von Steuben, ein vermeintlicher Held im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Der Preuße brachte Disziplin, Hygiene und Härte aufs Schlachtfeld der Neuen Welt. Heute steht Steubens sexuelle Orientierung im Mittelpunkt des Interesses. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Michael Hochgeschwender, Historiker, LMU München***


Der preußische Ex-General Friedrich Wilhelm von Steuben von ist gerade zum wiederholten Male entlassen worden und braucht dringend einen neuen Job. 
Auf der anderen Seite des Atlantiks verzweifelt zur gleichen Zeit George Washington an seiner Bauernarmee. Mit diesen ungehorsamen Männern, die zur Erntezeit einfach nach Hause fahren, lässt sich die englische Krone nicht besiegen. Einen preußischen Militärexperten könnten die neu gegründeten Vereinigten Staaten gut gebrauchen - also reist Friedrich Wilhelm von Steuben nach Amerika.

Dort bringt der Preuße die Truppen mit mehr Hygiene, Training und Disziplin so auf Vordermann, dass sie am Ende sogar die Engländer besiegen. Friedrich Wilhelm von Steuben avanciert zum amerikanischen Kriegshelden. Nach seinem Tod am 28. November 1794 werden Denkmäler errichtet, jedes Jahr zieht zu seinen Ehren eine bunte Parade durch New York.

Heute steht vor allem Steubens sexuelle Orientierung im Blickpunkt und hat ihn ins Zentrum aktueller US-amerikanischer Kulturkämpfe gerückt. Baron Friedrich Wilhelm von Steuben soll Männer geliebt haben, junge Männer. Während die LGBTQ-Szene ihn nun als queeren Militär feiert, der die amerikanische Geschichte mitgeschrieben hat, wollen christlich-konservative Amerikaner seine Denkmäler abreißen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck:
  • warum die Armee der neu gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika hauptsächlich aus Bauern besteht,
  • wie Latrinen helfen, die Engländer zu vertreiben,
  • warum die Frage zur Sexualität des Preußen so schwer zu beantworten sind,
  • von der Steuben-Parade, zu der jährlich Vereine aus Deutschland in die USA reisen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Michael Hochgeschwender, Historiker, LMU München
  • Michael Hochgeschwender: Die Amerikanische Revolution. Geburt einer Nation. 1763-1815. München 2018
  • Franz Fabian: Steuben. Ein Preuße in Amerika. Berlin 1996
  • Armin M. Brandt: Friedrich Wilhelm von Steuben. Preußischer Offizier und amerikanischer Freiheitsheld. Halle 2006

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Autorin: Almut Finck
Redaktion: David Rother
Technik: Annette Skrzydlo

Auto-Fan Bertolt Brecht kauft einen Sportwagen (am 27.11.1949)

Auto-Fan Bertolt Brecht kauft einen Sportwagen (am 27.11.1949) WDR Zeitzeichen 27.11.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 28.11.2099 WDR 5

Bertolt Brecht hat den Kapitalismus verachtet - aber schnelle Sportwagen geliebt. Und deshalb sogar einen Werbeslogan für die Marke "Steyr" geschrieben...

Schon in jungen Jahren ist Bertolt Brecht ein Autoliebhaber. In eine seiner Bibeln hat der Kapitalismuskritiker sogar ein Bild von einem Rennwagen eingeklebt. Manche Autos soll er wie Geliebte behandelt haben. Der nicht so treue Ehegatte bleibt immerhin in Sachen Lieblingsautomarke monogam: Den ersten Steyr kann er sich nach dem Erfolg der Dreigroschenoper 1928 leisten, seinen letzten kauft Bertolt Brecht 1949, wenige Wochen nach der Gründung der DDR. ***Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner und -partnerinnen: Erdmut Wizisla, langjähriger Leiter des Brecht-Archivs; Ursula Muscheler, Architekturhistorikerin und Autorin von: Ein Haus, ein Stuhl, ein Auto. Bertolt Brechts Lebensstil. Berlin 2024. ***


Von einem rot-schwarzen Steyr träumt Bertolt Brecht schon lange. Die österreichische Automobilmarke hat Ende der 1920er Jahre eine Strahlkraft wie später Porsche oder Ferrari. Doch zunächst muss sich Brecht mit einem Opel begnügen, mehr gibt sein Budget nicht her. Erst mit dem Erfolg der Dreigroschenoper kann sich der Schriftsteller seinen ersten Steyr leisten. Doch die Gestapo beschlagnahmt sein Auto nur wenige Jahre später zusammen mit seinem Haus.

Im dänischen Exil fährt Brecht einen Ford T - kein Vergleich mit einem Steyr. Er notiert: "Ford hat ein Auto gebaut; das fährt ein wenig laut; es ist nicht wasserdicht; und fährt auch manchmal nicht." Erst als er aus dem Exil zurück nach Berlin kommt, ist Bertolt Brecht wieder mit dem Wagen unterwegs, an dem sein Herz besonders hängt: Am 27. November 1949 kauft er einen gebrauchten, rot-schwarzen Steyr.

Sein Traumauto wird später von der DDR-Polizei aus dem Verkehr gezogen. Ein 15 Jahre altes Auto auf der Straße? Eine Konsumverweigerung gegenüber der heimischen Autoindustrie, nahezu konterrevolutionär.

In diesem Zeitzeichen erzählt Jürgen Werth:
  • warum Brecht einige Autos wie Geliebte behandelt haben soll,
  • wofür der notorisch untreue Schriftsteller seine Autos außer für Ausfahrten noch genutzt hat,
  • warum der Minister für Kultur der DDR Bertolt Brecht in den fünfziger Jahren ein EMW Kabrio überlässt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner und -partnerinnen:
  • Erdmut Wizisla, langjähriger Leiter des Brecht-Archivs
  • Ursula Muscheler, Architekturhistorikerin
  • Egon Monk, Brecht-Schüler
  • Ursula Muscheler: Ein Haus, ein Stuhl, ein Auto. Bertolt Brechts Lebensstil. Berlin 2024.
  • Werner Hecht: Brechts Leben in schwierigen Zeiten. Berlin 2007.

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Autor: Jürgen Werth
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Holger Maerten und Antonia Herzog

Verträumter Nonsens statt Moralerziehung: Alice im Wunderland

Verträumter Nonsens statt Moralerziehung: Alice im Wunderland WDR Zeitzeichen 26.11.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 27.11.2099 WDR 5

Bei einem Bootsausflug mit der kleinen Alice Liddell erfindet Lewis Carroll die Geschichte, die später Dalí und die Beatles inspiriert. Am 26.11.1864 übergibt er ihr sein Manuskript.

Eine spontane Erzählung für ein Mädchen während einer Bootsfahrt auf der Themse - aufgeschrieben als "Alice im Wunderland" wird sie die Literaturgeschichte prägen. Alice' fantastische Reise markiert den Beginn der modernen Jugendliteratur und zieht bis heute Generationen von Leserinnen und Lesern in ihren Bann. ***Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans, Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum ***


"Alice’s Adventures Under Ground" - so lautet der ursprüngliche Titel, den Charles Dodgson, besser bekannt als Lewis Carroll, 1864 seiner ersten Version der berühmten Erzählung gibt. Was als spontane Geschichte während eines Bootsausflugs auf der Themse beginnt, wird auf Drängen der zehnjährigen Alice Liddell, Dodgsons junger Zuhörerin, zu einem Manuskript - ausgestattet mit Zeichnungen des Autors selbst.

Die Geschichte der jungen Alice ist weit mehr als ein Kinderabenteuer: Sie sprengt die Regeln viktorianischer Konventionen und belehrender Kinderliteratur. Statt Gehorsam und Moral zeigt Alice Mut, Witz und die Fähigkeit, im Chaos ihren eigenen Weg zu finden. Figuren wie die Grinsekatze, der Hutmacher oder die herzlose Herzkönigin, die absurde Logik und sprachliche Spielereien machen die Geschichte bis heute zu einem literarischen Phänomen.

Im November 1864 überreicht Dodgson der kleinen Alice sein handgeschriebenes Manuskript. Doch dabei bleibt es nicht: Dodgson überarbeitet und erweitert sein Werk. Mit Unterstützung eines befreundeten Schriftstellers veröffentlicht er seine Geschichte 1865 schließlich unter dem Titel, den man bis heute kennt: "Alice’s Adventures in Wonderland".

In diesem Zeitzeichen erzählt Christian Kosfeld:
  • warum der Mathematik-Dozent und Hobbyfotograf Charles Dodgson unter dem Pseudonym Lewis Carroll schrieb,
  • wer die zehnjährige Alice Liddell ist, die Carrolls Geschichte inspirierte,
  • wie Carroll reale Personen, Orte und Eigenheiten wie sein Stottern humorvoll in die Figuren des Buches einarbeitet,
  • und warum seine Fotos von Alice Liddell und anderen Kindern noch heute kontrovers diskutiert werden.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Lewis Carroll: Alles über Alice. Hamburg 2002.
  • Peter Hunt: Alice im Wunderland. Wie alles begann, Darmstadt 2021.
  • Thomas Kleinspehn: Lewis Carroll, Hamburg 1997.

Und das ist unsere Interviewpartnerin:
  • Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans, Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum

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Autor: Christian Kosfeld
Redaktion: Carolin Rückl und David Rother

Deutsche Antwort auf Sherlock Holmes: Autorin Jenny Hirsch

Deutsche Antwort auf Sherlock Holmes: Autorin Jenny Hirsch WDR Zeitzeichen 25.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 26.11.2099 WDR 5

Die am 25.11.1829 geborene Schriftstellerin kämpft zeitlebens für die Unabhängigkeit von Frauen. Ihr Engagement finanziert sie selbst, mit unkonventionell verdientem Geld.

Jenny Hirsch ist Frauenrechtlerin, Redakteurin und Schriftstellerin. Geboren wird sie am 25. November 1829 in Zerbst bei Magdeburg. Als Jüdin und als Frau kämpft Hirsch mit dem Beispiel ihres eigenen Lebens gegen die herrschenden Vorurteile ihrer Zeit. ***Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen: Jana Mikota, Oberstudienrätin (Uni Siegen), Jana Haase, Archivarin des Lette Vereins in Berlin***


Ein geheimnisvolles Buch. Geschrieben von Fritz Arnefeldt. Ein Kriminalroman - Ende des 19. Jahrhunderts ein ganz neues Genre in Deutschland. Im Buch versteckt sind kleine unterschwellige Botschaften, die eigentlich nicht zu einem männlichen Autor passen. Des Rätsels Lösung: Fritz Arnefeldt gibt es gar nicht. Die eigentliche Autorin ist Jenny Hirsch. Schriftstellerin, Redakteurin und Frauenrechtlerin.

Hirsch wird am 25. November 1829 in Zerbst geboren, eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Ihr Vater ist Kaufmann, die Familie streng jüdisch. Früh beginnt Jenny Gedichte und Geschichten zu schreiben. Unter dem Pseudonym J. N. Heynrichs, ein Anagramm ihres Namens, sendet sie ab und an ihre literarischen Arbeiten an verschiedene Verlage. Unter ihrem richtigen Namen darf sie nicht veröffentlichen, da sowohl der Vater als auch ihre Verwandten in Zerbst ihre schriftstellerischen Ambitionen missbilligen.

Doch aufgeben ist für Hirsch nie eine Option. Sie kämpft - nicht nur für ihre Rechte. Vielmehr wird Hirsch eine der führenden Persönlichkeiten der frühen bürgerlichen Frauenbewegung. Sie ist Mitinitiatorin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Leipzig, die erste Schriftführerin des "Vereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts" (später Lette-Verein) und Herausgeberin der Zeitschrift "Der Frauen-Anwalt".

Neben all diesem Engagement findet Hirsch auch noch Zeit, um Romane zu schreiben - mit Subtext. So machen sich Frauen in ihren Büchern selbstständig oder werden Ärztin. Allein unter dem Pseudonym Fritz Arnefeldt soll sie 29 Krimis und Erzählungen geschrieben haben, die bis in den USA verkauft wurden. Aber irgendwann geht es nicht mehr. Jenny Hirsch erblindet im Alter und stirbt schließlich mit 72 Jahren in Berlin.

In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Geuer:
  • von Hirschs schwieriger Kindheit im kleinstädtischen Zerbst,
  • warum Hirsch trotz ihres Engagements in manchen Frauenkreisen nicht besonders gut gelitten ist,
  • welche Vorbilder aus dem wahren Leben Hirsch als Vorlage für ihre Romanfiguren dienen,
  • welches Buch von ihr im Internet heute Preise von über 1.000 Euro erzielt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
  • Jana Mikota, Oberstudienrätin (Uni Siegen)
  • Jana Haase, Archivarin des Lette Vereins in Berlin
  • Marianne Brüning: Jenny Hirsch. Frauenrechtlerin, Redakteurin, Schriftstellerin; Jüdische Miniaturen (2004)
  • Jenny Hirsch: Ein seltsamer Fall. Ein Kriminalroman von 1912 (2019)

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Autorin: Irene Geuer
Redaktion: Carolin Rückl und Sefa Inci Suvak

Patent für Stacheldraht: Das Ende der Cowboy-Ära?

Patent für Stacheldraht: Das Ende der Cowboy-Ära? WDR Zeitzeichen 24.11.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 25.11.2099 WDR 5

Am 24.11.1874 verändert ein Patent die USA und den Wilden Westen: Der Stacheldraht revolutioniert die Viehhaltung - und hat dramatische Folgen für Cowboys und Indianer.

Der Farmer Joseph Glidden erfindet mit dem Stacheldraht ursprünglich eine sichere Barriere gegen Rinder. Am 24. November 1874 erhält er für seinen mobilen Zaun, bestehend aus zwei verdrillten Drähten mit spitzen Stacheln, das Patent. Glidden wird damit steinreich. Doch der Stacheldraht macht eine unrühmliche Karriere: Als Grenzbefestigung gegen Menschen. *** Das ist unsere wichtigste Quelle: Olivier Razac: Politische Geschichte des Stacheldrahts. Prärie, Schützengraben, Lager. Zürich-Berlin 2003 ***


Das Prinzip ist simpel: Zwei lange, ineinander verdrillte Drähte und darin in kleinen Abständen eingearbeitet kurze Drähte, deren Enden angespitzt nach außen abstehen. Eine praktische Erfindung, dieser Stacheldraht: billig zu produzieren, auch auf große Distanzen einfach zu installieren und dabei so wirksam wie kein anderer Zaun. Am 24. November 1874 erhält der Farmer Joseph Glidden aus Missouri für diese Erfindung das US-Patent Nr. 157.124.

Glidden ist nicht der Einzige, der sich an der Entwicklung eines stachelbewehrten Drahtzauns versucht hat. Als Erster hat er jedoch die Idee, die Metalldornen durch Verdrillen zweier Längsdrähte so zu fixieren, dass sie nicht mehr hin und her rutschen können. Mit einer umgebauten Kaffeemühle produziert Joseph Glidden die ersten Meter seiner flexiblen Stahlbarriere, die in kürzester Zeit das Gesicht des amerikanischen Westens grundlegend verändern wird.

In diesem Zeitzeichen erweckt Autor Martin Herzog die Geschichte vom Stacheldraht und dem Ende der Cowboys auf Grundlage historischer Fakten zum Leben.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martin Herzog:
  • Vom Reichtum des Stacheldraht-Erfinders und was Glidden mit dem Geld anfängt,
  • was Gliddens Stacheldraht von anderen unterscheidet und sicherer macht,
  • wie Glidden die skeptischen Texaner von seiner Erfindung überzeugt und sich anschließend vor Aufträgen nicht mehr retten kann,
  • wieso die Cowboys und auch die Indianer unter den zunehmenden Stacheldraht-Barrieren leiden.

