WDR Zeitzeichen

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Verträumter Nonsens statt Moralerziehung: Alice im Wunderland

Verträumter Nonsens statt Moralerziehung: Alice im Wunderland WDR Zeitzeichen 26.11.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 27.11.2099 WDR 5

Bei einem Bootsausflug mit der kleinen Alice Liddell erfindet Lewis Carroll die Geschichte, die später Dalí und die Beatles inspiriert. Am 26.11.1864 übergibt er ihr sein Manuskript.

Eine spontane Erzählung für ein Mädchen während einer Bootsfahrt auf der Themse - aufgeschrieben als "Alice im Wunderland" wird sie die Literaturgeschichte prägen. Alice' fantastische Reise markiert den Beginn der modernen Jugendliteratur und zieht bis heute Generationen von Leserinnen und Lesern in ihren Bann. ***Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans, Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum ***


"Alice’s Adventures Under Ground" - so lautet der ursprüngliche Titel, den Charles Dodgson, besser bekannt als Lewis Carroll, 1864 seiner ersten Version der berühmten Erzählung gibt. Was als spontane Geschichte während eines Bootsausflugs auf der Themse beginnt, wird auf Drängen der zehnjährigen Alice Liddell, Dodgsons junger Zuhörerin, zu einem Manuskript - ausgestattet mit Zeichnungen des Autors selbst.

Die Geschichte der jungen Alice ist weit mehr als ein Kinderabenteuer: Sie sprengt die Regeln viktorianischer Konventionen und belehrender Kinderliteratur. Statt Gehorsam und Moral zeigt Alice Mut, Witz und die Fähigkeit, im Chaos ihren eigenen Weg zu finden. Figuren wie die Grinsekatze, der Hutmacher oder die herzlose Herzkönigin, die absurde Logik und sprachliche Spielereien machen die Geschichte bis heute zu einem literarischen Phänomen.

Im November 1864 überreicht Dodgson der kleinen Alice sein handgeschriebenes Manuskript. Doch dabei bleibt es nicht: Dodgson überarbeitet und erweitert sein Werk. Mit Unterstützung eines befreundeten Schriftstellers veröffentlicht er seine Geschichte 1865 schließlich unter dem Titel, den man bis heute kennt: "Alice’s Adventures in Wonderland".

In diesem Zeitzeichen erzählt Christian Kosfeld:
  • warum der Mathematik-Dozent und Hobbyfotograf Charles Dodgson unter dem Pseudonym Lewis Carroll schrieb,
  • wer die zehnjährige Alice Liddell ist, die Carrolls Geschichte inspirierte,
  • wie Carroll reale Personen, Orte und Eigenheiten wie sein Stottern humorvoll in die Figuren des Buches einarbeitet,
  • und warum seine Fotos von Alice Liddell und anderen Kindern noch heute kontrovers diskutiert werden.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Lewis Carroll: Alles über Alice. Hamburg 2002.
  • Peter Hunt: Alice im Wunderland. Wie alles begann, Darmstadt 2021.
  • Thomas Kleinspehn: Lewis Carroll, Hamburg 1997.

Und das ist unsere Interviewpartnerin:
  • Prof. Dr. Monika Schmitz-Emans, Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum

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Autor: Christian Kosfeld
Redaktion: Carolin Rückl und David Rother

Deutsche Antwort auf Sherlock Holmes: Autorin Jenny Hirsch

Deutsche Antwort auf Sherlock Holmes: Autorin Jenny Hirsch WDR Zeitzeichen 25.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 26.11.2099 WDR 5

Die am 25.11.1829 geborene Schriftstellerin kämpft zeitlebens für die Unabhängigkeit von Frauen. Ihr Engagement finanziert sie selbst, mit unkonventionell verdientem Geld.

Jenny Hirsch ist Frauenrechtlerin, Redakteurin und Schriftstellerin. Geboren wird sie am 25. November 1829 in Zerbst bei Magdeburg. Als Jüdin und als Frau kämpft Hirsch mit dem Beispiel ihres eigenen Lebens gegen die herrschenden Vorurteile ihrer Zeit. ***Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen: Jana Mikota, Oberstudienrätin (Uni Siegen), Jana Haase, Archivarin des Lette Vereins in Berlin***


Ein geheimnisvolles Buch. Geschrieben von Fritz Arnefeldt. Ein Kriminalroman - Ende des 19. Jahrhunderts ein ganz neues Genre in Deutschland. Im Buch versteckt sind kleine unterschwellige Botschaften, die eigentlich nicht zu einem männlichen Autor passen. Des Rätsels Lösung: Fritz Arnefeldt gibt es gar nicht. Die eigentliche Autorin ist Jenny Hirsch. Schriftstellerin, Redakteurin und Frauenrechtlerin.

Hirsch wird am 25. November 1829 in Zerbst geboren, eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Ihr Vater ist Kaufmann, die Familie streng jüdisch. Früh beginnt Jenny Gedichte und Geschichten zu schreiben. Unter dem Pseudonym J. N. Heynrichs, ein Anagramm ihres Namens, sendet sie ab und an ihre literarischen Arbeiten an verschiedene Verlage. Unter ihrem richtigen Namen darf sie nicht veröffentlichen, da sowohl der Vater als auch ihre Verwandten in Zerbst ihre schriftstellerischen Ambitionen missbilligen.

Doch aufgeben ist für Hirsch nie eine Option. Sie kämpft - nicht nur für ihre Rechte. Vielmehr wird Hirsch eine der führenden Persönlichkeiten der frühen bürgerlichen Frauenbewegung. Sie ist Mitinitiatorin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins in Leipzig, die erste Schriftführerin des "Vereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts" (später Lette-Verein) und Herausgeberin der Zeitschrift "Der Frauen-Anwalt".

Neben all diesem Engagement findet Hirsch auch noch Zeit, um Romane zu schreiben - mit Subtext. So machen sich Frauen in ihren Büchern selbstständig oder werden Ärztin. Allein unter dem Pseudonym Fritz Arnefeldt soll sie 29 Krimis und Erzählungen geschrieben haben, die bis in den USA verkauft wurden. Aber irgendwann geht es nicht mehr. Jenny Hirsch erblindet im Alter und stirbt schließlich mit 72 Jahren in Berlin.

In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Geuer:
  • von Hirschs schwieriger Kindheit im kleinstädtischen Zerbst,
  • warum Hirsch trotz ihres Engagements in manchen Frauenkreisen nicht besonders gut gelitten ist,
  • welche Vorbilder aus dem wahren Leben Hirsch als Vorlage für ihre Romanfiguren dienen,
  • welches Buch von ihr im Internet heute Preise von über 1.000 Euro erzielt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
  • Jana Mikota, Oberstudienrätin (Uni Siegen)
  • Jana Haase, Archivarin des Lette Vereins in Berlin
  • Marianne Brüning: Jenny Hirsch. Frauenrechtlerin, Redakteurin, Schriftstellerin; Jüdische Miniaturen (2004)
  • Jenny Hirsch: Ein seltsamer Fall. Ein Kriminalroman von 1912 (2019)

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Autorin: Irene Geuer
Redaktion: Carolin Rückl

Patent für Stacheldraht: Das Ende der Cowboy-Ära?

Patent für Stacheldraht: Das Ende der Cowboy-Ära? WDR Zeitzeichen 24.11.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 25.11.2099 WDR 5

Am 24.11.1874 verändert ein Patent die USA und den Wilden Westen: Der Stacheldraht revolutioniert die Viehhaltung - und hat dramatische Folgen für Cowboys und Indianer.

Der Farmer Joseph Glidden erfindet mit dem Stacheldraht ursprünglich eine sichere Barriere gegen Rinder. Am 24. November 1874 erhält er für seinen mobilen Zaun, bestehend aus zwei verdrillten Drähten mit spitzen Stacheln, das Patent. Glidden wird damit steinreich. Doch der Stacheldraht macht eine unrühmliche Karriere: Als Grenzbefestigung gegen Menschen. *** Das ist unsere wichtigste Quelle: Olivier Razac: Politische Geschichte des Stacheldrahts. Prärie, Schützengraben, Lager. Zürich-Berlin 2003 ***


Das Prinzip ist simpel: Zwei lange, ineinander verdrillte Drähte und darin in kleinen Abständen eingearbeitet kurze Drähte, deren Enden angespitzt nach außen abstehen. Eine praktische Erfindung, dieser Stacheldraht: billig zu produzieren, auch auf große Distanzen einfach zu installieren und dabei so wirksam wie kein anderer Zaun. Am 24. November 1874 erhält der Farmer Joseph Glidden aus Missouri für diese Erfindung das US-Patent Nr. 157.124.