Das ist unsere wichtigste Quelle:
  • Olivier Razac: Politische Geschichte des Stacheldrahts. Prärie, Schützengraben, Lager. Zürich-Berlin 2003

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Autor: Martin Herzog
Redaktion: Matti Hesse

Das geheime Leben der DDR-Elite: die Waldsiedlung Wandlitz

Das geheime Leben der DDR-Elite: die Waldsiedlung Wandlitz WDR Zeitzeichen 23.11.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 24.11.2099 WDR 5

Die Waldsiedlung Wandlitz, fast 30 Jahre exklusiver Wohnort für SED-Politbüromitglieder. Am 23.11.1989 gewährt erstmals eine TV-Reportage der Öffentlichkeit Einblick.

Eingezäunt, bewacht und gut versorgt: Im inneren Ring der Waldsiedlung Wandlitz stehen 23 Einfamilienhäuser mit ein bis zwei Etagen, jedes von ihnen mit sieben bis 15 Zimmern. Rund 20 Angehörigen des SED-Politbüros und ihre Familien wohnen hier. Im äußeren Ring gibt es eine Gärtnerei, eine Poliklinik und Wohnhäuser für die Beschäftigten, also Angestellte und Wachpersonal. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Ulrich Mählert (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur) ***


Offiziell existiert die Waldsiedlung Wandlitz nicht. Das Gebiet ist auf keiner Karte verzeichnet. Es ist scheinbar Niemandsland. Die DDR-Öffentlichkeit erfährt nichts von der Siedlung. Intern gilt die Regel: Wer Mitglied oder Kandidat des SED-Politbüros wird, muss nach Wandlitz umziehen. Es reicht also nicht aus, nur Minister oder Vorsitzender einer Blockpartei zu sein.

Im Herbst 1989 versucht das DDR-Fernsehen erstmals, die Siedlung zu besichtigen. Reporter Jan Carpentier fährt mit einem Kamerateam für die Jugendsendung "Elf99" dorthin, wo die politische Macht Ostdeutschlands wohnt. Doch sie werden abgewiesen. Es handele sich um ein militärisch gesichertes Objekt.

Erst zwei Tage später, am 23. November, gibt es den ersten offiziellen Termin zur Besichtigung der Politbürosiedlung. Ein Mensch, der sich als Schmidt vorstellt, führt die Pressevertreter durch ein schon länger leer stehendes Wohnhaus und behauptet, die Einrichtung stamme aus DDR-Produktion. Nur einige Sanitärarmaturen seien importiert worden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Klug:
  • in welchem Teil von Berlin die DDR-Führung zunächst wohnt,
  • was der russische Dichter Wladimir Majakowski damit zu tun hat,
  • warum die SED-Prominenz 1953 nach Berlin-Karlshorst umzieht,
  • wann sich die ersten Funktionäre in der Wandlitzer Waldsiedlung niederlassen,
  • wie das Haus von SED-Chef Walter Ulbricht ausgestattet ist.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Ulrich Mählert (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)

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Autor: Thomas Klug
Redaktion: Christoph Tiegel und Matti Hesse

Start ins Chaos: Konferenz zur Rechtschreibreform (22.11.1994)

Start ins Chaos: Konferenz zur Rechtschreibreform (22.11.1994) WDR Zeitzeichen 22.11.2024 14:33 Min. Verfügbar bis 23.11.2099 WDR 5

Groß, klein, zusammen, getrennt - die deutsche Rechtschreibung ist voller Fallstricke. Mit einer Reform sollte sie vereinheitlicht und vereinfacht werden - mit gemischtem Erfolg.

Wie werden Fremdwörter geschrieben? Wo kommt ein Komma hin? Wie werden Wörter getrennt? Wann werden sie groß und wann klein geschrieben? Für viele Menschen ist Rechtschreibung ein unerquickliches Thema. Jahrelang wird beraten, um die Rechtschreibung auf den neusten Stand zu bringen - zumal sie seit 1902 so gut wie nicht mehr verändert worden ist. 1994 beginnt schließlich eine grundlegende Reform der Rechtschreiberegeln. *** Für dieses Zeitzeichen haben wir unter anderem gesprochen mit: Sabine Krome (Projektleiterin Orthographieforschung am Leibniz Institut für Deutsche Sprache Mannheim, Ex-Geschäftsführerin des "Rats für deutsche Rechtschreibung***


Fachleute aus der BRD, DDR, Österreich und der Schweiz beraten über viele Jahre, wie die Rechtschreibung einfacher, einheitlicher, verständlicher für Lernende werden kann: 1964 wird das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim gegründet, als wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung der deutschen Sprache.

1987 beauftragt die Kultusministerkonferenz der Länder das Institut, ein Regelwerk zu erstellen. Sieben Jahre später ist es soweit. Vom 22. bis 24. November 1994 treffen sich Wissenschaftlerinnen, Fach-Beamte und Verbände zur Wiener Orthographiekonferenz. Sie empfehlen eine umfassende Rechtschreibreform.

Schließlich beschließt die Kultusministerkonferenz die Einführung der neuen Rechtschreibung zum 1. August 1998. Als die Vorschläge bekannt werden, bricht eine Protestwelle los. Doch das Bundesverfassungsgericht entscheidet: Die Reform ist rechtmäßig und darf bis zum Jahr 2005 in Behörden, Verwaltungen, Schulen und Hochschulen eingeführt werden. Auch sie wird in den folgenden Jahren mehrmals reformiert.


In diesem Zeitzeichen erzählt Christian Kosfeld:
  • was Konrad Duden 1876 anlässlich einer ersten Rechtschreib-Konferenz erklärt,
  • welche wichtigen Änderungen die "Neue Rechtschreibung" von 1901 enthält,
  • wie viele Germanisten an der Wiener Orthographie-Konferenz teilnehmen,
  • warum 2004 der "Rat für Deutsche Rechtschreibung" gegründet wird,
  • wie wichtig das Lernen von Rechtschreibregeln trotz KI und Textprüf-Programmen ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Sabine Krome (Projektleiterin Orthographieforschung am Leibniz Institut für Deutsche Sprache Mannheim, Ex-Geschäftsführerin des "Rats für deutsche Rechtschreibung")
  • Ilpo Tapani Piirainen: Der Weg zur deutschen Rechtschreibreform von 1998. Zur Geschichte einer Kulturfertigkeit. In: Orbis Linguarum, 1999
  • Günther Thomé: Deutsche Orthographie: historisch - systematisch - didaktisch. Grundlagen der Wortschreibung. Oldenburg 2019

Weiterführende Links:

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Christian Kosfeld
Redaktion: Frank Zirpins

Der Schelm Nasreddin Hoca: Humorist der islamischen Welt

Der Schelm Nasreddin Hoca: Humorist der islamischen Welt WDR Zeitzeichen 21.11.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 22.11.2099 WDR 5

Nasreddin Hoca (Todesjahr 1284) begeistert mit seinen humorvollen Geschichten seit Jahrhunderten. Er zeigt, wie Islam und Humor zusammenpassen.

Man schmunzelt über ihn von Istanbul bis Jemen, von Marokko bis Peking, von Samarkand bis Moskau, vom Balkan bis in die Vorstädte Teherans: Nasreddin Hoca ist ein Kosmopolit. Die türkische Überlieferung beansprucht ihn jedoch als unveräußerliches Eigentum. Dargestellt wird er mit übergroßem Turban, meist verkehrt herum auf seinem Esel sitzend. Grundlage dafür ist dieser Dialog: "Aber Hoca! Du sitzt verkehrt herum auf dem Esel!" – "Nein", erwiderte Hoca. "Nicht ich sitz‘ verkehrt herum! Der Esel schaut in die falsche Richtung!" *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Professor Ulrich Marzolph (Islamwissenschaftler, Universität Göttingen)


Im Herzen der Türkei, in der mittelanatolischen Stadt Akşehir, steht ein Mausoleum, dessen Tür ein überdimensionales Vorhängeschloss sichert – reinste Ironie, denn ansonsten ist die Grabstätte ringsum frei zugänglich.

Das Grab von Nasreddin Hoca ist mit einem übergroßen Turban aus Marmor geschmückt. Darauf steht: Gestorben 683 Hedschra. Nach christlicher Zeitrechnung also 1284. Ob er aber tatsächlich existiert hat oder nicht, ist nicht bekannt.

Heute geht man davon aus, dass Nasreddin Hoca eine historische Persönlichkeit des 13. oder 14. Jahrhunderts gewesen sein könnte. Damals erscheinen die ersten Nachrichten über ihn. Sie berichten über ein Schlitzohr, das verschmitzt und mit Schläue, manchmal auch frech, die Schwächen der Menschen humorvoll karikiert.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
  • Warum Nasreddin Hoca in der Erzählforschung als "Kristallisations-Figur" bezeichnet wird,
  • welche Art von Anekdoten und Geschichten von ihm stammen sollen,
  • wie groß das Spektrum der Themen ist,
  • welche Rolle die Gestalt des berühmten mongolischen Eroberers Timur Leng spielt,
  • was Michail Gorbatschow mit Nasreddin Hoca zu tun hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Professor Ulrich Marzolph (Islamwissenschaftler, Universität Göttingen)
  • Ulrich Marzolph (Hg.): Nasreddin Hoca – 666 wahre Geschichten. München 1996
  • Ulrich Marzolph: Arabia Ridens. Frankfurt 1992
  • Celal Özcan (Hg.): Die besten Geschichten von Nasreddin Hoca. München 2014

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Autorin: Marfa Heimbach
Redaktion: David Rother
Technik: Sarah Fitzek

Der Jahrhundertroman: 100 Jahre "Zauberberg"

Der Jahrhundertroman: 100 Jahre "Zauberberg" WDR Zeitzeichen 20.11.2024 13:48 Min. Verfügbar bis 21.11.2099 WDR 5

Bequem, lustig und auf begrenztem Raum - so stellt sich Thomas Mann sein neues Werk vor. Am Ende ufert die Arbeit so aus wie der Aufenthalt von Hans Castorp im Sanatorium. Im November 1924 kommt das Buch erstmals in den Handel.

Zwischen kahlen Bäumen und kranken Patienten, wächst aus eigenen Beobachtungen ein Werk, das tief in die Seele der Zeit eindringt. In der verschneiten Stille des Schweizer Berglands entwickelt Thomas Mann während eines Aufenthalts im Sanatorium Davos die ersten Ideen für den "Zauberberg". ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Dr. Ralph Köhnen, Ruhr Universität Bochum***


Thomas Manns Roman begleitet den jungen Hans Castorp, der seinen kranken Vetter im Berghof besucht. Er will eigentlich nur ein paar Wochen bleiben, doch schon bald verändert sich sein Leben – und das Verständnis von Zeit. In der dünnen Bergluft wird er mit Liebe, Tod und philosophischen Fragen konfrontiert, die ihn bis zum Ersten Weltkrieg begleiten.

Mann verarbeitet in seinem Jahrhundertroman mit präziser Sprache und feiner Ironie sein eigenes Leben. Im Frühsommer 1912 begibt sich der 36-Jährige in die Schweizer Berge, um seine an Tuberkulose erkrankte Frau Katia zu besuchen. Im Sanatorium von Davos begegnet er einer faszinierenden Welt aus Kranken und Genesenden, deren seltsames Verhalten seine Fantasie anregt. Noch lange nach seiner Reise spielt er mit den Eindrücken, und aus diesen keimen die ersten Ideen für seinen großen Roman.

Über Jahre hinweg geschrieben, entfaltet sich "Der Zauberberg" als psychologisches und geistiges Abenteuer, das tief in die Zeitgeschichte der Vorkriegsjahre eintaucht. Es ist ein literarisches Monument über den Wandel der Wahrnehmung und die Komplexität des Lebens, das auch ein Jahrhundert nach seiner Veröffentlichung zum Nachdenken und Staunen anregt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Monika Buschey:
  • wie der Roman mit seinen langen Dialogen und tiefgründigen Reflexionen auch zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung anregt,
  • wie die Charaktere des Romans, Leo Naphta und Ludovico Settembrini, zentrale Fragen des 20. Jahrhunderts behandeln und dabei die politische Landschaft der damaligen Zeit widerspiegeln,
  • und wie das Buch den Leser in eine Welt entführt, in der Entschleunigung den Tag bestimmt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Prof. Dr. Ralph Köhnen, Ruhr Universität Bochum
  • Thomas Mann: Der Zauberberg, Frankfurt am Main 1924.
  • Hans Wysling: Thomas Mann. Selbstkommentare: „Der Zauberberg“, Informationen und Materialien zur Literatur, Berlin 1939.

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Autorin: Monika Buschey
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Sarah Fitzek

Dritter Stern für das Restaurant "Aubergine" (am 19.11.1979)

Dritter Stern für das Restaurant "Aubergine" (am 19.11.1979) WDR Zeitzeichen 19.11.2024 15:36 Min. Verfügbar bis 20.11.2099 WDR 5

Mit seinem Restaurant "Aubergine" kocht sich Eckart Witzigmann an die Spitze der deutschen Gastro-Szene. Eineinhalb Jahrzehnte lang hält er die höchste Auszeichnung - drei Michelin-Sterne.

Im Guide Michelin erhält der Österreicher Eckard Witzigmann 1979 mit seinem dritten Stern die höchsten kulinarischen Weihen. Der Gault Millau - neben dem Guide Michelin ein weiterer einflussreicher Restaurantführer - adelt Eckart Witzigmann mit dem Titel "Koch des Jahrhunderts" - auch als Reaktion auf seine Verurteilung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Kokainbesitzes. Die Konzession für seinen Gourmet-Tempel "Aubergine" in München hat Witzigmann zu dem Zeitpunkt allerdings schon verloren. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Madeleine Jakits, langjährige Journalistin des Gourmet-Magazins "Der Feinschmecker" ***


Nachdem er sich mit dem Restaurant "Tantris" bereits zwei Guide-Michelin-Sterne erkocht hat, öffnet Eckart Witzigmann 1978 sein Restaurant "Aubergine" in München. Ein Jahr später schon erhält er das größtmögliche Lob: Der Guide Michelin vergibt am 19. November 1979 die höchste Auszeichnung.

Die "Aubergine" erhält als erstes deutsches Restaurant einen dritten Stern. Der 38-jährige Witzigmann ist damit einer der wenigen Nicht-Franzosen, denen das damals gelingt.

Schon in den 1920er-Jahren werden für den Guide Michelin anonyme Tester losgeschickt, sogenannte "Inspektoren", wie sie bis heute heißen. Es sind im weitesten Sinn Leute aus der Gastronomiebranche - Hoteliers, professionelle Köche, Lebensmittelexperten. 1926 wird der Michelinstern eingeführt. Seit 1966 gibt es den Guide Michelin auch für Deutschland. Die Redaktion hat ihren Sitz in Karlsruhe.

Eckart Witzigmann behält seine drei Sterne von 1979 bis 1994, bis das Restaurant zugemacht wird. Im März 1993 wird Witzigmann wegen Kokainbesitzes zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er verliert die Konzession für die "Aubergine".