Glidden ist nicht der Einzige, der sich an der Entwicklung eines stachelbewehrten Drahtzauns versucht hat. Als Erster hat er jedoch die Idee, die Metalldornen durch Verdrillen zweier Längsdrähte so zu fixieren, dass sie nicht mehr hin und her rutschen können. Mit einer umgebauten Kaffeemühle produziert Joseph Glidden die ersten Meter seiner flexiblen Stahlbarriere, die in kürzester Zeit das Gesicht des amerikanischen Westens grundlegend verändern wird.

In diesem Zeitzeichen erweckt Autor Martin Herzog die Geschichte vom Stacheldraht und dem Ende der Cowboys auf Grundlage historischer Fakten zum Leben.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martin Herzog:
  • Vom Reichtum des Stacheldraht-Erfinders und was Glidden mit dem Geld anfängt,
  • was Gliddens Stacheldraht von anderen unterscheidet und sicherer macht,
  • wie Glidden die skeptischen Texaner von seiner Erfindung überzeugt und sich anschließend vor Aufträgen nicht mehr retten kann,
  • wieso die Cowboys und auch die Indianer unter den zunehmenden Stacheldraht-Barrieren leiden.

Das ist unsere wichtigste Quelle:
  • Olivier Razac: Politische Geschichte des Stacheldrahts. Prärie, Schützengraben, Lager. Zürich-Berlin 2003

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Martin Herzog
Redaktion: Matti Hesse

Das geheime Leben der DDR-Elite: die Waldsiedlung Wandlitz

Das geheime Leben der DDR-Elite: die Waldsiedlung Wandlitz WDR Zeitzeichen 23.11.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 24.11.2099 WDR 5

Die Waldsiedlung Wandlitz, fast 30 Jahre exklusiver Wohnort für SED-Politbüromitglieder. Am 23.11.1989 gewährt erstmals eine TV-Reportage der Öffentlichkeit Einblick.

Eingezäunt, bewacht und gut versorgt: Im inneren Ring der Waldsiedlung Wandlitz stehen 23 Einfamilienhäuser mit ein bis zwei Etagen, jedes von ihnen mit sieben bis 15 Zimmern. Rund 20 Angehörigen des SED-Politbüros und ihre Familien wohnen hier. Im äußeren Ring gibt es eine Gärtnerei, eine Poliklinik und Wohnhäuser für die Beschäftigten, also Angestellte und Wachpersonal. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Ulrich Mählert (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur) ***


Offiziell existiert die Waldsiedlung Wandlitz nicht. Das Gebiet ist auf keiner Karte verzeichnet. Es ist scheinbar Niemandsland. Die DDR-Öffentlichkeit erfährt nichts von der Siedlung. Intern gilt die Regel: Wer Mitglied oder Kandidat des SED-Politbüros wird, muss nach Wandlitz umziehen. Es reicht also nicht aus, nur Minister oder Vorsitzender einer Blockpartei zu sein.

Im Herbst 1989 versucht das DDR-Fernsehen erstmals, die Siedlung zu besichtigen. Reporter Jan Carpentier fährt mit einem Kamerateam für die Jugendsendung "Elf99" dorthin, wo die politische Macht Ostdeutschlands wohnt. Doch sie werden abgewiesen. Es handele sich um ein militärisch gesichertes Objekt.

Erst zwei Tage später, am 23. November, gibt es den ersten offiziellen Termin zur Besichtigung der Politbürosiedlung. Ein Mensch, der sich als Schmidt vorstellt, führt die Pressevertreter durch ein schon länger leer stehendes Wohnhaus und behauptet, die Einrichtung stamme aus DDR-Produktion. Nur einige Sanitärarmaturen seien importiert worden.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Klug:
  • in welchem Teil von Berlin die DDR-Führung zunächst wohnt,
  • was der russische Dichter Wladimir Majakowski damit zu tun hat,
  • warum die SED-Prominenz 1953 nach Berlin-Karlshorst umzieht,
  • wann sich die ersten Funktionäre in der Wandlitzer Waldsiedlung niederlassen,
  • wie das Haus von SED-Chef Walter Ulbricht ausgestattet ist.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Ulrich Mählert (Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Thomas Klug
Redaktion: Christoph Tiegel und Matti Hesse

Start ins Chaos: Konferenz zur Rechtschreibreform (22.11.1994)

Start ins Chaos: Konferenz zur Rechtschreibreform (22.11.1994) WDR Zeitzeichen 22.11.2024 14:33 Min. Verfügbar bis 23.11.2099 WDR 5

Groß, klein, zusammen, getrennt - die deutsche Rechtschreibung ist voller Fallstricke. Mit einer Reform sollte sie vereinheitlicht und vereinfacht werden - mit gemischtem Erfolg.

Wie werden Fremdwörter geschrieben? Wo kommt ein Komma hin? Wie werden Wörter getrennt? Wann werden sie groß und wann klein geschrieben? Für viele Menschen ist Rechtschreibung ein unerquickliches Thema. Jahrelang wird beraten, um die Rechtschreibung auf den neusten Stand zu bringen - zumal sie seit 1902 so gut wie nicht mehr verändert worden ist. 1994 beginnt schließlich eine grundlegende Reform der Rechtschreiberegeln. *** Für dieses Zeitzeichen haben wir unter anderem gesprochen mit: Sabine Krome (Projektleiterin Orthographieforschung am Leibniz Institut für Deutsche Sprache Mannheim, Ex-Geschäftsführerin des "Rats für deutsche Rechtschreibung***


Fachleute aus der BRD, DDR, Österreich und der Schweiz beraten über viele Jahre, wie die Rechtschreibung einfacher, einheitlicher, verständlicher für Lernende werden kann: 1964 wird das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim gegründet, als wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung der deutschen Sprache.

1987 beauftragt die Kultusministerkonferenz der Länder das Institut, ein Regelwerk zu erstellen. Sieben Jahre später ist es soweit. Vom 22. bis 24. November 1994 treffen sich Wissenschaftlerinnen, Fach-Beamte und Verbände zur Wiener Orthographiekonferenz. Sie empfehlen eine umfassende Rechtschreibreform.

Schließlich beschließt die Kultusministerkonferenz die Einführung der neuen Rechtschreibung zum 1. August 1998. Als die Vorschläge bekannt werden, bricht eine Protestwelle los. Doch das Bundesverfassungsgericht entscheidet: Die Reform ist rechtmäßig und darf bis zum Jahr 2005 in Behörden, Verwaltungen, Schulen und Hochschulen eingeführt werden. Auch sie wird in den folgenden Jahren mehrmals reformiert.


In diesem Zeitzeichen erzählt Christian Kosfeld:
  • was Konrad Duden 1876 anlässlich einer ersten Rechtschreib-Konferenz erklärt,
  • welche wichtigen Änderungen die "Neue Rechtschreibung" von 1901 enthält,
  • wie viele Germanisten an der Wiener Orthographie-Konferenz teilnehmen,
  • warum 2004 der "Rat für Deutsche Rechtschreibung" gegründet wird,
  • wie wichtig das Lernen von Rechtschreibregeln trotz KI und Textprüf-Programmen ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Sabine Krome (Projektleiterin Orthographieforschung am Leibniz Institut für Deutsche Sprache Mannheim, Ex-Geschäftsführerin des "Rats für deutsche Rechtschreibung")
  • Ilpo Tapani Piirainen: Der Weg zur deutschen Rechtschreibreform von 1998. Zur Geschichte einer Kulturfertigkeit. In: Orbis Linguarum, 1999
  • Günther Thomé: Deutsche Orthographie: historisch - systematisch - didaktisch. Grundlagen der Wortschreibung. Oldenburg 2019

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Christian Kosfeld
Redaktion: Frank Zirpins

Der Schelm Nasreddin Hoca: Humorist der islamischen Welt

Der Schelm Nasreddin Hoca: Humorist der islamischen Welt WDR Zeitzeichen 21.11.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 22.11.2099 WDR 5

Nasreddin Hoca (Todesjahr 1284) begeistert mit seinen humorvollen Geschichten seit Jahrhunderten. Er zeigt, wie Islam und Humor zusammenpassen.