Eine zu harte Strafe finden manche. Der Gault&Millau - neben dem Guide Michelin ein weiterer einflussreicher Restaurantführer - adelt Eckart Witzigmann auch deshalb mit dem Titel "Koch des Jahrhunderts", um seine außerordentliche Klasse herauszustellen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen:
  • wie Witzigmann mit einer Brühe eine Kollegin verzaubert,
  • wie sich für Witzigmann am Schweizer Tellerlift die Tür zur französischen Spitzengastronomie öffnet,
  • warum sich Frankreich zum kulinarischen Schlaraffenland entwickelt,
  • warum ein Bauunternehmer Witzigmann nach München holt,
  • dass Publikum und Nouvelle Cuisine erst allmählich zueinander finden müssen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:

Weiterführender Link:

Hörtipp:
  • Reinhören: "Alles in Butter" ist der Genuss-Podcast von WDR 5. Neue Folgen gibt’s immer freitags in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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Autorin: Andrea Klasen
Redaktion: Christoph Tiegel, Frank Zirpins
Technik: Nico Söllner

Das kulturelle Zentrum Japans: Kyoto wird Hauptstadt

Das kulturelle Zentrum Japans: Kyoto wird Hauptstadt WDR Zeitzeichen 18.11.2024 14:48 Min. Verfügbar bis 19.11.2034 WDR 5

Kyoto, die alte Kaiserstadt, war und ist das kulturelle Zentrum Japans: Hier entstanden die schönsten Tempel und die schachbrettartige Architektur der Stadt. 794 wurde Kyoto zur Hauptstadt Japans ernannt.

Wie kaum eine andere Stadt vereint Kyōto die Ruhe jahrhundertealter Tempelstätten mit dem pulsierenden Leben einer modernen Metropole, in der Tradition und Innovation harmonisch verschmelzen. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Chantal Weber, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Japanologie am Ostasiatischen Institut der Universität zu Köln


Kyōto, die historische Kaiserstadt Japans, zieht mit ihren jahrhundertealten Tempeln und Teehäusern Besucher aus aller Welt in ihren Bann. Doch wer genau hinsieht, entdeckt weit mehr als nur schöne Fotomotive: Kyōto ist Japans kulturelles Herz und war einst Mittelpunkt der politischen Macht.

Im Jahr 794 entscheidet Kaiser Kanmu, seine Residenz nach Heian-kyō - das heutige Kyōto - zu verlegen. Diese Entscheidung begründet nicht nur eine neue Hauptstadt, sondern auch eine Epoche kultureller Blüte, die bis heute nachhallt.

Nach chinesischem Vorbild ist Kyōto als Schachbrettstadt angelegt, um die gesellschaftlichen Strukturen abzubilden. Der Rang einer Person bestimmt, wie weit ihr Wohnort von der Residenz des Kaisers im Norden entfernt ist. Auch Tempel, Schreine und die Nähe zur Natur spielen bei der Konstruktion der Stadt eine zentrale Rolle.

In Kyōto leben alte Traditionen bis heute weiter. Ob Handwerkskunst, Räucherstäbchenläden oder Süßigkeiten aus Bohnen, für die Japan berühmt ist: Die Stadt vereint Vergangenheit und Gegenwart in einmaliger Weise. Ein Besuch in Kyōto ist wie eine Zeitreise an einen Ort, an dem die Seele des Landes spürbar bleibt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Friedrich:
  • Was Kyōto zu jeder Zeit des Jahres in einem anderen Licht erstrahlen lässt,
  • warum die historischen Bezirke Kyōtos das Stadtbild seit Jahrhunderten prägen,
  • wie die Kunst der Landschaftsgestaltung zur Meditationspraxis erhoben wird,
  • wie sich die traditionelle Teezeremonie in Kyōto vom Rest Japans unterscheidet, und welche tiefe Bedeutung sie für die Einheimischen hat,
  • wo man die schönsten Kirschblüten- und Herbstlaub-Spots abseits des großen Trubels findet.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Wolfgang Schwentker: Geschichte Japans, München 2022
  • Matsuo Bashō, In: Haiku. Frankfurt am Main 2016
  • Matsuo Bashō: Hundertelf Haiku, Zürich 2009
  • Murasaki Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji, Frankfurt am Main 1994. Sei Shōnagon: Kopfkissenbuch, Zürich 2015

Und das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Dr. Chantal Weber, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Japanologie am Ostasiatischen Institut der Universität zu Köln

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Die Macherinnen hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Claudia Friedrich
Redaktion: Sefa Inci Suvak

Einmachen in Blech: Nicolas Appert, Erfinder der Konservendose

Einmachen in Blech: Nicolas Appert, Erfinder der Konservendose WDR Zeitzeichen 17.11.2024 13:38 Min. Verfügbar bis 18.11.2099 WDR 5

Die Konservendose, eine nützliche Erfindung, die sich vielleicht ewig hält. Wir verdanken sie dem französischen Koch Nicolas Appert, geboren am 17.11.1749.

Nicolas Appert revolutioniert das Einmachen. Sein Konservierungsverfahren zielt darauf ab, Lebensmittel durch Erhitzen und luftdichtes Verschließen haltbar zu machen. Die notwendige wissenschaftliche Erklärung dafür folgt erst Jahre nach seinem Tod - mit der Entdeckung der Mikroorganismen, die für den Verderb von Lebensmitteln verantwortlich sind. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Dr. Guido Ritter, Oecotrophologe und Ernährungswissenschaftler, Fachhochschule Münster ***


Nicolas Appert, französischer Koch mit Erfindergeist, revolutioniert vor über 200 Jahren die Art, wie wir Lebensmittel haltbar machen – eine Leistung, die ihm den Titel "Wohltäter der Menschheit" einbringt.

Seine Idee: Nahrung luftdicht verschließen und schonend erhitzen zu können. Für die damalige Zeit klingt das zunächst wie ein Experiment aus einer anderen Welt. Doch genau diese Technik perfektioniert er mit einfachen Küchenutensilien in seiner kleinen Werkstatt nahe Paris.

Apperts Werdegang ist ebenso faszinierend wie seine Erfindung. Vom jüngsten Sohn eines Gastwirtes entwickelt er sich zum Hofkoch und später zu einem innovativen Unternehmer. Seine Erkenntnisse über die Haltbarmachung von Lebensmitteln entspringen auch der drängenden Frage, wie man Soldaten im Feld mit Nahrung versorgen kann.

So baut er nicht nur die erste Konservenfabrik, sondern legt auch den Grundstein für die moderne Ernährung, die noch heute auf seinen Prinzipien basiert.

In diesem Zeitzeichen erzählt Kay Bandermann:
  • welche Erfahrungen aus verschiedenen gastronomischen Betrieben Appert bei der Erfindung helfen,
  • wie der Koch von Glasbehältern zu robusten Blechdosen wechselt und damit die Konservierung revolutioniert,
  • wie die napoleonischen Kriege Apperts Innovationen vorantreiben,
  • was ihn dazu bringt, seine Methode zur Haltbarmachung von Lebensmitteln öffentlich zu machen,
  • und welche Entdeckungen der Mikrobiologe Louis Pasteur Jahrzehnte nach Apperts Tod macht.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Kay Bandermann
Redaktion: Christoph Tiegel und Sefa Inci Suvak
Technik: Sascha Schiemann

Aufstieg zur "Perle der Karibik": Die Gründung von Havanna

Aufstieg zur "Perle der Karibik": Die Gründung von Havanna WDR Zeitzeichen 16.11.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 17.11.2099 WDR 5

Havanna wird in der Bucht Puerto de Carenas 1519 gegründet, ist viele Jahre spanische Kolonie und kurzzeitig sogar von den Briten besetzt. Die bewegte Geschichte findet sich bis heute überall in der Stadt wieder.

Havanna ist nicht nur die Hauptstadt, sondern auch kultureller und politischer Mittelpunkt Kubas. Heute ist die Stadt mit ihren rund zwei Millionen Einwohnern zweigeteilt: Aufwendig restaurierte Kolonialbauten und blitzende Cadillacs auf der einen, Armut und Zerfall auf der anderen Seite. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Dick Cluster, US-amerikanischer Sachbuchautor und Übersetzer; Co-Autor des Buches "Die Geschichte von Havanna" (2018) ***


Havanna wird gleich dreimal gegründet, in der Bucht Puerto de Carenas - dem heutigen Hafen von Havanna - dann am 16. November 1519. Die spanischen Eroberer brauchen die Stadt "San Cristóbal de La Habana" als Stützpunkt für ihre Silberflotten. Am Anfang ist es ein armseliges Nest aus Hütten und staubigen Straßen. Aufgrund der strategisch günstigen Lage wird Havanna jedoch schnell zur wichtigsten Hafenstadt in der Karibik. 1552 löst sie das im Süden der Insel gelegene Santiago de Cuba als Hauptstadt ab.

Später steigt Havanna durch Zucker und Tabak zur reichsten Stadt der Karibik auf. Der Wohlstand wächst aber nur bei der kleinen Schicht der Herrschenden - die meisten Menschen leben weiter in Elend und Armut. Ende des 19. Jahrhunderts ist Havanna berühmt als die "Perle der Karibik", in den 1950er Jahren als El Dorado für die Mafia und vergnügungssuchende US-amerikanische Touristen.

Heute ist Havanna eine zweigeteilte Stadt: Die renovierte Altstadt mit vielen alten Kolonialbauten und funktionierender Infrastruktur. Und der ganze Rest, der aufgrund von Krisen und Mangelwirtschaft allmählich in sich zusammenfällt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Kath:
  • von der Legende, wie die Stadt Havanna zu ihrem Namen kommt,
  • wie die einjährige Besatzungszeit durch die Briten Havanna für immer verändert,
  • wie afrikanische Sklaven Kuba zu wirtschaftlicher Blüte verhelfen,
  • warum eine Schiffskatastrophe Kuba zur Unabhängigkeit verhilft,
  • von einem Havanna zwischen verwitterten Prachtbauten, chromblitzenden Cadillacs und Salsa-Rhythmen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Dick Cluster, US-amerikanischer Sachbuchautor und Übersetzer
  • Dick Cluster und Rafael Hernández: The History of Havana. 2018
  • Graham Greene: Unser Mann in Havanna. 3. Aufl., 1995
  • Berge & Meer Touristik GmbH: Kuba.de
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Kleine Geschichte des Widerstands in Kuba

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Autorin: Andrea Kath
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Christina Gabriel

Als General Sherman 1864 Atlanta niederbrennen ließ

Als General Sherman 1864 Atlanta niederbrennen ließ WDR Zeitzeichen 15.11.2024 14:51 Min. Verfügbar bis 16.11.2099 WDR 5

Es ist ein gnadenloser Akt, als Nordstaaten-General Shermann am 15.11.1864 die Stadt Atlanta niederbrennen lässt - und ein Wendepunkt im US-Bürgerkrieg.

Im vierten Jahr des US-Bürgerkriegs will Unions-General William T. Sherman seinen Gegnern verbrannte Erde hinterlassen. Sie sollen ihm nicht in den Rücken fallen können, und sie sollen wissen, dass es kein Pardon gibt. Sherman ordnet an, die Stadt Atlanta niederzubrennen.


Der US-amerikanische Bürgerkrieg beginnt im April 1861 klein und begrenzt. Doch dann eskalieren Scharmützel zu Schlachten, die Zahl der Toten und Verwundeten geht in die Zehntausende. Im Kampf geht es mit Gewehr, Revolver und Bajonett oft Mann gegen Mann.

Im April 1864 schreibt Ulysses S. Grant, Oberbefehlshaber der Unions-Armeen, an General William T. Sherman, dass es jetzt darum geht, Joseph Eggleston Johnstons Konföderierte Armee zu zerschlagen, so weit wie möglich ins Feindesland vorzurücken und dabei möglichst viele der feindlichen Kriegsressourcen zu zerstören.

Sherman gilt als "harter Hund" und tut, wie ihm geheißen. Er marschiert gegen Atlanta, durchtrennt bei seinem Vormarsch die Lebensadern der Stadt, zerstört Transportwege und Gleise, die er unbrauchbar machen lässt. "Sherman-Schlips" nennen seine Leute die grotesk verbogenen Schienen.

Bisher war die Zivilbevölkerung weitgehend vom Krieg verschont geblieben. Doch Shermans Strategie zielt jetzt auf eine Demoralisierung der Bürger des Südens - abgesegnet von höchster Stelle.

Am 1. September 1864 rückt die letzte bei Atlanta stationierte Südstaatenarmee unter John Bell Hood aus der Stadt ab. Doch Sherman ist noch nicht fertig mit Atlanta. Am 15. November 1864 lässt der General die Stadt in Flammen aufgehen.

Die Zerstörung Atlantas gilt als ein Wendepunkt des Krieges. Der Brand führt den Südstaaten die kommende Niederlage vor Augen, General Sherman fühlt sich in seiner brutalen Strategie bestätigt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Herwig Katzer:
  • Dass die Sklavenbefreiung zunächst gar nicht im Fokus Präsident Lincolns und seines Kabinetts liegen,
  • welche Rollen neue Waffen und Taktiken im Sezessionskrieg spielen,
  • wie die Eisenbahn entscheidend auf den Kriegsverlauf wirkt,
  • warum das Großfeuer im Film "Vom Winde verweht" mit dem realen Geschehen in Atlanta nichts zu tun hat,
  • wie General William T. Sherman mit dem Marsch nach Savannah die Niederlage der Südstaaten besiegelt.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Norbert Finzsch, Historiker

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Autor: Herwig Katzer
Redaktion: Matti Hesse

Nellie Bly reist in 72 Tagen um die Welt - im Jahr 1889

Nellie Bly reist in 72 Tagen um die Welt - im Jahr 1889 WDR Zeitzeichen 14.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 15.11.2099 WDR 5

Am 14.11.1889 startet die unerschrockene Reporterin Nellie Bly ein abenteurliches Wettrennen um die Welt - in einer Zeit, in der andere Journalistinnen nur mit männlicher Begleitung auf die Straße gehen.

In einer Zeit, als es noch als unschicklich gilt, wenn Frauen alleine reisen, wagt die US-amerikanische Journalistin Nellie Bly Unvorstellbares. Nach dem Vorbild der Romanfigur Phileas Fogg begibt sie sich 1889 auf eine Reise um die Welt in 80 Tagen. Sie schafft es sogar in rund 72 Tagen. Der Ruhm und die Anerkennung dafür sind aber schnell vergänglich. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Matthew Goodman, Journalist***


Nellie Bly ist im ausgehenden 19. Jahrhundert eine sogenannte Stuntreporterin, das ist eine ziemlich abfällige Bezeichnung für das, was sie tatsächlich tut: Sie arbeitet als Undercover-Journalistin, um soziale Ungerechtigkeit aufzudecken; die Arbeitsbedingungen in einer Fabrik zum Beispiel oder Skandale im Gesundheitssystem.

Ende des Jahres 1888 hat sie aber eine ungeheuerliche Idee: Sie will es Phileas Fogg gleichtun, dem Helden aus Jules Vernes Welterfolg "In 80 Tagen um die Welt". Ihr New Yorker Verleger Joseph Pulitzer hält Blys Idee für völlig abwegig. Schließlich ist sie eine Frau.

Nachdem Blys Idee zunächst abgebügelt wird, darf sie ein Jahr später doch starten. Unversehens wird das Unternehmen zum Wettrennen, denn das Konkurrenzblatt "Cosmopolitan" schickt mit Elizabeth Bisland in entgegengesetzter Route ebenfalls eine Frau auf Weltreise.

Das Rennen um die Welt bleibt bis zuletzt spannend. Während das Schiff von Elizabeth Bisland von den Stürmen im Nordatlantik aufgehalten wird, kämpft der Zug von Nellie Bly mit dem Schnee im mittleren Westen.