Man schmunzelt über ihn von Istanbul bis Jemen, von Marokko bis Peking, von Samarkand bis Moskau, vom Balkan bis in die Vorstädte Teherans: Nasreddin Hoca ist ein Kosmopolit. Die türkische Überlieferung beansprucht ihn jedoch als unveräußerliches Eigentum. Dargestellt wird er mit übergroßem Turban, meist verkehrt herum auf seinem Esel sitzend. Grundlage dafür ist dieser Dialog: "Aber Hoca! Du sitzt verkehrt herum auf dem Esel!" – "Nein", erwiderte Hoca. "Nicht ich sitz‘ verkehrt herum! Der Esel schaut in die falsche Richtung!" *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Professor Ulrich Marzolph (Islamwissenschaftler, Universität Göttingen)


Im Herzen der Türkei, in der mittelanatolischen Stadt Akşehir, steht ein Mausoleum, dessen Tür ein überdimensionales Vorhängeschloss sichert – reinste Ironie, denn ansonsten ist die Grabstätte ringsum frei zugänglich.

Das Grab von Nasreddin Hoca ist mit einem übergroßen Turban aus Marmor geschmückt. Darauf steht: Gestorben 683 Hedschra. Nach christlicher Zeitrechnung also 1284. Ob er aber tatsächlich existiert hat oder nicht, ist nicht bekannt.

Heute geht man davon aus, dass Nasreddin Hoca eine historische Persönlichkeit des 13. oder 14. Jahrhunderts gewesen sein könnte. Damals erscheinen die ersten Nachrichten über ihn. Sie berichten über ein Schlitzohr, das verschmitzt und mit Schläue, manchmal auch frech, die Schwächen der Menschen humorvoll karikiert.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
  • Warum Nasreddin Hoca in der Erzählforschung als "Kristallisations-Figur" bezeichnet wird,
  • welche Art von Anekdoten und Geschichten von ihm stammen sollen,
  • wie groß das Spektrum der Themen ist,
  • welche Rolle die Gestalt des berühmten mongolischen Eroberers Timur Leng spielt,
  • was Michail Gorbatschow mit Nasreddin Hoca zu tun hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Professor Ulrich Marzolph (Islamwissenschaftler, Universität Göttingen)
  • Ulrich Marzolph (Hg.): Nasreddin Hoca – 666 wahre Geschichten. München 1996
  • Ulrich Marzolph: Arabia Ridens. Frankfurt 1992
  • Celal Özcan (Hg.): Die besten Geschichten von Nasreddin Hoca. München 2014

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Autorin: Marfa Heimbach
Redaktion: David Rother
Technik: Sarah Fitzek

Der Jahrhundertroman: 100 Jahre "Zauberberg"

Der Jahrhundertroman: 100 Jahre "Zauberberg" WDR Zeitzeichen 20.11.2024 13:48 Min. Verfügbar bis 21.11.2099 WDR 5

Bequem, lustig und auf begrenztem Raum - so stellt sich Thomas Mann sein neues Werk vor. Am Ende ufert die Arbeit so aus wie der Aufenthalt von Hans Castorp im Sanatorium. Im November 1924 kommt das Buch erstmals in den Handel.

Zwischen kahlen Bäumen und kranken Patienten, wächst aus eigenen Beobachtungen ein Werk, das tief in die Seele der Zeit eindringt. In der verschneiten Stille des Schweizer Berglands entwickelt Thomas Mann während eines Aufenthalts im Sanatorium Davos die ersten Ideen für den "Zauberberg". ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Dr. Ralph Köhnen, Ruhr Universität Bochum***


Thomas Manns Roman begleitet den jungen Hans Castorp, der seinen kranken Vetter im Berghof besucht. Er will eigentlich nur ein paar Wochen bleiben, doch schon bald verändert sich sein Leben – und das Verständnis von Zeit. In der dünnen Bergluft wird er mit Liebe, Tod und philosophischen Fragen konfrontiert, die ihn bis zum Ersten Weltkrieg begleiten.

Mann verarbeitet in seinem Jahrhundertroman mit präziser Sprache und feiner Ironie sein eigenes Leben. Im Frühsommer 1912 begibt sich der 36-Jährige in die Schweizer Berge, um seine an Tuberkulose erkrankte Frau Katia zu besuchen. Im Sanatorium von Davos begegnet er einer faszinierenden Welt aus Kranken und Genesenden, deren seltsames Verhalten seine Fantasie anregt. Noch lange nach seiner Reise spielt er mit den Eindrücken, und aus diesen keimen die ersten Ideen für seinen großen Roman.

Über Jahre hinweg geschrieben, entfaltet sich "Der Zauberberg" als psychologisches und geistiges Abenteuer, das tief in die Zeitgeschichte der Vorkriegsjahre eintaucht. Es ist ein literarisches Monument über den Wandel der Wahrnehmung und die Komplexität des Lebens, das auch ein Jahrhundert nach seiner Veröffentlichung zum Nachdenken und Staunen anregt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Monika Buschey:
  • wie der Roman mit seinen langen Dialogen und tiefgründigen Reflexionen auch zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung anregt,
  • wie die Charaktere des Romans, Leo Naphta und Ludovico Settembrini, zentrale Fragen des 20. Jahrhunderts behandeln und dabei die politische Landschaft der damaligen Zeit widerspiegeln,
  • und wie das Buch den Leser in eine Welt entführt, in der Entschleunigung den Tag bestimmt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Prof. Dr. Ralph Köhnen, Ruhr Universität Bochum
  • Thomas Mann: Der Zauberberg, Frankfurt am Main 1924.
  • Hans Wysling: Thomas Mann. Selbstkommentare: „Der Zauberberg“, Informationen und Materialien zur Literatur, Berlin 1939.

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Autorin: Monika Buschey
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Sarah Fitzek

Dritter Stern für das Restaurant "Aubergine" (am 19.11.1979)

Dritter Stern für das Restaurant "Aubergine" (am 19.11.1979) WDR Zeitzeichen 19.11.2024 15:36 Min. Verfügbar bis 20.11.2099 WDR 5

Mit seinem Restaurant "Aubergine" kocht sich Eckart Witzigmann an die Spitze der deutschen Gastro-Szene. Eineinhalb Jahrzehnte lang hält er die höchste Auszeichnung - drei Michelin-Sterne.

Im Guide Michelin erhält der Österreicher Eckard Witzigmann 1979 mit seinem dritten Stern die höchsten kulinarischen Weihen. Der Gault Millau - neben dem Guide Michelin ein weiterer einflussreicher Restaurantführer - adelt Eckart Witzigmann mit dem Titel "Koch des Jahrhunderts" - auch als Reaktion auf seine Verurteilung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Kokainbesitzes. Die Konzession für seinen Gourmet-Tempel "Aubergine" in München hat Witzigmann zu dem Zeitpunkt allerdings schon verloren. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Madeleine Jakits, langjährige Journalistin des Gourmet-Magazins "Der Feinschmecker" ***


Nachdem er sich mit dem Restaurant "Tantris" bereits zwei Guide-Michelin-Sterne erkocht hat, öffnet Eckart Witzigmann 1978 sein Restaurant "Aubergine" in München. Ein Jahr später schon erhält er das größtmögliche Lob: Der Guide Michelin vergibt am 19. November 1979 die höchste Auszeichnung.

Die "Aubergine" erhält als erstes deutsches Restaurant einen dritten Stern. Der 38-jährige Witzigmann ist damit einer der wenigen Nicht-Franzosen, denen das damals gelingt.

Schon in den 1920er-Jahren werden für den Guide Michelin anonyme Tester losgeschickt, sogenannte "Inspektoren", wie sie bis heute heißen. Es sind im weitesten Sinn Leute aus der Gastronomiebranche - Hoteliers, professionelle Köche, Lebensmittelexperten. 1926 wird der Michelinstern eingeführt. Seit 1966 gibt es den Guide Michelin auch für Deutschland. Die Redaktion hat ihren Sitz in Karlsruhe.

Eckart Witzigmann behält seine drei Sterne von 1979 bis 1994, bis das Restaurant zugemacht wird. Im März 1993 wird Witzigmann wegen Kokainbesitzes zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er verliert die Konzession für die "Aubergine".

Eine zu harte Strafe finden manche. Der Gault&Millau - neben dem Guide Michelin ein weiterer einflussreicher Restaurantführer - adelt Eckart Witzigmann auch deshalb mit dem Titel "Koch des Jahrhunderts", um seine außerordentliche Klasse herauszustellen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen:
  • wie Witzigmann mit einer Brühe eine Kollegin verzaubert,
  • wie sich für Witzigmann am Schweizer Tellerlift die Tür zur französischen Spitzengastronomie öffnet,
  • warum sich Frankreich zum kulinarischen Schlaraffenland entwickelt,
  • warum ein Bauunternehmer Witzigmann nach München holt,
  • dass Publikum und Nouvelle Cuisine erst allmählich zueinander finden müssen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:

Weiterführender Link:

Hörtipp:
  • Reinhören: "Alles in Butter" ist der Genuss-Podcast von WDR 5. Neue Folgen gibt’s immer freitags in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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Autorin: Andrea Klasen
Redaktion: Christoph Tiegel, Frank Zirpins
Technik: Nico Söllner

Das kulturelle Zentrum Japans: Kyoto wird Hauptstadt

Das kulturelle Zentrum Japans: Kyoto wird Hauptstadt WDR Zeitzeichen 18.11.2024 14:48 Min. Verfügbar bis 19.11.2034 WDR 5

Kyoto, die alte Kaiserstadt, war und ist das kulturelle Zentrum Japans: Hier entstanden die schönsten Tempel und die schachbrettartige Architektur der Stadt. 794 wurde Kyoto zur Hauptstadt Japans ernannt.

Wie kaum eine andere Stadt vereint Kyōto die Ruhe jahrhundertealter Tempelstätten mit dem pulsierenden Leben einer modernen Metropole, in der Tradition und Innovation harmonisch verschmelzen. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Chantal Weber, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Japanologie am Ostasiatischen Institut der Universität zu Köln


Kyōto, die historische Kaiserstadt Japans, zieht mit ihren jahrhundertealten Tempeln und Teehäusern Besucher aus aller Welt in ihren Bann. Doch wer genau hinsieht, entdeckt weit mehr als nur schöne Fotomotive: Kyōto ist Japans kulturelles Herz und war einst Mittelpunkt der politischen Macht.

Im Jahr 794 entscheidet Kaiser Kanmu, seine Residenz nach Heian-kyō - das heutige Kyōto - zu verlegen. Diese Entscheidung begründet nicht nur eine neue Hauptstadt, sondern auch eine Epoche kultureller Blüte, die bis heute nachhallt.

Nach chinesischem Vorbild ist Kyōto als Schachbrettstadt angelegt, um die gesellschaftlichen Strukturen abzubilden. Der Rang einer Person bestimmt, wie weit ihr Wohnort von der Residenz des Kaisers im Norden entfernt ist. Auch Tempel, Schreine und die Nähe zur Natur spielen bei der Konstruktion der Stadt eine zentrale Rolle.

In Kyōto leben alte Traditionen bis heute weiter. Ob Handwerkskunst, Räucherstäbchenläden oder Süßigkeiten aus Bohnen, für die Japan berühmt ist: Die Stadt vereint Vergangenheit und Gegenwart in einmaliger Weise. Ein Besuch in Kyōto ist wie eine Zeitreise an einen Ort, an dem die Seele des Landes spürbar bleibt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Friedrich:
  • Was Kyōto zu jeder Zeit des Jahres in einem anderen Licht erstrahlen lässt,
  • warum die historischen Bezirke Kyōtos das Stadtbild seit Jahrhunderten prägen,
  • wie die Kunst der Landschaftsgestaltung zur Meditationspraxis erhoben wird,
  • wie sich die traditionelle Teezeremonie in Kyōto vom Rest Japans unterscheidet, und welche tiefe Bedeutung sie für die Einheimischen hat,
  • wo man die schönsten Kirschblüten- und Herbstlaub-Spots abseits des großen Trubels findet.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Wolfgang Schwentker: Geschichte Japans, München 2022
  • Matsuo Bashō, In: Haiku. Frankfurt am Main 2016
  • Matsuo Bashō: Hundertelf Haiku, Zürich 2009
  • Murasaki Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji, Frankfurt am Main 1994. Sei Shōnagon: Kopfkissenbuch, Zürich 2015

Und das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Dr. Chantal Weber, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Japanologie am Ostasiatischen Institut der Universität zu Köln

Weiterführende Links:

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Autorin: Claudia Friedrich
Redaktion: Sefa Inci Suvak

Einmachen in Blech: Nicolas Appert, Erfinder der Konservendose

Einmachen in Blech: Nicolas Appert, Erfinder der Konservendose WDR Zeitzeichen 17.11.2024 13:38 Min. Verfügbar bis 18.11.2099 WDR 5

Die Konservendose, eine nützliche Erfindung, die sich vielleicht ewig hält. Wir verdanken sie dem französischen Koch Nicolas Appert, geboren am 17.11.1749.

Nicolas Appert revolutioniert das Einmachen. Sein Konservierungsverfahren zielt darauf ab, Lebensmittel durch Erhitzen und luftdichtes Verschließen haltbar zu machen. Die notwendige wissenschaftliche Erklärung dafür folgt erst Jahre nach seinem Tod - mit der Entdeckung der Mikroorganismen, die für den Verderb von Lebensmitteln verantwortlich sind. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Prof. Dr. Guido Ritter, Oecotrophologe und Ernährungswissenschaftler, Fachhochschule Münster ***


Nicolas Appert, französischer Koch mit Erfindergeist, revolutioniert vor über 200 Jahren die Art, wie wir Lebensmittel haltbar machen – eine Leistung, die ihm den Titel "Wohltäter der Menschheit" einbringt.

Seine Idee: Nahrung luftdicht verschließen und schonend erhitzen zu können. Für die damalige Zeit klingt das zunächst wie ein Experiment aus einer anderen Welt. Doch genau diese Technik perfektioniert er mit einfachen Küchenutensilien in seiner kleinen Werkstatt nahe Paris.

Apperts Werdegang ist ebenso faszinierend wie seine Erfindung. Vom jüngsten Sohn eines Gastwirtes entwickelt er sich zum Hofkoch und später zu einem innovativen Unternehmer. Seine Erkenntnisse über die Haltbarmachung von Lebensmitteln entspringen auch der drängenden Frage, wie man Soldaten im Feld mit Nahrung versorgen kann.

So baut er nicht nur die erste Konservenfabrik, sondern legt auch den Grundstein für die moderne Ernährung, die noch heute auf seinen Prinzipien basiert.

In diesem Zeitzeichen erzählt Kay Bandermann:
  • welche Erfahrungen aus verschiedenen gastronomischen Betrieben Appert bei der Erfindung helfen,
  • wie der Koch von Glasbehältern zu robusten Blechdosen wechselt und damit die Konservierung revolutioniert,
  • wie die napoleonischen Kriege Apperts Innovationen vorantreiben,
  • was ihn dazu bringt, seine Methode zur Haltbarmachung von Lebensmitteln öffentlich zu machen,
  • und welche Entdeckungen der Mikrobiologe Louis Pasteur Jahrzehnte nach Apperts Tod macht.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:

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Autor: Kay Bandermann
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Aufstieg zur "Perle der Karibik": Die Gründung von Havanna

Aufstieg zur "Perle der Karibik": Die Gründung von Havanna WDR Zeitzeichen 16.11.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 17.11.2099 WDR 5

Havanna wird in der Bucht Puerto de Carenas 1519 gegründet, ist viele Jahre spanische Kolonie und kurzzeitig sogar von den Briten besetzt. Die bewegte Geschichte findet sich bis heute überall in der Stadt wieder.