Nellie Bly umrundet die Welt in 72 Tagen, sechs Stunden und elf Minuten. In New York wird sie von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt und von einer Ecke des Landes zur anderen gefeiert. Als Elizabeth Bisland vier Tage später ankommt, bemerkt es kaum jemand, und es ist fast niemand da, um sie zu begrüßen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Tiemann:
  • Welch großen persönlichen Einsatz Nellie Bly bei ihren Recherchen bringt,
  • warum Frauen als Jounalistinnen Ende des 19. Jahrhunderts meist unter Pseudonym schreiben,
  • unter welchen Einschränkungen Journalistinnen arbeiten,
  • wen Nellie Bly mit einem kleinen Umweg besucht,
  • wie die New York World mit einem Ratespiel ihre Auflage zusätzlich ankurbelt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Matthew Goodman, Journalist
  • Matthew Goodman: 80 days. Nellie Bly and Elisabeth Bisland’s History Making Race Around the World
  • Nellie Bly: Around the World in Seventy-Two Days
  • Elizabeth Bisland: In Seven Stages: A Flying Trip Around the World

Weiterführende Links:

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Autor: Christoph Tiemann
Redaktion: David Rother

Kriegsreporter Peter Arnett: Arbeiten unter Lebensgefahr

Kriegsreporter Peter Arnett: Arbeiten unter Lebensgefahr WDR Zeitzeichen 13.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 14.11.2099 WDR 5

Vietnam, Afghanistan, Irak - der Journalist und Reporter Peter Arnett ist auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt fast immer dabei. Oft ist er in Lebensgefahr.

Reporter leben gefährlich, manchmal sogar lebensgefährlich. Doch ohne ihren Einsatz in Kriegs- und Krisengebieten würde man kaum erfahren, was dort wirklich vorgeht. Der Neuseeländer Peter Arnett berichtet unter anderem 1991 aus Bagdad, als die ersten Bomben fallen. Am 17. November 2024 wird die Reporterlegende 90 Jahre alt. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Professor Martin Löffelholz (Medienwissenschaftler an der TU Ilmenau) ***


"Es gibt Geschichten, für die man sein Leben riskieren muss", sagte einst Peter Arnett. Drei Jahrzehnte berichtet der gebürtige Neuseeländer für US-Medien von den Kriegsschauplätzen dieser Welt. Seine Feuertaufe erlebt Arnett im Vietnamkrieg. Von 1962 bis 1970 berichtet der Journalist für die Nachrichtenagentur AP von den Fronten in Südostasien. Für seine ungeschminkten Reportagen wird er mit dem Pulitzerpreis geehrt.

1980 gründet Ted Turner mit CNN den weltweit ersten reinen Nachrichtenkanal und holt den erfahrenen Reporter zum Fernsehen. Mit seinen Reportagen aus Bagdad bringt Arnett 1991 den Irakkrieg in die Wohnzimmer der Welt - und CNN den Durchbruch im Newsgeschäft. Unter anderem schildert der Reporter mit dem schütteren Haar live vom Dach eines Hotels, wie die Bomben und Raketen rings um ihn herum in der irakischen Hauptstadt einschlagen.

Einen Namen macht Arnett sich auch durch seine Interviews etwa mit Saddam Hussein oder 1997 mit dem damals noch weithin unbekannten Al-Qaida-Führer Osama bin Laden. Arnetts Erfolge als Reporter und Kriegsberichterstatter sind unbestritten - ebenso wie seine Eitelkeit. 1999 verlässt er CNN nach einigen Auseinandersetzungen.

Arnett wechselt noch einige Male den Arbeitgeber, ehe er 2007 seine Reporter-Laufbahn im Alter von 73 Jahren beendet. Er zieht sich ins Privatleben zurück und lebt seitdem in Los Angeles.

In diesem Zeitzeichen erzählt Anja Arp:
  • unter welch extremen Bedingungen Arnett vom Vietnamkrieg berichtet,
  • wie der Reporter einmal 16 Stunden live sendet und damit die Kriegsberichterstattung verändert,
  • welcher Maxime Arnett in seiner Laufbahn stets treu bleibt,
  • von Kriegsberichterstattung in Zeiten von Social Media, Fake News und Cyberwar.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Professor Martin Löffelholz (Medienwissenschaftler an der TU Ilmenau
  • Hrsg. Martin Löffelholz, Kathrin Schleicher, Christian F. Trippe: Krieg der Narrative - Russland, Die Ukraine und der Westen. 2024
  • Katrin Eigendorf: Putins Krieg - Wie die Menschen in der Ukraine für die Freiheit kämpfen.2023

Weiterführende Links:
ZeitZeichen: 21.07.1977 - Todestag der Fotografin Lee Miller
Stichtag: 19. November 1938 - Ted Turner wird geboren
Stichtag: 11. August 1988 - Erstes Treffen zur Gründung der Al-Qaida
Stichtag: 7. August 1964 - US-Kongress billigt Vietnamkrieg

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Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.

Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Anja Arp
Redaktion: Sefa-Inci Suvak

Bonner Kanzlerbungalow: Wände, die deutsche Geschichte atmen

Bonner Kanzlerbungalow: Wände, die deutsche Geschichte atmen WDR Zeitzeichen 12.11.2024 14:07 Min. Verfügbar bis 13.11.2099 WDR 5

Als Dienstwohnung der Kanzler war er ziemlich unbeliebt: der Kanzlerbungalow in Bonn - zu kühl, zu eng, zu wenig Atmosphäre. Am 12. November 1964 wurde er fertiggestellt.

Heute ist der Kanzlerbungalow ein denkmalgeschütztes Museum, das Besucher die besondere Atmosphäre der Bonner Republik spüren lässt. Sorgfältig restauriert und teilweise in den Originalzustand zurückversetzt, ist er ein lebendiges Zeugnis deutscher Nachkriegsgeschichte und moderner Architektur. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Judith Kruse, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Haus der Geschichte in Bonn ***


Im ehemaligen Regierungsviertel von Bonn steht der Kanzlerbungalow – ein schlichtes Gebäude, das zwischen Bäumen und Rasenflächen fast unscheinbar wirkt. Doch hinter den bodentiefen Fenstern und Flachdächern wurde ein bedeutendes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte geschrieben. Von 1964 bis 1999 diente der Bungalow als Wohn- und Empfangsort der Bundeskanzler, die hier in schlichter, offener Architektur wegweisende Entscheidungen trafen und hochrangige Gäste willkommen hießen.

Entworfen vom Architekten Sep Ruf, spiegelt das Gebäude Ludwig Erhards Wunsch nach einem demokratischen und modernen Bau wider: Keine Pracht, sondern Transparenz und Bescheidenheit, inspiriert von den Prinzipien des Bauhaus. Die Innenräume – geprägt von Glas und minimalistischem Design – geben Politik und Prominenz einen nüchternen Rahmen.

Doch die Kanzler haben unterschiedliche Ansichten über das Gebäude: Während Erhard und Schmidt den puristischen Stil schätzen, passt Helmut Kohl das Interieur seinem Geschmack an und gestaltet den Bungalow zum seinem ganz persönlichen Machtzentrum um.

Heute steht der Kanzlerbungalow unter Denkmalschutz und kann von der Öffentlichkeit besichtigt werden – ein Ort, an dem sich deutsche Architektur und politische Geschichte lebendig vereinen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Ulli Schäfer:
  • warum der Kanzlerbungalow als Symbol für Erhards Vision von Bescheidenheit und Demokratie entworfen wird,
  • und wieso das so gar nicht zu seinem öffentlichen Image passt,
  • wie die Baukosten und der geplante Swimmingpool eine Debatte über Luxus auf Staatskosten entfachen,
  • welche Veränderungen die einzelnen Kanzler vornehmen,
  • und warum unter Helmut Schmidt sogar Panzerglasfenster eingebaut werden.

Das ist unsere wichtigste Quelle:
  • Kanzlerbungalow, hrsg. von der Wüstenrot-Stiftung und der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München, London, New York 2023.

Und das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Judith Kruse, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Haus der Geschichte in Bonn

Weiterführende Links:

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Autor: Ulli Schäfer
Redaktion: Christoph Tiegel und Matti Hesse

Quelle-Insolvenz: Der Pionier des Online-Shoppings macht pleite

Quelle-Insolvenz: Der Pionier des Online-Shoppings macht pleite WDR Zeitzeichen 11.11.2024 14:41 Min. Verfügbar bis 12.11.2099 WDR 5

Der Versandhandel überlebt einen Krieg und die Ölkrise, nicht aber den Tod seines Gründers. Am 11.11.2009 ist Quelle insolvent. Dabei funktioniert die Geschäftsidee bis heute.

Lange vor Zalando und Amazon setzt Gustav Schickedanz auf den Versandhandel: In den 1920er Jahren gründet er "Quelle", dessen Katalog in Wirtschaftswundertagen in jedem deutschen Haushalt liegt. Das Internet macht dem Konzept den Garaus. Am 11. November 2009 ist endgültig Schluss mit Quelle. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Ralf Deckers, Mitarbeiter am Institut für Handelsforschung in Köln


In der Essener Grugahalle herrscht am 11. November 2009 gähnende Leere. Nur rund ein Dutzend der 10.000 Quelle-Gläubiger verlieren sich im Saal. Für Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg ist der Auflösungsakt nur noch eine Formalie. Das Aus für das traditionsreiche Versandunternehmen hat Görg schon Wochen zuvor in der Quelle-Heimatstadt Fürth angekündigt. 4.000 Mitarbeiter und 1.000 Beschäftigte bei Zulieferern und Dienstleistern verlieren ihren Job. Dabei hat alles so vielversprechend angefangen.

1927 gründet Unternehmer Gustav Schickedanz die Firma "Gustav Schickedanz Kurzwaren en gros", aus der der innovative Versandhandel Quelle hervorgeht. Umsatz und Gewinne wachsen rasch. Zeitweise liegt der Quelle-Katalog praktisch in jedem deutschen Haushalt. Das Konzept geht über Jahrzehnte auf. Quelle trotzt dem vorübergehenden Berufsverbot des Firmengründers, der Ölkrise und der aufkommenden Konkurrenz durch Neckermann und Otto.

Doch der Internethandel schwächt Quelle nachhaltig. Hinzu kommt die Fusion mit dem kriselnden Kaufhaus-Konzern Karstadt 1999, zu dessen Rettung ein dreistelliger Millionenbetrag die Konten wechselt. Daher verschont Insolvenzverwalter Görg Karstadt 2009 - im Gegensatz zu Quelle.

In diesem Zeitzeichen erzählt Kay Bandermann:
  • wie der Name "Quelle" entsteht
  • vom Quelle-Gründer Gustav Schickedanz und seiner Rolle im Nationalsozialismus,
  • wie seine Frau Grete den Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg rettet,
  • von den ersten Konkurrenten Neckermann und Otto,
  • wie Ölkrise und Digitalisierung Quelle erst zu Veränderungen und schließlich zur Aufgabe zwingen

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Ralf Deckers, Mitarbeiter am Institut für Handelsforschung in Köln
  • Gustav Schickedanz, Quelle-Gründer
  • Gregor Schöllgen, Biograf
  • Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs. Berlin 2010

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Autor: Kay Bandermann
Redaktion: Carolin Rückl und Matti Hesse
Technik: Michael Franke

Friedrich Schiller: Dichter der Freiheit und Rebellion

Friedrich Schiller: Dichter der Freiheit und Rebellion WDR Zeitzeichen 10.11.2024 14:48 Min. Verfügbar bis 11.11.2099 WDR 5

Am 10.11.1759 wird der große Dichter und Dramatiker Friedrich Schiller in Marbach am Neckar geboren. Rebellion und die Suche nach Freiheit und Freude bestimmen sein Leben und Werk.

Rasant, wortgewaltig, respektlos - Friedrich Schiller bringt einen neuen Ton auf deutsche Bühnen. In seinen Werken wie "Die Räuber" und "Wilhelm Tell" geht es um Rebellion. Für seinen Freiheitsdrang und seinen Mut, gegen Tyrannei und Kleingeistigkeit anzuschreiben, zahlt der Dichter einen hohen Preis. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Robert Koall (Dramaturg, Düsseldorfer Schauspielhaus); Felix Krakau (Regisseur, Düsseldorfer Schauspielhaus)


Geboren wird Johann Christoph Friedrich Schiller am 10. November 1759 in Marbach am Neckar, im Herzogtum Württemberg, einem der deutschen Kleinstaaten. Sein Vater Johann ist Arzt beim Militär, die Mutter Elisabetha entstammt einer Bäckerfamilie. Der Ton in der Familie ist rau. Der Vater gilt als autoritär.

In die Ausbildung des Schülers Friedrich Schiller mischt sich schon bald der Herzog persönlich ein. Carl Eugen von Württemberg befiehlt, dass der Junge mit 13 Jahren ins Internat der Fürstenakademie zieht. Dort studiert er zunächst Jura und später Medizin.

Tagsüber steckt er im Drill, nachts aber liest er: Goethes Werther, der gerade erschienen ist, Shakespeare oder Gedichte des populären Friedrich Klopstock. Bald dichtet Schiller selbst angeregt, lernt Goethe kennen und wird zum Autor der Freiheit. In Werken wie "Die Räuber" und "Wilhelm Tell" schreibt er über die Rebellion.

In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Dänzer-Vanotti:
  • wie das Publikum auf die Uraufführung der "Räuber" 1782 in Mannheim reagiert,
  • was die Anführer der Französischen Revolution in einem Brief an Schiller schreiben,
  • welchen hohen Preis der Dichter für seinen Einsatz für die Freiheit zahlt,
  • wie Krankheiten sein Leben bestimmen,
  • warum seine Freundschaft zu Goethe nur zögerlich beginnt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Robert Koall (Dramaturg, Düsseldorfer Schauspielhaus)
  • Felix Krakau (Regisseur, Düsseldorfer Schauspielhaus)
  • Dieter Hildebrandt: Die Neunte - Schiller, Beethoven und die Geschichte eines musikalischen Welterfolgs. München und Wien, 2005
  • Rüdiger Safranski: Goethe & Schiller - Geschichte einer Freundschaft. München, 2009
  • Hans-Jürgen Schmelzer: Der verlorene Sohn des schwäbischen Herodes - Ein neuer Blick auf Friedrich Schillers Leben und Werk. Stuttgart, 2008

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Autorin: Irene Dänzer-Vanotti
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother

RAF-Weggefährten: Terroristen legen Bombe in Jüdischer Gemeinde

RAF-Weggefährten: Terroristen legen Bombe in Jüdischer Gemeinde WDR Zeitzeichen 09.11.2024 16:32 Min. Verfügbar bis 10.11.2099 WDR 5

Nur etwas Rost am Zünder verhindert die Explosion einer Bombe der "Tupamaros West-Berlin" am 9.11.1969 Die Spur der Täter führt in den Nahen Osten, die DDR - und zum Verfassungsschutz.

Mit einem gestohlenen Ford Transit der Technischen Universität Berlin fährt eine fünfköpfige Gruppe aus dem militant-linken Milieu 1969 nach Jordanien. Dort werden sie in einem Palästinenserlager an Sprengstoff und Waffen ausgebildet. Zurück in Berlin basteln sie eine Bombe, die sich gegen Israel richtet und im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin hochgehen soll. Der Sprengsatz zündet zum Glück nicht und richtet keinen Schaden an – aber er hinterlässt viele offene Fragen. *** Das ist unser wichtigster Gesprächspartner: Wolfgang Kraushaar, Politologe, Hamburg *** Das ist unser Hör-Tipp: „Deutschland – ein halbes Leben. 35 Jahre Mauerfall“ Direkt hier anhören: https://1.ard.de/dhl?cp=wdr Im Podcast schaut der Journalist Christian Bollert auf Deutschland, 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution und dem Mauerfall.