Havanna ist nicht nur die Hauptstadt, sondern auch kultureller und politischer Mittelpunkt Kubas. Heute ist die Stadt mit ihren rund zwei Millionen Einwohnern zweigeteilt: Aufwendig restaurierte Kolonialbauten und blitzende Cadillacs auf der einen, Armut und Zerfall auf der anderen Seite. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Dick Cluster, US-amerikanischer Sachbuchautor und Übersetzer; Co-Autor des Buches "Die Geschichte von Havanna" (2018) ***


Havanna wird gleich dreimal gegründet, in der Bucht Puerto de Carenas - dem heutigen Hafen von Havanna - dann am 16. November 1519. Die spanischen Eroberer brauchen die Stadt "San Cristóbal de La Habana" als Stützpunkt für ihre Silberflotten. Am Anfang ist es ein armseliges Nest aus Hütten und staubigen Straßen. Aufgrund der strategisch günstigen Lage wird Havanna jedoch schnell zur wichtigsten Hafenstadt in der Karibik. 1552 löst sie das im Süden der Insel gelegene Santiago de Cuba als Hauptstadt ab.

Später steigt Havanna durch Zucker und Tabak zur reichsten Stadt der Karibik auf. Der Wohlstand wächst aber nur bei der kleinen Schicht der Herrschenden - die meisten Menschen leben weiter in Elend und Armut. Ende des 19. Jahrhunderts ist Havanna berühmt als die "Perle der Karibik", in den 1950er Jahren als El Dorado für die Mafia und vergnügungssuchende US-amerikanische Touristen.

Heute ist Havanna eine zweigeteilte Stadt: Die renovierte Altstadt mit vielen alten Kolonialbauten und funktionierender Infrastruktur. Und der ganze Rest, der aufgrund von Krisen und Mangelwirtschaft allmählich in sich zusammenfällt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Kath:
  • von der Legende, wie die Stadt Havanna zu ihrem Namen kommt,
  • wie die einjährige Besatzungszeit durch die Briten Havanna für immer verändert,
  • wie afrikanische Sklaven Kuba zu wirtschaftlicher Blüte verhelfen,
  • warum eine Schiffskatastrophe Kuba zur Unabhängigkeit verhilft,
  • von einem Havanna zwischen verwitterten Prachtbauten, chromblitzenden Cadillacs und Salsa-Rhythmen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Dick Cluster, US-amerikanischer Sachbuchautor und Übersetzer
  • Dick Cluster und Rafael Hernández: The History of Havana. 2018
  • Graham Greene: Unser Mann in Havanna. 3. Aufl., 1995
  • Berge & Meer Touristik GmbH: Kuba.de
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Kleine Geschichte des Widerstands in Kuba

Weiterführende Links:

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Autorin: Andrea Kath
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Christina Gabriel

Als General Sherman 1864 Atlanta niederbrennen ließ

Als General Sherman 1864 Atlanta niederbrennen ließ WDR Zeitzeichen 15.11.2024 14:51 Min. Verfügbar bis 16.11.2099 WDR 5

Es ist ein gnadenloser Akt, als Nordstaaten-General Shermann am 15.11.1864 die Stadt Atlanta niederbrennen lässt - und ein Wendepunkt im US-Bürgerkrieg.

Im vierten Jahr des US-Bürgerkriegs will Unions-General William T. Sherman seinen Gegnern verbrannte Erde hinterlassen. Sie sollen ihm nicht in den Rücken fallen können, und sie sollen wissen, dass es kein Pardon gibt. Sherman ordnet an, die Stadt Atlanta niederzubrennen.


Der US-amerikanische Bürgerkrieg beginnt im April 1861 klein und begrenzt. Doch dann eskalieren Scharmützel zu Schlachten, die Zahl der Toten und Verwundeten geht in die Zehntausende. Im Kampf geht es mit Gewehr, Revolver und Bajonett oft Mann gegen Mann.

Im April 1864 schreibt Ulysses S. Grant, Oberbefehlshaber der Unions-Armeen, an General William T. Sherman, dass es jetzt darum geht, Joseph Eggleston Johnstons Konföderierte Armee zu zerschlagen, so weit wie möglich ins Feindesland vorzurücken und dabei möglichst viele der feindlichen Kriegsressourcen zu zerstören.

Sherman gilt als "harter Hund" und tut, wie ihm geheißen. Er marschiert gegen Atlanta, durchtrennt bei seinem Vormarsch die Lebensadern der Stadt, zerstört Transportwege und Gleise, die er unbrauchbar machen lässt. "Sherman-Schlips" nennen seine Leute die grotesk verbogenen Schienen.

Bisher war die Zivilbevölkerung weitgehend vom Krieg verschont geblieben. Doch Shermans Strategie zielt jetzt auf eine Demoralisierung der Bürger des Südens - abgesegnet von höchster Stelle.

Am 1. September 1864 rückt die letzte bei Atlanta stationierte Südstaatenarmee unter John Bell Hood aus der Stadt ab. Doch Sherman ist noch nicht fertig mit Atlanta. Am 15. November 1864 lässt der General die Stadt in Flammen aufgehen.

Die Zerstörung Atlantas gilt als ein Wendepunkt des Krieges. Der Brand führt den Südstaaten die kommende Niederlage vor Augen, General Sherman fühlt sich in seiner brutalen Strategie bestätigt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Herwig Katzer:
  • Dass die Sklavenbefreiung zunächst gar nicht im Fokus Präsident Lincolns und seines Kabinetts liegen,
  • welche Rollen neue Waffen und Taktiken im Sezessionskrieg spielen,
  • wie die Eisenbahn entscheidend auf den Kriegsverlauf wirkt,
  • warum das Großfeuer im Film "Vom Winde verweht" mit dem realen Geschehen in Atlanta nichts zu tun hat,
  • wie General William T. Sherman mit dem Marsch nach Savannah die Niederlage der Südstaaten besiegelt.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Norbert Finzsch, Historiker

Weiterführender Link:

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Autor: Herwig Katzer
Redaktion: Matti Hesse

Nellie Bly reist in 72 Tagen um die Welt - im Jahr 1889

Nellie Bly reist in 72 Tagen um die Welt - im Jahr 1889 WDR Zeitzeichen 14.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 15.11.2099 WDR 5

Am 14.11.1889 startet die unerschrockene Reporterin Nellie Bly ein abenteurliches Wettrennen um die Welt - in einer Zeit, in der andere Journalistinnen nur mit männlicher Begleitung auf die Straße gehen.

In einer Zeit, als es noch als unschicklich gilt, wenn Frauen alleine reisen, wagt die US-amerikanische Journalistin Nellie Bly Unvorstellbares. Nach dem Vorbild der Romanfigur Phileas Fogg begibt sie sich 1889 auf eine Reise um die Welt in 80 Tagen. Sie schafft es sogar in rund 72 Tagen. Der Ruhm und die Anerkennung dafür sind aber schnell vergänglich. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Matthew Goodman, Journalist***


Nellie Bly ist im ausgehenden 19. Jahrhundert eine sogenannte Stuntreporterin, das ist eine ziemlich abfällige Bezeichnung für das, was sie tatsächlich tut: Sie arbeitet als Undercover-Journalistin, um soziale Ungerechtigkeit aufzudecken; die Arbeitsbedingungen in einer Fabrik zum Beispiel oder Skandale im Gesundheitssystem.

Ende des Jahres 1888 hat sie aber eine ungeheuerliche Idee: Sie will es Phileas Fogg gleichtun, dem Helden aus Jules Vernes Welterfolg "In 80 Tagen um die Welt". Ihr New Yorker Verleger Joseph Pulitzer hält Blys Idee für völlig abwegig. Schließlich ist sie eine Frau.

Nachdem Blys Idee zunächst abgebügelt wird, darf sie ein Jahr später doch starten. Unversehens wird das Unternehmen zum Wettrennen, denn das Konkurrenzblatt "Cosmopolitan" schickt mit Elizabeth Bisland in entgegengesetzter Route ebenfalls eine Frau auf Weltreise.

Das Rennen um die Welt bleibt bis zuletzt spannend. Während das Schiff von Elizabeth Bisland von den Stürmen im Nordatlantik aufgehalten wird, kämpft der Zug von Nellie Bly mit dem Schnee im mittleren Westen.

Nellie Bly umrundet die Welt in 72 Tagen, sechs Stunden und elf Minuten. In New York wird sie von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt und von einer Ecke des Landes zur anderen gefeiert. Als Elizabeth Bisland vier Tage später ankommt, bemerkt es kaum jemand, und es ist fast niemand da, um sie zu begrüßen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Tiemann:
  • Welch großen persönlichen Einsatz Nellie Bly bei ihren Recherchen bringt,
  • warum Frauen als Jounalistinnen Ende des 19. Jahrhunderts meist unter Pseudonym schreiben,
  • unter welchen Einschränkungen Journalistinnen arbeiten,
  • wen Nellie Bly mit einem kleinen Umweg besucht,
  • wie die New York World mit einem Ratespiel ihre Auflage zusätzlich ankurbelt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Matthew Goodman, Journalist
  • Matthew Goodman: 80 days. Nellie Bly and Elisabeth Bisland’s History Making Race Around the World
  • Nellie Bly: Around the World in Seventy-Two Days
  • Elizabeth Bisland: In Seven Stages: A Flying Trip Around the World

Weiterführende Links:

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Autor: Christoph Tiemann
Redaktion: David Rother

Kriegsreporter Peter Arnett: Arbeiten unter Lebensgefahr

Kriegsreporter Peter Arnett: Arbeiten unter Lebensgefahr WDR Zeitzeichen 13.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 14.11.2099 WDR 5

Vietnam, Afghanistan, Irak - der Journalist und Reporter Peter Arnett ist auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt fast immer dabei. Oft ist er in Lebensgefahr.

Reporter leben gefährlich, manchmal sogar lebensgefährlich. Doch ohne ihren Einsatz in Kriegs- und Krisengebieten würde man kaum erfahren, was dort wirklich vorgeht. Der Neuseeländer Peter Arnett berichtet unter anderem 1991 aus Bagdad, als die ersten Bomben fallen. Am 17. November 2024 wird die Reporterlegende 90 Jahre alt. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Professor Martin Löffelholz (Medienwissenschaftler an der TU Ilmenau) ***


"Es gibt Geschichten, für die man sein Leben riskieren muss", sagte einst Peter Arnett. Drei Jahrzehnte berichtet der gebürtige Neuseeländer für US-Medien von den Kriegsschauplätzen dieser Welt. Seine Feuertaufe erlebt Arnett im Vietnamkrieg. Von 1962 bis 1970 berichtet der Journalist für die Nachrichtenagentur AP von den Fronten in Südostasien. Für seine ungeschminkten Reportagen wird er mit dem Pulitzerpreis geehrt.

1980 gründet Ted Turner mit CNN den weltweit ersten reinen Nachrichtenkanal und holt den erfahrenen Reporter zum Fernsehen. Mit seinen Reportagen aus Bagdad bringt Arnett 1991 den Irakkrieg in die Wohnzimmer der Welt - und CNN den Durchbruch im Newsgeschäft. Unter anderem schildert der Reporter mit dem schütteren Haar live vom Dach eines Hotels, wie die Bomben und Raketen rings um ihn herum in der irakischen Hauptstadt einschlagen.

Einen Namen macht Arnett sich auch durch seine Interviews etwa mit Saddam Hussein oder 1997 mit dem damals noch weithin unbekannten Al-Qaida-Führer Osama bin Laden. Arnetts Erfolge als Reporter und Kriegsberichterstatter sind unbestritten - ebenso wie seine Eitelkeit. 1999 verlässt er CNN nach einigen Auseinandersetzungen.

Arnett wechselt noch einige Male den Arbeitgeber, ehe er 2007 seine Reporter-Laufbahn im Alter von 73 Jahren beendet. Er zieht sich ins Privatleben zurück und lebt seitdem in Los Angeles.

In diesem Zeitzeichen erzählt Anja Arp:
  • unter welch extremen Bedingungen Arnett vom Vietnamkrieg berichtet,
  • wie der Reporter einmal 16 Stunden live sendet und damit die Kriegsberichterstattung verändert,
  • welcher Maxime Arnett in seiner Laufbahn stets treu bleibt,
  • von Kriegsberichterstattung in Zeiten von Social Media, Fake News und Cyberwar.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Professor Martin Löffelholz (Medienwissenschaftler an der TU Ilmenau
  • Hrsg. Martin Löffelholz, Kathrin Schleicher, Christian F. Trippe: Krieg der Narrative - Russland, Die Ukraine und der Westen. 2024
  • Katrin Eigendorf: Putins Krieg - Wie die Menschen in der Ukraine für die Freiheit kämpfen.2023

Weiterführende Links:
ZeitZeichen: 21.07.1977 - Todestag der Fotografin Lee Miller
Stichtag: 19. November 1938 - Ted Turner wird geboren
Stichtag: 11. August 1988 - Erstes Treffen zur Gründung der Al-Qaida
Stichtag: 7. August 1964 - US-Kongress billigt Vietnamkrieg

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Autorin: Anja Arp
Redaktion: Sefa-Inci Suvak

Bonner Kanzlerbungalow: Wände, die deutsche Geschichte atmen

Bonner Kanzlerbungalow: Wände, die deutsche Geschichte atmen WDR Zeitzeichen 12.11.2024 14:07 Min. Verfügbar bis 13.11.2099 WDR 5

Als Dienstwohnung der Kanzler war er ziemlich unbeliebt: der Kanzlerbungalow in Bonn - zu kühl, zu eng, zu wenig Atmosphäre. Am 12. November 1964 wurde er fertiggestellt.

Heute ist der Kanzlerbungalow ein denkmalgeschütztes Museum, das Besucher die besondere Atmosphäre der Bonner Republik spüren lässt. Sorgfältig restauriert und teilweise in den Originalzustand zurückversetzt, ist er ein lebendiges Zeugnis deutscher Nachkriegsgeschichte und moderner Architektur. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Judith Kruse, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Haus der Geschichte in Bonn ***


Im ehemaligen Regierungsviertel von Bonn steht der Kanzlerbungalow – ein schlichtes Gebäude, das zwischen Bäumen und Rasenflächen fast unscheinbar wirkt. Doch hinter den bodentiefen Fenstern und Flachdächern wurde ein bedeutendes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte geschrieben. Von 1964 bis 1999 diente der Bungalow als Wohn- und Empfangsort der Bundeskanzler, die hier in schlichter, offener Architektur wegweisende Entscheidungen trafen und hochrangige Gäste willkommen hießen.

Entworfen vom Architekten Sep Ruf, spiegelt das Gebäude Ludwig Erhards Wunsch nach einem demokratischen und modernen Bau wider: Keine Pracht, sondern Transparenz und Bescheidenheit, inspiriert von den Prinzipien des Bauhaus. Die Innenräume – geprägt von Glas und minimalistischem Design – geben Politik und Prominenz einen nüchternen Rahmen.

Doch die Kanzler haben unterschiedliche Ansichten über das Gebäude: Während Erhard und Schmidt den puristischen Stil schätzen, passt Helmut Kohl das Interieur seinem Geschmack an und gestaltet den Bungalow zum seinem ganz persönlichen Machtzentrum um.

Heute steht der Kanzlerbungalow unter Denkmalschutz und kann von der Öffentlichkeit besichtigt werden – ein Ort, an dem sich deutsche Architektur und politische Geschichte lebendig vereinen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Ulli Schäfer:
  • warum der Kanzlerbungalow als Symbol für Erhards Vision von Bescheidenheit und Demokratie entworfen wird,
  • und wieso das so gar nicht zu seinem öffentlichen Image passt,
  • wie die Baukosten und der geplante Swimmingpool eine Debatte über Luxus auf Staatskosten entfachen,
  • welche Veränderungen die einzelnen Kanzler vornehmen,
  • und warum unter Helmut Schmidt sogar Panzerglasfenster eingebaut werden.

Das ist unsere wichtigste Quelle:
  • Kanzlerbungalow, hrsg. von der Wüstenrot-Stiftung und der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, München, London, New York 2023.