Ende der 1950er Jahre entsteht in Berlin an der Stelle, wo bis zur Zerstörung in der Reichspogromnacht 1938 eine der größten Synagogen Deutschlands stand, ein neues Jüdisches Gemeindehaus. Ein Zeichen dafür, dass jüdisches Leben nach dem Holocaust in Deutschland wieder aufblühen kann.

Die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander im Land der Täter bekommt am 10. November 1969 einen herben Dämpfer: Eine Reinigungskraft findet im Gemeindehaus eine Bombe, die am Tag zuvor bei einer Gedenkveranstaltung explodieren sollte und nur wegen technischer Defekte kein Blutbad anrichtet.

Hinter dem Anschlag steckt die linke Terrorgruppierung "Tupamaros West-Berlin", deren Mitglieder aus dem Umfeld des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds kommen. Sie sympathisieren mit den Palästinensern und richten sich gegen Israel und die Eroberung des Gazastreifens, des Westjordanlands und von Ost-Jerusalem. Für die Zeitgenossen ist das ein Schock: Menschen, die politisch links sind und sich der Aufklärung verpflichtet fühlen, hatte man zuvor nicht mit Antisemitismus in Verbindung gebracht.

Der Anschlag auf das Gemeindehaus verschwindet bald aus dem Fokus der Öffentlichkeit, auch weil mit der RAF linker Terror eine neue Dimension erreicht. Erst Jahrzehnte später - nach dem Mauerfall - kommen die Hintergründe zur Bombe im Jüdischen Gemeindehaus ans Licht. Die Fäden reichen von Berlin bis in den Nahen Osten, darin verwickelt sind auch Jassir Arafat, ein Undercover-Mann vom Verfassungsschutz und die DDR-Staatssicherheit.

In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck:
  • wie die Täter in einem Palästinenser-Lager ausgebildet wurden,
  • dass nie Anklage gegen die Bombenbauer erhoben wurde,
  • warum der Anschlag schnell in Vergessenheit geraten ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Wolfgang Kraushaar, Politologe, Hamburg
  • Wolfgang Kraushaar: Bombe im Jüdischen Gemeindehaus. Hamburg 2005
  • Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme. Wiesbaden 2014

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Das ist unser Hör-Tipp: „Deutschland – ein halbes Leben. 35 Jahre Mauerfall
Im Podcast schaut der Journalist Christian Bollert auf Deutschland, 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution und dem Mauerfall. „Deutschland – ein halbes Leben“ hört ihr in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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Autorin: Almut Finck
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Annette Skrzydlo

Wie Hitler-Attentäter Elser fast die Weltgeschichte änderte

Wie Hitler-Attentäter Elser fast die Weltgeschichte änderte WDR Zeitzeichen 08.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 09.11.2099 WDR 5

Der Tischler Georg Elser hat sein Attentat auf Hitler minutiös vorbereitet. Am Abend des 8.11.1939 scheitert es nur knapp – durch eine unvorhersehbare Reiseplanänderung.

"Für die Nazis hat der Georg von Anfang an nichts übrig gehabt", erinnert sich die Mutter von Georg Elser später. Ihr Sohn, ein lebensfroher Tischler, ahnt, dass Adolf Hitler Deutschland in den Ruin führen wird und entscheidet: "Hitler muss weg!" Am 8. November 1939 will er mit einer selbst gebauten Bombe Hitler in einem Münchner Brauhaus töten. Doch es kommt anders... *** Das ist unser wichtigster Gesprächspartner: Wolfgang Benz, Historiker, Berlin***


Es ist ein dichter Nebel, der Adolf Hitler an diesem Tag wahrscheinlich das Leben rettet – und Georg Elser sein Leben kosten wird. Wegen der schlechten Sicht können die Nazi-Oberen am Abend des 8. November 1939 nicht wie geplant mit dem Flugzeug von München nach Berlin reisen, stattdessen müssen sie den Zug nehmen. Die jährliche Rede von Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukellers fällt daher kürzer aus als üblich. Und als die von Georg Elser minutiös geplante Zeitbombe hochgeht, haben Hitler und Goebbels den Saal schon verlassen. Der Attentäter Georg Elser wird ungefähr zur gleichen Zeit an der Schweizer Grenze festgenommen.

Den Entschluss, Adolf Hitler in die Luft zu jagen, hatte Georg Elser bereits ein Jahr zuvor gefasst. Der Tischler sieht bei seiner Arbeit in einer Armaturenfabrik jeden Tag, wie das NS-Regime für den Krieg aufrüstet. Zugleich haben die einfachen Arbeiter immer weniger Rechte: "Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass man nur dadurch etwas verändern kann, dass man die augenblickliche Führung beseitigt, also Hitler, Göring und Goebbels."

Wäre das schlechte Wetter nicht dazwischen gekommen, so hätte Georg Elser womöglich Weltgeschichte schreiben und viel Elend in Europa verhindern können. Der Arbeiter hat immerhin schon 1938, also noch vor Kriegsbeginn, erkannt, dass der Nationalsozialismus nur Unheil bringen wird. Deutlich früher also als andere Widerständler war Georg Elser bereit, sein Leben zu riskieren, um das Nazi-Regime zu stoppen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:
  • wie Georg Elser als Arbeiter in einem Steinbruch anheuert, um an Sprengstoff zu kommen,
  • mit welcher Raffinesse er sich nachts im Brauhaus einsperren lässt,
  • welche Rolle die Abortanlagen des Bürgerbräukellers für das Attentat spielen,
  • wie die Nationalsozialisten das missglückte Attentat für ihre Propaganda nutzen,
  • dass Georg Elser noch kurz vor Kriegsende ohne Verfahren und am gleichen Tag wie Admiral Wilhelm Canaris und Dietrich Bonhoeffer hingerichtet wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Wolfgang Benz, Historiker, Berlin
  • Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler: Leben und Tat des Johann Georg Elser. München 2024
  • Johannes Tuchel/Peter Steinbach: Georg Elser. Der Hitler-Attentäter. Berlin 2008

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Heiner Wember
Redaktion: Christoph Tiegel, David Rother
Technik: Moritz Raestrup

Plankton - auf der Suche nach der Basis der Futterkette

Plankton - auf der Suche nach der Basis der Futterkette WDR Zeitzeichen 07.11.2024 13:19 Min. Verfügbar bis 08.11.2099 WDR 5

Kleine und große Schwebewesen bevölkern die Meere. Die erste Expedition zu ihrer Untersuchung organisierte der Meeresbiologe Victor Hensen, der den Begriff Plankton erfunden hat - am 7.11.1889 kehrte sie heim.

Von technischen Pannen bis zu heftigen Stürmen - die Reise der Forscher an Bord der "National" ist voller Herausforderungen. Doch ihre Entdeckungen prägen die Meereswissenschaften grundlegend. Damals wie heute steht das Plankton im Mittelpunkt der Meeresforschung. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Meike Vogt, Senior Researcher und Klimawissenschaftlerin, ETH Zürich ***


Im Jahr 1889 bricht der Kieler Biologe Victor Hensen zu einer außergewöhnlichen Reise auf. Er will erforschen, was wir heute unter dem Namen Plankton kennen: die winzigen, oft unsichtbaren Bewohner des Meeres. An Bord des Dampfers "National" und unterstützt von einem Team aus Zoologen, Botanikern und sogar einem Marinemaler startet Hensen die erste große Planktonexpedition in den Nordatlantik.

An über 120 Stellen nehmen die Forscher Proben und entdecken unzählige Organismen, vom mikroskopischen Phytoplankton bis hin zu Quallen. Dabei entdecken die Forscher hunderte von neuen Arten – so viele, dass die gesammelten Proben noch Jahrzehnte lang analysiert werden.

Hensens Ziel ist es, das Plankton systematisch zu erfassen, um dessen Bedeutung für das Leben im Meer zu verstehen. Eigens von ihm entwickelte, spezielle Netze werden dafür vertikal durchs Wasser gezogen – ein Verfahren, das uns auch heute noch in der Meeresforschung dient.

In diesem Zeitzeichen erzählt Murat Kayi:
  • was Hensens erste Studien mit einem einzelnen Fisch, dem Goldbutt, zu tun haben,
  • warum Plankton für die Nahrungskette im Ozean so wichtig ist und sogar das Weltklima beeinflusst,
  • was die Forschungsteilnehmer der Expedition alles mitnehmen müssen, darunter nicht nur Messgeräte, sondern auch einen Marinemaler,
  • warum es besonders in kalten Meeresgebieten viel mehr Plankton gibt als in wärmeren Gewässern,
  • und welche Rolle neue Technologien wie DNA-Analysen und Satellitendaten heute in der Planktonforschung spielen.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Dr. Meike Vogt, Senior Researcher und Klimawissenschaftlerin an der ETH Zürich.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Karl Brandt: Haeckel's Ansichten über die Plankton-expedition, Kiel 1891.
  • Otto Krümmel: Reisebeschreibung der Plankton-Expedition, Schwerin 2021.
  • Karl Brandt: Ueber die biologischen Untersuchungen der Plankton-Expedition. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 5, 1890, S. 112–114.
  • Victor Hensen: Einige Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 5, 1890, S. 318–320.

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Noch mehr Infos zu dieser und anderen Zeitzeichensendungen von Murat Kayı finden Sie hier.

Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Murat Kayi
Redaktion: Frank Zirpins

6.11.1989: Erich Mielke ordnet Vernichtung von Stasi-Akten an

6.11.1989: Erich Mielke ordnet Vernichtung von Stasi-Akten an WDR Zeitzeichen 06.11.2024 14:49 Min. Verfügbar bis 07.11.2099 WDR 5

Im Herbst 1989 steht die DDR-Führung vor dem Aus: Proteste richten sich auch gegen das Ministerium für Staatssicherheit. Stasi-Chef Mielke lässt darum Akten verschwinden.

Zuletzt verfügt das Ministerium für Staatssicherheit über einen Aktenbestand, der nebeneinandergestellt eine Länge von 111 Kilometern ergibt. Dazu kommen 41 Millionen Karteikarten, 2.876 Filme und Videos, 23.250 Tondokumente und 1,95 Millionen Fotografien. Die enorme Datenmenge stellt im Herbst 1989 für das DDR-Regime plötzlich eine Bedrohung dar: Was passiert, wenn die Demonstrierenden Zugriff erhalten halten? Stasi-Chef Erich Mielke verfügt deshalb die Zerstörung der Unterlagen. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Roland Jahn (letzter Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde) ***


Am 6. November 1989 passiert in der DDR etwas Unerhörtes. Der langjährige Chef des Ministeriums für Staatssicherheit, Erich Mielke, erlässt eine geheime Anweisung zur außerordentlichen Vernichtung von Materialien seines Ministeriums. Die Weisung geht per Rundschreiben an die Kreisdienststellen.

Die Demonstrationen, die sich gegen das Regime richten, finden inzwischen im ganzen Land statt. Die Kreisdienststellen erscheinen Mielke deshalb nicht mehr sicher genug. Brisante Unterlagen über inoffizielle Mitarbeiter oder Überwachungspraktiken sollen vernichtet oder in die Bezirksverwaltungen ausgelagert werden.

Mielke ahnt, dass seine Macht schwindet. Der "Feind" soll keine Spuren finden. Die Spuren des eigenen rechtsstaatswidrigen Handelns sollen beseitigt werden. Tags darauf tritt Mielke als Minister zurück.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Klug:
  • wie das DDR-Ministerium für Staatssicherheit im Volksmund genannt wird,
  • mit welcher Haltung Erich Mielke sein Ministerium 32 Jahre lang führt,
  • wie die Aktenvernichtung durch die Bevölkerung gestoppt wird,
  • für welche Tat Erich Mielke nach dem Mauerfall zu sechs Jahren Haft verurteilt wird,
  • wo die Akten lagern, die dieses Urteil ermöglichen.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Roland Jahn (letzter Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde)

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Thomas Klug
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother
Technik: Antonia Herzog

Pioniertat im OP: Werner Forßmanns Herzkatheter-Selbstversuch

Pioniertat im OP: Werner Forßmanns Herzkatheter-Selbstversuch WDR Zeitzeichen 05.11.2024 13:14 Min. Verfügbar bis 06.11.2099 WDR 5

Mit einem gewagten Eingriff legt Werner Forßmann den Grundstein für die moderne Herzmedizin. Der Patient: Er selbst. Am 5.11.1929 berichtet er erstmals davon. Und viel später wird er dafür mit dem Medizin-Nobelpreis belohnt.

Gefäßverletzungen, Blutungen, Herzinfarkt und Schlaganfall zählen bis heute zu den möglichen Komplikationen einer Herzkatheter-Untersuchung. Doch Werner Forßmann hat Glück: Als der Assistenzarzt 1929 einen solchen Eingriff am eigenen Körper durchführt, bleibt er unbeschadet. Gelassen meint er 30 Jahre später: "Das war gar nicht so schlimm. Ich hatte mir diese Möglichkeiten anatomisch sehr genau überlegt und ich war fest davon überzeugt, dass nichts passieren konnte." *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Professor Dietrich Pfeiffer (Kardiologe in Berlin); Werner Forßmann: Selbstversuch - Erinnerungen eines Chirurgen. Düsseldorf 1972 ***


Am 5. November 1929 erscheint im renommierten Ärzteblatt "Berliner Klinische Wochenschrift" ein Aufsatz von Werner Forßmann. Der Titel lautet "Über die Sondierung des rechten Herzens". Darin schildert der Assistenzarzt, wie er im zurückliegenden Sommer in einem Provinzkrankenhaus im brandenburgischen Eberswalde ein risikoreiches Experiment durchgeführt hat: eine Herzkatheter-Untersuchung am eigenen Körper.

Forßmann legt damit die Grundlage für die Einführung der Herzkatheter-Untersuchung in die klinische Praxis. Doch diese Leistung wird erst Jahre später erkannt. Zunächst wird der Mediziner für seinen Mut nur von der Boulevardpresse gefeiert. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es erst viel später eine entsprechende Resonanz.

In diesem Zeitzeichen erzählt Steffi Tenhaven:
  • wie der 25-jährige Werner Forßmann während der Mittagspause heimlich seinen Selbstversuch durchführt,
  • warum er auf die ursprünglich geplanten Patientenversuche verzichtet,
  • wie der Chirurg Ferdinand Sauerbruch angeblich über das Herzkatheter-Experiment spottet,
  • in welcher Beziehung Forßmann zur NSDAP steht,
  • mit welchen beiden US-Ärzten er den Nobelpreis erhält.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Professor Dietrich Pfeiffer (Kardiologe in Berlin)
  • Werner Forßmann: Selbstversuch - Erinnerungen eines Chirurgen. Düsseldorf 1972

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Steffi Tenhaven
Redaktion: Christoph Tiegel und Frank Zirpins

Walther Leisler Kiep: Die CDU-Spendenaffäre

Walther Leisler Kiep: Die CDU-Spendenaffäre WDR Zeitzeichen 04.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 05.11.2034 WDR 5

Er war beliebt, erfolgreich und verwickelt in die schwerste Krise der CDU: Am 4. November 1999 erlässt die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Walther Leisler Kiep wegen Steuerhinterziehung. Und das ist erst der Anfang.