Und das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Judith Kruse, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Haus der Geschichte in Bonn

Weiterführende Links:

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Autor: Ulli Schäfer
Redaktion: Christoph Tiegel und Matti Hesse

Quelle-Insolvenz: Der Pionier des Online-Shoppings macht pleite

Quelle-Insolvenz: Der Pionier des Online-Shoppings macht pleite WDR Zeitzeichen 11.11.2024 14:41 Min. Verfügbar bis 12.11.2099 WDR 5

Der Versandhandel überlebt einen Krieg und die Ölkrise, nicht aber den Tod seines Gründers. Am 11.11.2009 ist Quelle insolvent. Dabei funktioniert die Geschäftsidee bis heute.

Lange vor Zalando und Amazon setzt Gustav Schickedanz auf den Versandhandel: In den 1920er Jahren gründet er "Quelle", dessen Katalog in Wirtschaftswundertagen in jedem deutschen Haushalt liegt. Das Internet macht dem Konzept den Garaus. Am 11. November 2009 ist endgültig Schluss mit Quelle. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Ralf Deckers, Mitarbeiter am Institut für Handelsforschung in Köln


In der Essener Grugahalle herrscht am 11. November 2009 gähnende Leere. Nur rund ein Dutzend der 10.000 Quelle-Gläubiger verlieren sich im Saal. Für Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg ist der Auflösungsakt nur noch eine Formalie. Das Aus für das traditionsreiche Versandunternehmen hat Görg schon Wochen zuvor in der Quelle-Heimatstadt Fürth angekündigt. 4.000 Mitarbeiter und 1.000 Beschäftigte bei Zulieferern und Dienstleistern verlieren ihren Job. Dabei hat alles so vielversprechend angefangen.

1927 gründet Unternehmer Gustav Schickedanz die Firma "Gustav Schickedanz Kurzwaren en gros", aus der der innovative Versandhandel Quelle hervorgeht. Umsatz und Gewinne wachsen rasch. Zeitweise liegt der Quelle-Katalog praktisch in jedem deutschen Haushalt. Das Konzept geht über Jahrzehnte auf. Quelle trotzt dem vorübergehenden Berufsverbot des Firmengründers, der Ölkrise und der aufkommenden Konkurrenz durch Neckermann und Otto.

Doch der Internethandel schwächt Quelle nachhaltig. Hinzu kommt die Fusion mit dem kriselnden Kaufhaus-Konzern Karstadt 1999, zu dessen Rettung ein dreistelliger Millionenbetrag die Konten wechselt. Daher verschont Insolvenzverwalter Görg Karstadt 2009 - im Gegensatz zu Quelle.

In diesem Zeitzeichen erzählt Kay Bandermann:
  • wie der Name "Quelle" entsteht
  • vom Quelle-Gründer Gustav Schickedanz und seiner Rolle im Nationalsozialismus,
  • wie seine Frau Grete den Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg rettet,
  • von den ersten Konkurrenten Neckermann und Otto,
  • wie Ölkrise und Digitalisierung Quelle erst zu Veränderungen und schließlich zur Aufgabe zwingen

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Ralf Deckers, Mitarbeiter am Institut für Handelsforschung in Köln
  • Gustav Schickedanz, Quelle-Gründer
  • Gregor Schöllgen, Biograf
  • Gregor Schöllgen: Gustav Schickedanz - Biografie eines Revolutionärs. Berlin 2010

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Autor: Kay Bandermann
Redaktion: Carolin Rückl und Matti Hesse
Technik: Michael Franke

Friedrich Schiller: Dichter der Freiheit und Rebellion

Friedrich Schiller: Dichter der Freiheit und Rebellion WDR Zeitzeichen 10.11.2024 14:48 Min. Verfügbar bis 11.11.2099 WDR 5

Am 10.11.1759 wird der große Dichter und Dramatiker Friedrich Schiller in Marbach am Neckar geboren. Rebellion und die Suche nach Freiheit und Freude bestimmen sein Leben und Werk.

Rasant, wortgewaltig, respektlos - Friedrich Schiller bringt einen neuen Ton auf deutsche Bühnen. In seinen Werken wie "Die Räuber" und "Wilhelm Tell" geht es um Rebellion. Für seinen Freiheitsdrang und seinen Mut, gegen Tyrannei und Kleingeistigkeit anzuschreiben, zahlt der Dichter einen hohen Preis. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Robert Koall (Dramaturg, Düsseldorfer Schauspielhaus); Felix Krakau (Regisseur, Düsseldorfer Schauspielhaus)


Geboren wird Johann Christoph Friedrich Schiller am 10. November 1759 in Marbach am Neckar, im Herzogtum Württemberg, einem der deutschen Kleinstaaten. Sein Vater Johann ist Arzt beim Militär, die Mutter Elisabetha entstammt einer Bäckerfamilie. Der Ton in der Familie ist rau. Der Vater gilt als autoritär.

In die Ausbildung des Schülers Friedrich Schiller mischt sich schon bald der Herzog persönlich ein. Carl Eugen von Württemberg befiehlt, dass der Junge mit 13 Jahren ins Internat der Fürstenakademie zieht. Dort studiert er zunächst Jura und später Medizin.

Tagsüber steckt er im Drill, nachts aber liest er: Goethes Werther, der gerade erschienen ist, Shakespeare oder Gedichte des populären Friedrich Klopstock. Bald dichtet Schiller selbst angeregt, lernt Goethe kennen und wird zum Autor der Freiheit. In Werken wie "Die Räuber" und "Wilhelm Tell" schreibt er über die Rebellion.

In diesem Zeitzeichen erzählt Irene Dänzer-Vanotti:
  • wie das Publikum auf die Uraufführung der "Räuber" 1782 in Mannheim reagiert,
  • was die Anführer der Französischen Revolution in einem Brief an Schiller schreiben,
  • welchen hohen Preis der Dichter für seinen Einsatz für die Freiheit zahlt,
  • wie Krankheiten sein Leben bestimmen,
  • warum seine Freundschaft zu Goethe nur zögerlich beginnt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Robert Koall (Dramaturg, Düsseldorfer Schauspielhaus)
  • Felix Krakau (Regisseur, Düsseldorfer Schauspielhaus)
  • Dieter Hildebrandt: Die Neunte - Schiller, Beethoven und die Geschichte eines musikalischen Welterfolgs. München und Wien, 2005
  • Rüdiger Safranski: Goethe & Schiller - Geschichte einer Freundschaft. München, 2009
  • Hans-Jürgen Schmelzer: Der verlorene Sohn des schwäbischen Herodes - Ein neuer Blick auf Friedrich Schillers Leben und Werk. Stuttgart, 2008

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Autorin: Irene Dänzer-Vanotti
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother

RAF-Weggefährten: Terroristen legen Bombe in Jüdischer Gemeinde

RAF-Weggefährten: Terroristen legen Bombe in Jüdischer Gemeinde WDR Zeitzeichen 09.11.2024 16:32 Min. Verfügbar bis 10.11.2099 WDR 5

Nur etwas Rost am Zünder verhindert die Explosion einer Bombe der "Tupamaros West-Berlin" am 9.11.1969 Die Spur der Täter führt in den Nahen Osten, die DDR - und zum Verfassungsschutz.

Mit einem gestohlenen Ford Transit der Technischen Universität Berlin fährt eine fünfköpfige Gruppe aus dem militant-linken Milieu 1969 nach Jordanien. Dort werden sie in einem Palästinenserlager an Sprengstoff und Waffen ausgebildet. Zurück in Berlin basteln sie eine Bombe, die sich gegen Israel richtet und im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin hochgehen soll. Der Sprengsatz zündet zum Glück nicht und richtet keinen Schaden an – aber er hinterlässt viele offene Fragen. *** Das ist unser wichtigster Gesprächspartner: Wolfgang Kraushaar, Politologe, Hamburg *** Das ist unser Hör-Tipp: „Deutschland – ein halbes Leben. 35 Jahre Mauerfall“ Direkt hier anhören: https://1.ard.de/dhl?cp=wdr Im Podcast schaut der Journalist Christian Bollert auf Deutschland, 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution und dem Mauerfall.