Einen Tag nach dem Haftbefehl gegen ihn stellt sich Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep am 5. November den Behörden. Er erklärt, die 1991 vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber in seinem Beisein an den langjährigen CDU-Steuerberater Horst Weyrauch in einem Koffer bar in der Schweiz übergebene Million sei als Parteispende an die CDU gegangen. Ein paar Wochen später wird ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-CDU-Parteichef Helmut Kohl eröffnet. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Andreas Polk (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Beirat und Mitglied bei Transparency International Deutschland)***


Ende August 1991 auf einem Parkplatz in der Schweiz: CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep und CDU-Steuerberater Horst Weyrauch nehmen einen Koffer entgegen, der eine Million Mark enthält. Es soll sich um eine Parteispende des Waffenhändlers Karl Heinz Schreiber gehandelt haben, so erzählen es die beiden CDU-Männer später. Das Geld taucht dann später auf einem Treuhandkonto der CDU auf und wird verschwiegen.

Gut acht Jahre später wird das Leisler Kiep zum Verhängnis: Am 4. November 1999 erlässt das Amtsgericht Augsburg Haftbefehl gegen ihn. Der frühere CDU-Schatzmeister soll das Geld für die Vermittlung eines Panzergeschäfts der Thyssen AG mit Saudi-Arabien bekommen haben.

Am 5. November 1999 stellt sich Leisler Kiep der Justiz. Seine Aussage bringt
einiges ins Rollen. Es stellt sich schließlich heraus: Unter Parteichef Helmut Kohl existiert ein ganzes System von Auslandskonten und schwarzen Kassen, über das die CDU unter anderem Wahlkämpfe und Parteitage mitfinanziert hat.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
  • Welche Rolle der Verein "Staatsbürgerliche Vereinigung" damals bei der Parteienfinanzierung spielt,
  • wie ein Untersuchungsausschuss des Bundestages die CDU-Spendenaffäre beleuchtet,
  • wie sich Ex-CDU-Parteichef Helmut Kohl in der Affäre verhält,
  • welche Regeln das Parteiengesetz heute für Spenden vorsieht.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Andreas Polk (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Beirat und Mitglied bei Transparency International Deutschland)

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Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Frank Zirpins

Gegen Subkulturen: Großbritannien verbietet Open-Air-Raves

Gegen Subkulturen: Großbritannien verbietet Open-Air-Raves WDR Zeitzeichen 03.11.2024 13:09 Min. Verfügbar bis 04.11.2099 WDR 5

Während in Berlin Tausende bei der Love Parade tanzen, feiern Briten wild und unkontrolliert auf dem Land. Ab dem 3.11.1994 ist das gesetzlich verboten. Aber die Party geht weiter.

1988, im zweiten Summer of Love, schwappt Acid House ins Vereinigte Königreich. Angesichts immer größer werdender Open-Air-Events sieht die konservative Regierung sich sechs Jahre später zum Criminal Justice Act veranlasst. Damit werden nicht nur die Freiheiten der Raver stark eingeschränkt. Auch Jagd-Gegner oder Umweltaktivisten geraten ins Visier der Behörden. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Jeremy Gilbert, Professor für Cultural Studies, University of East London ***


Bekannt wird das Gesetz wegen einer Passage über Open-Air-Partys, auf denen Musik läuft, die so definiert wird: "Ihr verübt eine Straftat, wenn ihr verstärkte Musik spielt, die Klänge enthält, die vollständig oder zum Teil charakterisiert sind durch die Ausstrahlung einer Abfolge von sich wiederholenden Beats."

Trotz des Widerstandes konservativer Kreise fahren ganze Karawanen aus den Städten zu den großen Open Air-Events aufs Land. Die Konservative Partei (Tories) entdeckt das Thema für sich.

Der Criminal Justice Act soll die Versammlungsfreiheit einschränken und nicht nur die Raver treffen: Aussteiger, die ihr Leben im Wohnmobil verbrachten, sollen ihr Aufenthaltsrecht auf öffentlichen Flächen verlieren. Menschen, die den Neubau von Straßen blockieren oder eine Fuchsjagd stören, müssen mit empfindlichen Strafen rechnen.

Auf der Straße demonstriert eine bunte Mischung gegen den Criminal Justice Act: Hippies mit Dreadlocks, Raver mit bunten Haaren, Umweltaktivisten und Oppositionspolitiker. Nur erfolgreich ist das Bündnis nicht. Trotz drei großer Demonstrationen zwischen Mai und Oktober wird der Criminal Justice Act am 3.11.1994 im britischen Unterhaus verabschiedet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christian Werthschulte:
  • welche Rolle leerstehende Lagerhallen und Fabriken bei den Entwicklungen der neuen Musik-Kultur spielen,
  • wie die BBC dazu beiträgt, dass ein Festival in einem kleinen Dorf in der Grafschaft Gloucestershire aus dem Ruder läuft
  • dass das Gesetz die Free-Festival-Bewegung zerstörte und Musikfestivals kommerzialisiert wurden.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Jeremy Gilbert, Professor für Cultural Studies, University of East London
  • Simone Fenney, Mitglied der Techno-Crew Spiral Tribe

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Autor: Christian Werthschulte
Redaktion: Carolin Rückl und Matti Hesse

Pilotinnen-Club Ninety-Nines: Frauen erobern den Himmel

Pilotinnen-Club Ninety-Nines: Frauen erobern den Himmel WDR Zeitzeichen 02.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 03.11.2099 WDR 5

Am 2. November 1929 gründeten 99 Pionierinnen die internationale Pilotinnenvereinigung Ninety-Nines. Doch bis heute sind Frauen im Cockpit weltweit eine Ausnahme.

Das Logo der Pilotinnenvereinigung Ninety-Nines besteht aus zwei Neunen, die ineinander verschlungen sind. Das symbolisiert Zusammenhalt, denn Vielfalt ist in den Cockpits der Welt ein rares Wort. Genau deshalb gibt es die 99s. Auch heute vergeben ihre Mitglieder weltweit Stipendien, agieren als Mentorinnen, unterstützen den Nachwuchs bei der Ausbildung, bieten Trainings an und werben für den Beruf. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen: Andrea Amberge (Langstreckenpilotin, Hubschrauberpilotin, Mitgründerin der deutschen Sektion der 99s); Ute Hölscher (Pilotin einmotoriger Flugzeuge, Fluglehrerin, Vizepräsidentin der deutschen Sektion der 99s) ***


Privatpilotinnen, Berufsfliegerinnen, Raumfahrerinnen - in der Pilotinnenvereinigung Ninety-Nines sind rund 5.000 Frauen miteinander verbunden. Der Club ist ein weltumspannendes Netzwerk mit Hauptsitz in den USA und Teams in China, Finnland, Indien, Kanada, Nepal, Malawi, Marokko, Polen und Kanada. Auch eine deutsche Sektion gibt es.

Gegründet wird der Zusammenschluss in Long Island im Hangar einer Flugschule. 117 Fliegerinnen mit Lizenz sind eingeladen. 99 Pilotinnen erscheinen - daher der Name Ninety-Nines. Unter den Gründerinnen ist auch eine Deutsche. Thea Rasche, eine der berühmtesten Kunstfliegerinnen der Welt. Die 99erinnen vereinen die besten Fliegerinnen jener Zeit.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Friedrich:
  • was das Gründungstreffen der 99s mit dem Puderquastenrennen zu tun hat,
  • welche Strecke die 20 teilnehmenden Pilotinnen in neun Tagen absolvieren müssen,
  • wer zur ersten Präsidentin der 99s gewählt wird,
  • wie viele US-Pilotinnen im Zweiten Weltkrieg im Einsatz sind.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Andrea Amberge (Langstreckenpilotin, Hubschrauberpilotin, Mitgründerin der deutschen Sektion der 99s)
  • Ute Hölscher (Pilotin einmotoriger Flugzeuge, Fluglehrerin, Vizepräsidentin der deutschen Sektion der 99s)
  • Wolfgang Behringer, Constance Ott-Koptschalijski: Der Traum vom Fliegen. Zwischen Mythos und Technik. Frankfurt am Main 1991
  • Gertrud Pfister: Fliegen - ihr Leben. Die ersten Pilotinnen. Berlin 1989
  • Ernst Probst: Thea Rasche - The Flying Fräulein. München 2010

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Claudia Friedrich
Redaktion: Matti Hesse

Die Besetzung des Autonomen Zentrums "Rote Flora" in Hamburg

Die Besetzung des Autonomen Zentrums "Rote Flora" in Hamburg WDR Zeitzeichen 01.11.2024 14:35 Min. Verfügbar bis 02.11.2099 WDR 5

Wenn über das Hamburger Schanzenviertel berichtet wird, geht es oft um Protest, Krawall – und die Rote Flora. Am 1.11.1989 wird verkündet: "Die alte Flora ist besetzt".

Die Geschichte des Autonomen Zentrums Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel nimmt mit der Besetzung des ehemaligen Theaters am 1.11.1989 ihren Anfang. In der Flora wollen die Besetzer der Utopie einer Herrschafts- und klassenlosen Gesellschaft näher kommen, indem sie versuchen, sie zu leben. Von Anfang an gibt es Spannungen mit den Behörden. ***Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Schriftliche Stellungnahme der Roten Flora auf WDR-Anfrage, Prof. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Extremismusforscher ****


Das Gebäude im Hamburger Schanzenviertel stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es wird ursprünglich als Konzerthaus konzipiert und im Laufe der Zeit als Theater, Varieté, Kino, Lagerhalle und Kaufhaus genutzt. 1988 lässt ein Musical-Produzent das Gebäude bis auf den dekorativen Eingangsbereich abreißen – er will dort ein riesiges Musical-Theater errichten. Gespielt werden soll "Das Phantom der Oper".

Doch Anwohner, Gewerbetreibende und autonome Gruppen wehren sich gemeinsam gegen das Projekt, das ihrer Ansicht nach die Mieten vor Ort in die Höhe treiben würde. Nach zahlreichen Protestaktionen und Anschlägen auf die Baustelle, lassen die Investoren das Projekt fallen.

Diverse Initiativen und Protestgruppen fordern, dass aus den Resten des Flora-Theaters ein Stadtteilzentrum wird. Die Stadt Hamburg erlaubt ihnen die befristete Nutzung und im September 1989 wird die "Rote Flora" offiziell eröffnet. Ab dem 1. November 1989 heißt es dann schließlich: "Die alte Flora ist besetzt". In der Flora will man der Utopie einer Herrschafts- und klassenlosen Gesellschaft näher kommen, indem man versucht, sie zu leben.

Die Spannungen zwischen Staat und Autonomen nehmen schnell zu. Einer der Höhepunkte der problematischen Beziehung militanter Autonomer zur Gewalt war in Hamburg 2017 während des G20 Gipfels zu erleben, dem Treffen der führenden Wirtschaftsnationen. Es gibt schwere Krawalle, brennende Autos, Plünderungen sowie hunderte verletzte Polizisten und Demonstranten. Polizei und Demoveranstalter geben sich gegenseitig die Schuld, über die Rolle der Roten Flora gibt es unterschiedliche Ansichten.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • wie die Autonomen der Roten Flora ihre Grundsätze selbst beschreiben,
  • mit welchen Inhalten und Aktivitäten verschiedenste Gruppen die Räume der Roten Flora nutzen,
  • wie die Autonomen zum Einsatz von Gewalt stehen,
  • wie der Verfassungsschutz das gegenseitige Vertrauen der Autonomen untereinander untergräbt,
  • dass auch die Rote Flora das Hamburger Schanzenviertel nicht vor Gentrifizierung schützen kann.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Prof. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler, Extremismusforscher und ehemaliger Referatsleiter in der Abteilung Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz
  • schriftliche Stellungnahme der Roten Flora zu WDR-Anfrage
  • Prof. Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus in Deutschland: Eine kritische Bestandsaufnahme. Berlin, 2014
  • A.G. Grauwacke: Autonome in Bewegung: Aus den ersten 23 Jahren. Berlin, 2020

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Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Alexander Buske

"König des Wüstenblues": Ali Farka Touré (geboren am 31.10.1939)

"König des Wüstenblues": Ali Farka Touré (geboren am 31.10.1939) WDR Zeitzeichen 31.10.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 01.11.2099 WDR 5

Er brachte den Sound Malis in die Welt, wird als Nationalheld und einer der größten Gitarristen aller Zeiten gefeiert. In der Musik sah Touré seine Berufung jedoch nie.

Wie kaum ein anderer Musiker verbindet Ali Farka Touré traditionelle Musik aus seiner Heimat im Norden Malis mit amerikanischem Blues. Er selbst sagt gelegentlich, dass der Blues "eigentlich unsere Musik" sei – und somit aus Afrika stamme. In Europa und Nordamerika wird Ali Farka Touré als König des "Wüsten-Blues" gefeiert und mit Grammys ausgezeichnet. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Hauke Dorsch, Ethnologe und Leiter des Archivs für Musik Afrikas an der Universität Mainz ***


Er ist das zehnte Kind seiner Mutter, aber er ist das einzige, das überlebt: Am 31. Oktober 1939 wird Ali Farka Touré in Mali geboren. Er wächst mit den Liedern der malischen Griots auf, die von den Mythen am Niger erzählen. Seine erste Gitarre, eine Djurkel, baut Ali Farka Touré aus einem Kuhfell und Pferdehaaren und bringt sich selbst das Spielen bei. Zudem lernt er weitere traditionelle Instrumente.

Die afrikanische Musik inspiriert ihn ebenso wie Albert King, Otis Redding, James Brown oder John Lee Hooker. In seinen Liedern setzt Ali Farka Touré die afrikanische Spielart auf moderne Instrumente wie die E-Gitarre um. Mit dem Pariser Label "SonAfric" bringt er mehrere Platten raus. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg, über Mali hinaus findet seine Musik erst kaum Beachtung. Seinen weltweiten Durchbruch verdankt er einem Zufall.

Beim Stöbern in einem Pariser Plattenladen gefallen dem BBC-Moderator Andy Kershaw die Farben auf dem Cover eines Touré-Albums. Der Londoner nimmt die Platte mit und stellt Ali Farka Touré in seiner Sendung auf Radio One vor – die Hörer sind begeistert. Der Blues des Maliers passt perfekt zur aufkommenden "World Music"-Welle Ende der 1980er Jahre - der Gitarrist und Sänger wird zum führenden Musiker der Szene. Für sein Album "Talking Timbuktu" erhält Ali Farka Touré seinen ersten Grammy.

Ein gutes Jahrzehnt lang nimmt Ali Farka Touré erfolgreich Platten auf, gibt weltweit Konzerte und lässt sich als König des Wüsten-Blues feiern. Dann sehnt er sich nach Afrika zurück. Er verschenkt seine Djurkel, die er bis dahin immer bei sich hatte, und zieht sich in sein Heimatdorf zurück. Dort stirbt der Musiker im März 2006 mit 66 Jahren.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Mau:
  • über den frühen Tod des Vaters,
  • wie er als Teenager von "bösen Geistern" befallen wurde,
  • warum Ali Farka Touré ein Studio in Hollywood kaum ertragen konnte,
  • wie der Musiker sein malisches Dorf "grün" wie die Schweiz machen will.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner und die wichtigsten Quellen:
  • Dr. Hauke Dorsch, Ethnologe und Leiter des Archivs für die Musik Afrikas an der Universität Mainz
  • "A visit to Ali Farka Touré"; Regie Marc Huraux; Frankreich ARTE 2000
  • BBC 3 World Routes „Ali Farka Touré Obituary“; Lucy Duran, Andy Kershaw 2006

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Autor: Thomas Mau
Redaktion: Carolin Rückl, Matti Hesse

Frauenärztin und frühe Sexualreformerin: Anne-Marie Durand-Wever

Frauenärztin und frühe Sexualreformerin: Anne-Marie Durand-Wever WDR Zeitzeichen 30.10.2024 14:51 Min. Verfügbar bis 31.10.2099 WDR 5

In der Weimarer Republik kämpft sie gegen das Abtreibungsverbot und gründet später Pro Familia mit: die Ärztin Anne-Marie Durand-Wever, geboren am 30.10.1889 in Paris.

Anne-Marie Durand-Wever engagiert sich als Ärztin schon in der Weimarer Zeit in der Sexualreformbewegung und fordert die Streichung des § 218. Sie führt mit anderen Akteurinnen in der Frauenbewegung Debatten und wird mit zur Wegbereiterin der Sexualaufklärung und Empfängnisverhütung. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Jessica Bock, Historikerin, Digitales Deutsches Frauenarchiv ***


Anne-Marie Durand-Wever sagt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts: Eine Frau sollte immer die Wahl haben, ob sie ihre Schwangerschaft tatsächlich austrägt. Sie gehört zu der ersten Riege von Gynäkologinnen in Deutschland. In einer Zeit, wo nur sehr wenige Frauen zum Studium zugelassen werden.

Anne-Marie Durand-Wever kämpft als Ärztin auch in der Zeit der Weimarer Republik in der Sexualreformbewegung und fordert die Streichung des § 218. Sie führt mit anderen Akteurinnen in der Frauenbewegung Debatten und wird mit zur Wegbereiterin der Sexualaufklärung und Empfängnisverhütung.

1933 schließen die Nationalsozialisten die politisch engagierte Ärztin wegen ihrer konträren Ansichten über Geburtenkontrolle, Verhütung und Sexualerziehung aus der Reichsschrifttumskammer aus. Ihre Schriften landen auf dem Index.

Im Juni 1945 eröffnet Durand-Wever eine neue Praxis in Berlin und engagiert sich auch wieder ehrenamtlich. 1952 wird sie Mitbegründerin von Pro Familia in Kassel und für zehn Jahre auch Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung.

In diesem Zeitzeichen erzählt Melahat Simsek:
  • welchen positiven Einfluss ihre Geburt als Diplomatenkind auf Anne-Marie Durand-Wevers Leben hat,
  • wie Durand-Wever mehrere Jahre als Assistenzärztin in der Gynäkologie verschiedener Münchner Kliniken tagtäglich hautnah die Auswirkungen des § 218 erlebt,
  • warum Durand-Wever nur ein Jahr nach ihrer Wahl das Amt der Bundesvorsitzenden des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands wieder niederlegt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
  • Dr. Jessica Bock, Historikerin, Digitales Deutsches Frauenarchiv
  • Regine Wlassitschau, Pro Familia, Frankfurt
  • Anne-Marie Durand-Wever: Als die Russen kamen. Tagebuch einer Berliner Ärztin, unveröffentlichtes Manuskript
  • Atina Grossmann: Juden, Deutsche, Alliierte - Begegnungen im besetzten Deutschland. Göttingen 2012
  • Jutta Buchin: Ärztinnen im Kaiserreich. Charité Berlin 2005

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Autorin: Melahat Simsek
Redaktion: Christoph Tiegel, Frank Zirpins
Technik: Thomas Bleul

Albert von Rothschild: der reichste Mann Europas

Albert von Rothschild: der reichste Mann Europas WDR Zeitzeichen 29.10.2024 14:21 Min. Verfügbar bis 30.10.2099 WDR 5

Albert von Rothschild (geb. am 29.10.1844) wird Oberhaupt der Wiener Linie der jüdischen Bankiersfamilie. Sein Reichtum macht ihn zur antisemitischen Projektionsfläche.

Zu Lebzeiten ist er der reichste Mann Europas. Und gehörte als jüdischer Bankier trotzdem nie ganz zur vornehmen Gesellschaft dazu, wurde vom Adel geschnitten und in der Politik zur antisemitischen Projektionsfläche. *** Das ist unserer wichtigster Interviewpartner: Roman Sandgruber (Historiker, Linz) ***


Die Wurzeln des Hauses Rothschild reichen zurück bis zu Mayer Amschel Rothschild, geboren 1744 in Frankfurt am Main. Eigentlich will er Rabbiner werden, doch der Vater zwingt ihn ins Geschäft, einen kleinen Laden mit angeschlossener Wechselstube. Viel anderes als Handel und Geldwechsel bleibt Juden zu der Zeit nicht übrig. Denn in die Handwerker-Zünfte dürfen sie nicht, Grund und Boden kaufen auch nicht.

Mayer Amschel Rothschild erkennt früh: Die Zukunft des Bankgeschäftes liegt nicht allein in Frankfurt, sondern in Europa. Seine fünf Söhne werden in verschiedenen Ländern tätig. So gründet sein Sohn Salomon 1821 in Wien die Privatbank S. M. v. Rothschild und wird damit zum Begründer des österreichischen Zweigs der Familie. Da Salomons jüngster Sohn am besten mit Geld umgehen kann, wird dieser nach ihm die Geschäfte fortführen: Albert Salomon Freiherr von Rothschild, geboren am 29. Oktober 1844 in Wien.

Albert hat nicht nur ein Händchen für Geld, sondern auch einen seltsamen Kosenamen: aus "Salomon Albert" wird "Salbert". Er ist es, der die Rothschild-Bank zu wahrer Größe bringt. Im Laufe seines Lebens kauft und baut er insgesamt acht Schlössser in Österreich. Sein Reichtum ist unermesslich, doch persönlich ist er bescheiden - und unglücklich. Er stirbt mit 66 Jahren in Wien als gebrochener Mann.

In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:
  • wie auf beruflichen Erfolg privates Unglück folgt,
  • mit wem Salbert eine fast verhängnisvolle Affäre eingeht,
  • dass auch Kaiserin Sisi ihr Geld von den Rothschilds anlegen lässt,
  • warum sein Riesen-Palast in Wien eher eine Riesen-Gruft ist,
  • warum mit Salberts Tod der Niedergang des Hauses beginnt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Roman Sandgruber (Historiker, Linz)
  • Sandgruber, Roman: Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses. 2018

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Autor: Heiner Wember
Redaktion: David Rother
Technik: Moritz Raestrup

Erasmus von Rotterdam: Der Fürst der Humanisten

Erasmus von Rotterdam: Der Fürst der Humanisten WDR Zeitzeichen 28.10.2024 14:36 Min. Verfügbar bis 29.10.2099 WDR 5

Erasmus von Rotterdam war einer der größten Gelehrten seiner Zeit. Mit seinem "Lob der Torheit" eckte der Humanist bei vielen Zeitgenossen an, besonders bei Martin Luther.

"Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand." Das sagt Erasmus von Rotterdam, der bedeutendste Humanist des 16. Jahrhunderts. Er spricht aus Erfahrung, denn er hat selbst rund 150 Bücher geschrieben. Die "Erasmus-Bibel" dient später Martin Luther als Grundlage für seine deutsche Bibel-Übersetzung. *** Das ist unsere wichtigste Quelle: Anton J. Gail: Erasmus von Rotterdam (1974) ***


Es sind die letzten Jahre vor der Reformation. Noch spricht in ganz Europa niemand von Martin Luther. Alle sprechen von Erasmus von Rotterdam. In England, in Frankreich, in Italien, vor allem auch in Spanien ist er das Idol der studierenden Jugend. Keiner weiß wie er, das neue Medium Buchdruck zu nutzen.

Damit Europa zurückfinde "ad fontes", zu seinen besten Quellen, erarbeitet er die großen Werke der Antike, die christlichen und die heidnischen, fast alle neu und lässt sie drucken. So auch das Neue Testament in jener griechischen Urfassung, auf die sich Luther stützen wird. Trotzdem bleibt Erasmus gegenüber Luther, mit dem er eine Korrespondenz unterhält - und der ihn als glitschigen Aal, stinkende Wanze und Hornisse beschimpft -, auf Distanz: Dessen aggressives Vorgehen in Fragen der Religion ist ihm zuwider.

Erasmus wird als unehelicher Sohn eines Priesters in Rotterdam geboren. Seine Eltern sterben an der Pest. Danach wird der 16-Jährige unter die Vormundschaft gebildeter Geistlicher gestellt. Später wird er Priester, verbringt eine Zeit im Kloster und studiert anschließend Theologie.

In seinen Schriften gibt Erasmus von Rotterdam seinen Zeitgenossen Ratschläge für richtiges Benehmen. 1509 schreibt er angeblich in nur einer Woche seine Satire "Lob der Torheit", die anschließend das ganze gebildete Europa begeistert. Hierin stellt Erasmus die ironische These auf, dass nur die Dummheit die Menschen glücklich machen kann - um dabei die Vernunft zu preisen. 

Erasmus, der auch "Fürst der Humanisten" genannt wird, gilt als der gescheiteste Mensch seiner Zeit. Im Juli 1536 stirbt Erasmus von Rotterdam in Basel. Er hinterlässt rund 150 Bücher.

In diesem Zeitzeichen erzählt Hans Conrad Zander:
  • Wie sich Erasmus von Rotterdam Herrscher und Päpste geschickt zum Freund macht,
  • warum Erasmus sogar christliche Fürsten verspotten kann,
  • von seiner Meinung zu Krieg - und wieso diese aktueller denn je ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Anton J. Gail: Erasmus von Rotterdam (1974)
  • Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit - deutsche Übersetzung lateinischer Lektüre. Reclam
  • Erasmus von Rotterdam: Die Klage des Friedens. Hrsg. und übers. von Brigitte Hannemann. Nachwort von Stefan Zweig. 2017

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Autor: Hans Conrad Zander
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Annett Bastian

Wildschwein ehrenhalber: Der Naturforscher Heinz Meynhardt

Wildschwein ehrenhalber: Der Naturforscher Heinz Meynhardt WDR Zeitzeichen 27.10.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 28.10.2099 WDR 5

Sein Vorbild ist die Forscherin Jane Goodall. Jahrelang begleitet Heinz Meynhardt aus nächster Nähe eine Wildschweinrotte und gewinnt sensationelle Einblicke in deren Leben. Er stirbt am 27.10.1989.

Vom Elektromeister zum Doktor der Agrarwissenschaften: Heinz Meynhardt erwirbt im Zusammenleben mit Wildschweinen so umfangreiche Kenntnisse, dass er ohne Abitur und Studium an der Universität Leipzig seine Dissertation einreichen kann. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Hubertus Ostermann (Freund Meynhardts); Heinz Meynhardt: Schwarzwildreport. ARD Archiv; Heinz Meynhardt: Mein Leben unter Wildschweinen. ARD Archiv; Heinz Meynhardt: Wildschweingeschichten. ARD Archiv ***


Bevor Heinz Meynhardt der Chef einer Wildschweinrotte wird, führt er ein bürgerliches Leben im Städtchen Burg in der Nähe von Magdeburg. Zu DDR-Zeiten ist er gelernter Elektromeister und Antennenbauer.

Die Familie Meseberg in Burg fährt jeden Tag um die gleiche Zeit zu einem Militär-Stützpunkt, um Essenreste für ihre Hausschweine abzuholen. Auf dem Weg begegnet ihnen eine Wildschweinrotte. Die wilde Verwandtschaft bekommt auch etwas vom Futter.

Heinz Meynhardt ist fasziniert und will noch mehr über die schlauen Tiere erfahren. Mutig und mit Mais bewaffnet macht er sich zweimal täglich auf den Weg in den Wald, um sich bei den Schwarzkitteln beliebt zu machen.

Die Rotte akzeptiert ihn. Er ist der erste Forscher in Europa, den die Bachen beim Wurf ihrer Frischlinge dulden. Er sitzt am Wurfkessel und prägt die Frischlinge damit auch auf sich. Der Nachwuchs hört jetzt neben den Prägelauten der Mutter auch seine Stimme.

Meynhardt erwirbt im Zusammenleben mit den Borstenviechern so umfangreiche Kenntnisse, dass er ohne Abitur und Studium an der Universität Leipzig seine Doktorarbeit einreicht. Die Arbeit wird auf Herz und Nieren geprüft. Meynhardt bietet allem Paroli und bekommt den Doktor-Titel. Der Elektromeister Heinz Meynhardt ist Doktor der Agrarwissenschaften.

Kurz vor der Wende bricht Meynhardt bei einer Veranstaltung in Frankreich am 27. Oktober 1989 mit nur 54 Jahren am Rednerpult tot zusammen - Hirntumor. Der Freundeskreis "Heinz Meynhardt" setzt ihm in Burg ein Denkmal.

Eine lebensgroße Skulptur neben Wildschweinfiguren und einem Findling mit Gedenkplatte, auf der steht: "Wildschwein ehrenhalber".

In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
  • von den vier goldenen Regeln für Begegnungen mit Wildschweinen,
  • wie Heinz Meynhardt zum Oberhaupt der Wildschweinrotte wird,
  • welche Rolle Jane Goodall bei Meynhardts Forschungen spielt,
  • vom einzigen Grund, warum Wildschweine nicht schreiben können,
  • vom schwierigen Verhältnis Meynhardts zu den Keilern.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Hubertus Ostermann, Freund Meynhardts
  • Heinz Meynhardt: Schwarzwildreport. ARD Archiv.
  • Heinz Meynhardt: Mein Leben unter Wildschweinen. ARD Archiv.
  • Heinz Meynhardt: Wildschweingeschichten. ARD Archiv.
  • Heinz Meynhardt: CD - Die Sprache des Schwarzwildes

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Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Frank Zirpins

Karl der Große Britanniens: König Alfred von Wessex

Karl der Große Britanniens: König Alfred von Wessex WDR Zeitzeichen 26.10.2024 15:52 Min. Verfügbar bis 27.10.2099 WDR 5

Als er am 26.10.899 stirbt, hat er die Wikinger bezwungen und Britannien geeint. Kein anderer Brite wird "der Große" genannt. Dabei sollte Alfred gar nicht König werden.

Der heutige König Charles III. ist tatsächlich ein entfernter Nachfahre: Alfred der Große hat im neunten Jahrhundert die Wikinger besiegt - und damit die Grundlage für das Vereinigte Königreich gelegt. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Stephan Bruhn (German Historical Institute, London) und Dominik Waßenhoven (Universität Köln) ***


Sein genaues Geburtsdatum ist nicht überliefert. Irgendwann im Jahr 848 oder auch 849 kommt Alfred zur Welt, als Sohn des Westsachsenkönigs Æthelwulf und dessen erster Frau Osburga. Doch Alfreds Geschichte beginnt eigentlich schon Jahrzehnte vorher: Mit dem Überfall einer kleinen, fremdartigen Flotte furchterregender Kerle auf England - dem Sturm der Wikinger auf das Kloster Lindisfarne.

55 Jahre nach dem Überfall wird Alfred geboren. Als er mit 20 Jahren König der West-Sachsen wird, ist Britannien in einer gefährlichen Krise. Die Wikinger sind inzwischen so mächtig, dass unter ihren Schwertern drei der vier Reiche Britanniens am Boden liegen. Aber sie kommen mittlerweile nicht mehr zum Plündern aus Skandinavien, sondern sind in England, Irland und Frankreich aktiv. Das macht sie angreifbar.

Die Schlacht von Edington führt 878 schließlich zur Wende. Alfred kann die Wikinger überraschend schlagen. Es ist der Anfang vom Ende des ersten Wikingerzeitalters. Und der hauchdünne, zarte Beginn einer Entwicklung, aus der später ein geeinigtes Großbritannien hervorgehen wird. Alfred stirbt vorher, am 26. Oktober 899, mit 50 oder 51 Jahren.

In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Meyer:
  • was Alfred der Große und Karl der Große gemeinsam haben,
  • warum die Wikinger als brutale Gestalten in die Geschichtsbücher eingegangen sind,
  • dass Alfred eigentlich ein anderer Weg vorbestimmt war,
  • was die Gruppe Abba mit Charles III. zu tun hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Stephan Bruhn (German Historical Institute, London)
  • Dominik Waßenhoven (Universität Köln)
  • Simon Keynes, Michael Lapidge: Asser’s Life of King Alfred and other contemporary sources. London 1983.
  • Dorothy Whitelock (Hrsg.): English Historical Documents. Band 1. London 1955.

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Autor: Wolfgang Meyer
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins

John Peel: Der Radio-DJ, der unbekannte Bands zu Stars machte

John Peel: Der Radio-DJ, der unbekannte Bands zu Stars machte WDR Zeitzeichen 25.10.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 26.10.2034 WDR 5

Jimi Hendrix, David Bowie und The White Stripes: Sie alle hat der legendäre britische Radio-DJ John Peel (Todestag 25.10.2004) entdeckt oder bekannt gemacht.

In den BBC-Musiksendungen von John Peel ist alles möglich: Auf Reggae folgt Weltmusik, Folk, Punk, Rock oder ein experimentelles Stück aus dem 19. Jahrhundert. Rund vier Jahrzehnte spielt Peel auf Radio One was ihm gefällt, Playlisten und Marketingkampagnen interessieren ihn nicht. So fördert John Peel Popgrößen wie David Bowie und Indie-Stars wie Pulp und The Smiths. Für sein Engagement wird er sogar von der Queen geehrt. *** Für dieses Zeitzeichen haben wir unter anderem gesprochen mit: Louise Kattenhorn, BBC-Redakteurin ***


Geboren wird der spätere BBC-Starmoderator als Robert Parker Ravenscroft 1939 in der Nähe von Liverpool. Mit 21 Jahren schickt ihn sein Vater, ein Baumwollhändler, zur Ausbildung in die USA. Doch John wird schnell klar, dass ihm Musik wichtiger ist als Baumwolle. Das bringt ihn zum Radio, wo er nachts Musiksendungen moderiert.

1965 kehrt er nach Großbritannien zurück und arbeitet beim illegalen Piratensender Wonderful Radio London. Um unentdeckt zu bleiben, ändert er seinen Nachnamen in Peel. Dann holt ihn die BBC für den neu gegründeten Jugendsender Radio One – und seine Karriere nimmt Fahrt auf.

John Peel begeistert mit seiner ungewöhnlichen Auswahl abseits des Mainstreams bald eine große Fangemeinde. Auch Plattenlabels und Talentscouts vertrauen auf sein Gespür. Nur seine Vorgesetzten bringt der Radio-DJ häufiger ins Schwitzen, weil er sich nicht an Vorgaben hält: Als die BBC einen Song der Punkband "The Sex Pistols" auf den Index setzt, weil er sich gegen die Monarchie richtet, spielt Peel ihn trotzdem.

Auf der Suche nach neuen Bands durchstreift John Peel wöchentlich große und kleine Londoner Plattenläden – und hört sich unzählige Demo-Bänder an. Legendär sind seine "Peel Sessions": Konzerte junger Bands, die live im Radio ausgestrahlt werden. Am 14. Oktober 2004 verabschiedet sich der Moderator in den Urlaub. Es ist seine letzte Sendung: John Peel stirbt am 25. Oktober 2004 in Peru an einem Herzinfarkt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Amy Zayed:
  • warum sich John Peel manchmal wünscht, dass gute Bands unbekannt bleiben,
  • dass Königin Elizabeth II. John Peel einen Orden für seine Verdienste für die Popmusik verleiht,
  • warum ein Moderator heute nicht mehr eine solche Verbindung zu Hörern aufbauen kann wie seinerzeit John Peel,
  • wie nach seinem Tod Vorwürfe über Affären mit minderjährigen Teenagern seinem Image schaden.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • John Peel, O-Töne (Archiv),
  • Louise Kattenhorn, BBC-Redakteurin
  • Peter Flore, Redaktionsleiter WDR Rockpalast

Weiterführende Links:

Unser Hör-Tipp: "USA - Der Riss"
Am 5. November 2024 wird bei den US-Präsidentschaftswahlen nicht nur über den nächsten Präsidenten, sondern auch über die demokratische Entwicklung des Landes entschieden. Vieles deutet darauf hin, dass diese je nach Gewinner sehr unterschiedlich verlaufen könnte. Dabei spielt der tiefe Riss, der die US-Gesellschaft durchzieht, eine wichtige Rolle. Die Podcastserie "USA - Der Riss" hört Ihr überall, wo es Podcasts gibt und als Download in der ZDF-Mediathek.

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Autorin: Amy Zayed
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Werner Seelenbinder: Ein Ringer gegen das NS-Regime

Werner Seelenbinder: Ein Ringer gegen das NS-Regime WDR Zeitzeichen 24.10.2024 14:43 Min. Verfügbar bis 25.10.2099 WDR 5

24.10.1944: der Ringer und Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder wird hingerichtet. Wer steckt hinter der Legende, die im Osten verklärt, im Westen fast vergessen wurde?

Nach seinem Tod wird Werner Seelenbinder zur Legende - aber nur im Osten, wo seine Biografie verklärt wird. Im Westen gerät er in Vergessenheit. Zu Lebzeiten ist er erfolgreicher Ringer und Verbindungsmann für die kommunistische Sache in Europa. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Jutta Braun (Historikerin) ***


Werner Seelenbinder wird 1904 in Stettin geboren, zieht dann mit der Familie nach Berlin. Dort betreibt die Mutter einen Krämerladen, während der Vater bald in den Ersten Weltkrieg zieht. Seelenbinder ist früh auf sich selbst gestellt.

Das Nachkriegsleben lässt Seelenbinder keine Zeit, einen Beruf zu erlernen. Mit harter körperlicher Arbeit hält er sich und seine Familie über Wasser. Dabei entdeckt er sein Talent fürs Ringen. Aus dem Arbeiterkind Werner Seelenbinder wird ein Arbeitersportler. Besuche in der Sowjetunion festigen seine politischen Überzeugungen und Seelenbinder tritt in die Kommunistische Partei Deutschlands ein. 1933 erringt er seinen ersten deutschen Meistertitel, verweigert bei der Siegerehrung aber den Hitlergruß.

Seelenbinder ist erfolgreicher Ringer und gleichzeitig Verbindungsmann für die kommunistische Sache in Europa. Er nutzt seine Reisen zu Wettkämpfen ins europäische Ausland, um wichtige Papiere zu schmuggeln und zu überbringen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs intensiviert er seine Untergrundarbeit - und wird 1942 verhaftet. 33 Monate lang versucht die Gestapo, Informationen über die Arbeit des kommunistischen Untergrunds aus ihm herauszuprügeln. In Potsdam wird er schließlich im Eilverfahren zum Tod durch das Fallbeil verurteilt und am 24. Oktober 1944 hingerichtet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Burkhard Hupe:
  • warum Seelenbinder in der DDR zur Legende wird,
  • was er mit der Widerstandsgruppe um Robert Uhrig zu tun hat,
  • dass es bis heute in der russischen Ringer-Sprache den Wurf "Seelenbinder" gibt,
  • warum Seelenbinder nie geheiratet hat,
  • und warum er nicht als Märtyrer sterben wollte.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin und die wichtigsten Quellen:
  • Jutta Braun, Historikerin am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam,
  • Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Neukölln. Berlin 1990.
  • Friedel Schirm: 33 Monate. Erinnerungen an Werner Seelenbinder. Berlin 1984.
  • Walter Radetz: Der Stärkere. Ein Buch über Werner Seelenbinder. Berlin 1962.
  • Film "Einer von uns" (Regie: Helmut Spieß). DEFA-Studio für Spielfilme 1959/60.

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Burkhard Hupe
Redaktion: Matti Hesse

Göbekli Tepe: ein Social Hub der Jungsteinzeit

Göbekli Tepe: ein Social Hub der Jungsteinzeit WDR Zeitzeichen 23.10.2024 13:29 Min. Verfügbar bis 24.10.2099 WDR 5

Ein deutscher Archäologe macht am 23.10.1994 im Südosten der Türkei eine bedeutende Wiederentdeckung: ein Monumentalbau, viel älter als Stonehenge oder die Pyramiden.

Ein einsamer Maulbeerbaum, mitten auf einem Hügel. Göbekli Tepe ist ein perfektes Fotomotiv. Doch der Heidelberger Archäologe Klaus Schmidt sieht mehr in dem Hügel - und lässt graben. Dabei wird klar: Er birgt eine Sensation. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Jens Notroff (Archäologe und Prähistoriker) und Klaus Schmidt (Entdecker von Göbekli Tepe) ***


Göbekli Tepe - diesen Namen geben irgendwann in jüngerer Zeit die einheimischen Bauern dem Hügel. "Bauchiger Berg" bedeutet das, oder "Berg mit Nabel" - und er sieht aus der Ferne tatsächlich aus wie ein Bauchnabel.

Wie auf einer Kitschpostkarte steht mitten auf dem Hügel ein einsamer Maulbeerbaum, an dem hunderte kleiner bunter Stoffstreifen im Wind wehen: Geheime Wunschbändchen der einheimischen Frauen.

Anfangs ragen Steinbrocken aus dem Feld heraus, an denen sich die Bauern abmühen. Dabei sind sie nicht zimperlich. Die Brocken sind beim Pflügen im Weg und sollen aus dem Weg geschafft werden.

Der Heidelberger Archäologe Klaus Schmidt sieht mehr in dem Hügel - und lässt graben. Wenige Wochen nach Beginn der Ausgrabungen ist klar: Der Hügel von Göbekli Tepe birgt eine Sensation. Die Monumentalität dieses Platzes erwartet man nicht für die Zeit des zehnten Jahrtausends vor Christus, als die Menschen noch auf der Stufe von Jäger und Sammler-Kulturen sind und gerade erst beginnen, die sesshafte und nahrungsproduzierende Lebensweise zu erlernen.

Jüngst wurden Überreste von Wohngebäuden gefunden, mit zahlreichen Steingefäßen, Feuerstein-Werkzeugen, verkohlten Wildsamen und Gräbern unter den Fußböden der Wohnhäuser. Göbekli Tepe ist demnach kein reiner Kultplatz, sondern auch ein Siedlungsplatz. Und zwar von der ersten Phase an.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
  • wer vor etwa 12.000 Jahren in Mesopotamien die ersten Monumentalbauten der Menschheit errichtet,
  • warum die Bauern mit ihren Versuchen scheitern, die aus den Äckern ragenden Steinbrocken zu entfernen,
  • welches Grundnahrungsmittel seine Ur-Heimat in der Region um Göbekli Tepe hat,
  • was die Darstellungen von zähnefletschenden Raubtiereßn und kopflosen Männer bedeuten könnten.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • O-Ton Jens Notroff, Archäologe und Prähistoriker, Deutsches Archäologisches Institut.
  • O-Ton Klaus Schmidt †, Entdecker von Göbekli Tepe, Deutsches Archäologisches Institut (WDR Archiv)

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Autorin: Marfa Heimbach
Redaktion: Christoph Tiegel/Matti Hesse
Technik: Sarah Fitzek

Jean-Paul Sartre lehnt den Nobelpreis ab (am 22.10.1964)

Jean-Paul Sartre lehnt den Nobelpreis ab (am 22.10.1964) WDR Zeitzeichen 22.10.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 23.10.2099 WDR 5

Der Kommunist Sartre will sich nicht von einer bürgerlichen Institution auszeichnen lassen, lehnt Preis und Geld ab. Jahre später kommt wieder Bewegung in den Skandal.

"Der diesjährige Nobelpreis für Literatur ist dem französischen Schriftsteller Jean-Paul Sartre zuerkannt worden", teilt die Königlich-Schwedische Akademie am 22. Oktober 1964 in Stockholm mit. Doch statt Freude und Lobreden folgt ein Eklat: Sartre lehnt die Auszeichnung ab. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Hans-Martin Schönherr-Mann, Professor für politische Philosophie an der Universität München


Es ist ein Skandal, als Jean-Paul Sartre am 22. Oktober 1964 den Nobelpreis für Literatur ablehnt. Er selbst sagt dazu, er sehe nicht ein, dass ihn fünfzig ältere Herren, die schlechte Bücher schreiben, krönen sollten.

Sartre schreibt dem Sekretär der Schwedischen Akademie, dass er nicht auf der Liste möglicher Nobelpreiskandidaten erscheinen möchte. Dies sei "keine Stehgreifentscheidung" schreibt Sartre acht Tage vor der Bekanntgabe. Der Sekretär aber weilt im Urlaub. Die Entscheidung der Jury ist bereits gefallen.

Am 22. Oktober 1964 ist es so weit: Die Nachricht vom neuen Literaturnobelpreisträger Jean-Paul Sartre geht um die Welt. Wenig später folgt ein weiteres Kommuniqué aus Stockholm mit der Bekanntgabe von Sartres Ablehnung.

Sartre ist sich bewusst, dass 250.000 Kronen Preisgeld, damals umgerechnet 220.000 DM, viel Geld sind. Man hätte es, wie er eingesteht, für die Unterstützung von Bewegungen und Organisationen nutzen können. Er denkt da unter anderem an das Londoner Apartheid-Komitee.

Elf Jahre später hat Jean-Paul Sartres spektakuläre Ablehnung des Literaturnobelpreises ein Nachspiel. Presseagenturen berichten, dass eine briefliche Anfrage bei der Nobelstiftung eingegangen sei, ob er das Preisgeld doch noch erhalten könne.

Sartre dementiert das nachdrücklich und hat den Brief wohl auch nicht selbst geschrieben. Das Geld ist den Statuten der Akademie entsprechend auch längst zurück in die Stiftung geflossen.

Wenig später unterläuft Sartre seine Devise, Ehrungen durch Institutionen prinzipiell auszuschlagen. 1976 nimmt er die Ehrendoktorwürde der hebräischen Universität Jerusalem für sein Engagement gegen den Antisemitismus an.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Vormweg:
  • Wie die Jury-Mitglieder der Schwedischen Akademie den Existenzialismus sehen,
  • wie sehr der Kalte Krieg in die Entscheidungen Sartres und des Nobelpreis-Komitees hineinspielt,
  • warum Sartre, seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir und Sartres Verleger, Robert und Claude Gallimard, gemeinsam in einem Auto die Flucht antreten,
  • warum Jean-Paul-Sartre einen Ruf als "großer Nein-Sager" hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Hans-Martin Schönherr-Mann, Professor für politische Philosophie an der Universität München
  • Hans-Martin Schönherr-Mann: Sartre. Philosophie als Lebensform. München 2005
  • Annie Cohen-Solal: Sartre 1905-1980. Aus dem Französischen von Eva Groepler. Reinbek 1988
  • Deidre Bair: Simone de Beauvoir. Eine Biographie. Aus dem Amerikanischen von Sabine Lohmann, Uda Strätling und Sonja Hauser. München 1990
  • Jean-Paul Sartre: Die Wörter. Aus dem Französischen von Hans Mayer. Frankfurt am Main 1980
  • Teresa Nentwig: Ein Preis wird vergeben, und ich lehne ihn ab. Jean-Paul Sartre, der Philosoph der Freiheit, nimmt sich die Freiheit, den Literaturnobelpreis abzulehnen. Transcript Verlag

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Christoph Vormweg
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Christine Reinartz