Ende der 1950er Jahre entsteht in Berlin an der Stelle, wo bis zur Zerstörung in der Reichspogromnacht 1938 eine der größten Synagogen Deutschlands stand, ein neues Jüdisches Gemeindehaus. Ein Zeichen dafür, dass jüdisches Leben nach dem Holocaust in Deutschland wieder aufblühen kann.

Die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander im Land der Täter bekommt am 10. November 1969 einen herben Dämpfer: Eine Reinigungskraft findet im Gemeindehaus eine Bombe, die am Tag zuvor bei einer Gedenkveranstaltung explodieren sollte und nur wegen technischer Defekte kein Blutbad anrichtet.

Hinter dem Anschlag steckt die linke Terrorgruppierung "Tupamaros West-Berlin", deren Mitglieder aus dem Umfeld des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds kommen. Sie sympathisieren mit den Palästinensern und richten sich gegen Israel und die Eroberung des Gazastreifens, des Westjordanlands und von Ost-Jerusalem. Für die Zeitgenossen ist das ein Schock: Menschen, die politisch links sind und sich der Aufklärung verpflichtet fühlen, hatte man zuvor nicht mit Antisemitismus in Verbindung gebracht.

Der Anschlag auf das Gemeindehaus verschwindet bald aus dem Fokus der Öffentlichkeit, auch weil mit der RAF linker Terror eine neue Dimension erreicht. Erst Jahrzehnte später - nach dem Mauerfall - kommen die Hintergründe zur Bombe im Jüdischen Gemeindehaus ans Licht. Die Fäden reichen von Berlin bis in den Nahen Osten, darin verwickelt sind auch Jassir Arafat, ein Undercover-Mann vom Verfassungsschutz und die DDR-Staatssicherheit.

In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck:
  • wie die Täter in einem Palästinenser-Lager ausgebildet wurden,
  • dass nie Anklage gegen die Bombenbauer erhoben wurde,
  • warum der Anschlag schnell in Vergessenheit geraten ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Wolfgang Kraushaar, Politologe, Hamburg
  • Wolfgang Kraushaar: Bombe im Jüdischen Gemeindehaus. Hamburg 2005
  • Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus in Deutschland. Eine kritische Bestandsaufnahme. Wiesbaden 2014

Weiterführende Links:

Das ist unser Hör-Tipp: „Deutschland – ein halbes Leben. 35 Jahre Mauerfall
Im Podcast schaut der Journalist Christian Bollert auf Deutschland, 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution und dem Mauerfall. „Deutschland – ein halbes Leben“ hört ihr in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

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Autorin: Almut Finck
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Annette Skrzydlo

Wie Hitler-Attentäter Elser fast die Weltgeschichte änderte

Wie Hitler-Attentäter Elser fast die Weltgeschichte änderte WDR Zeitzeichen 08.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 09.11.2099 WDR 5

Der Tischler Georg Elser hat sein Attentat auf Hitler minutiös vorbereitet. Am Abend des 8.11.1939 scheitert es nur knapp – durch eine unvorhersehbare Reiseplanänderung.

"Für die Nazis hat der Georg von Anfang an nichts übrig gehabt", erinnert sich die Mutter von Georg Elser später. Ihr Sohn, ein lebensfroher Tischler, ahnt, dass Adolf Hitler Deutschland in den Ruin führen wird und entscheidet: "Hitler muss weg!" Am 8. November 1939 will er mit einer selbst gebauten Bombe Hitler in einem Münchner Brauhaus töten. Doch es kommt anders... *** Das ist unser wichtigster Gesprächspartner: Wolfgang Benz, Historiker, Berlin***


Es ist ein dichter Nebel, der Adolf Hitler an diesem Tag wahrscheinlich das Leben rettet – und Georg Elser sein Leben kosten wird. Wegen der schlechten Sicht können die Nazi-Oberen am Abend des 8. November 1939 nicht wie geplant mit dem Flugzeug von München nach Berlin reisen, stattdessen müssen sie den Zug nehmen. Die jährliche Rede von Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukellers fällt daher kürzer aus als üblich. Und als die von Georg Elser minutiös geplante Zeitbombe hochgeht, haben Hitler und Goebbels den Saal schon verlassen. Der Attentäter Georg Elser wird ungefähr zur gleichen Zeit an der Schweizer Grenze festgenommen.

Den Entschluss, Adolf Hitler in die Luft zu jagen, hatte Georg Elser bereits ein Jahr zuvor gefasst. Der Tischler sieht bei seiner Arbeit in einer Armaturenfabrik jeden Tag, wie das NS-Regime für den Krieg aufrüstet. Zugleich haben die einfachen Arbeiter immer weniger Rechte: "Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass man nur dadurch etwas verändern kann, dass man die augenblickliche Führung beseitigt, also Hitler, Göring und Goebbels."

Wäre das schlechte Wetter nicht dazwischen gekommen, so hätte Georg Elser womöglich Weltgeschichte schreiben und viel Elend in Europa verhindern können. Der Arbeiter hat immerhin schon 1938, also noch vor Kriegsbeginn, erkannt, dass der Nationalsozialismus nur Unheil bringen wird. Deutlich früher also als andere Widerständler war Georg Elser bereit, sein Leben zu riskieren, um das Nazi-Regime zu stoppen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:
  • wie Georg Elser als Arbeiter in einem Steinbruch anheuert, um an Sprengstoff zu kommen,
  • mit welcher Raffinesse er sich nachts im Brauhaus einsperren lässt,
  • welche Rolle die Abortanlagen des Bürgerbräukellers für das Attentat spielen,
  • wie die Nationalsozialisten das missglückte Attentat für ihre Propaganda nutzen,
  • dass Georg Elser noch kurz vor Kriegsende ohne Verfahren und am gleichen Tag wie Admiral Wilhelm Canaris und Dietrich Bonhoeffer hingerichtet wird.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Wolfgang Benz, Historiker, Berlin
  • Wolfgang Benz: Allein gegen Hitler: Leben und Tat des Johann Georg Elser. München 2024
  • Johannes Tuchel/Peter Steinbach: Georg Elser. Der Hitler-Attentäter. Berlin 2008

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Autor: Heiner Wember
Redaktion: Christoph Tiegel, David Rother
Technik: Moritz Raestrup

Plankton - auf der Suche nach der Basis der Futterkette

Plankton - auf der Suche nach der Basis der Futterkette WDR Zeitzeichen 07.11.2024 13:19 Min. Verfügbar bis 08.11.2099 WDR 5

Kleine und große Schwebewesen bevölkern die Meere. Die erste Expedition zu ihrer Untersuchung organisierte der Meeresbiologe Victor Hensen, der den Begriff Plankton erfunden hat - am 7.11.1889 kehrte sie heim.

Von technischen Pannen bis zu heftigen Stürmen - die Reise der Forscher an Bord der "National" ist voller Herausforderungen. Doch ihre Entdeckungen prägen die Meereswissenschaften grundlegend. Damals wie heute steht das Plankton im Mittelpunkt der Meeresforschung. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Meike Vogt, Senior Researcher und Klimawissenschaftlerin, ETH Zürich ***


Im Jahr 1889 bricht der Kieler Biologe Victor Hensen zu einer außergewöhnlichen Reise auf. Er will erforschen, was wir heute unter dem Namen Plankton kennen: die winzigen, oft unsichtbaren Bewohner des Meeres. An Bord des Dampfers "National" und unterstützt von einem Team aus Zoologen, Botanikern und sogar einem Marinemaler startet Hensen die erste große Planktonexpedition in den Nordatlantik.

An über 120 Stellen nehmen die Forscher Proben und entdecken unzählige Organismen, vom mikroskopischen Phytoplankton bis hin zu Quallen. Dabei entdecken die Forscher hunderte von neuen Arten – so viele, dass die gesammelten Proben noch Jahrzehnte lang analysiert werden.

Hensens Ziel ist es, das Plankton systematisch zu erfassen, um dessen Bedeutung für das Leben im Meer zu verstehen. Eigens von ihm entwickelte, spezielle Netze werden dafür vertikal durchs Wasser gezogen – ein Verfahren, das uns auch heute noch in der Meeresforschung dient.

In diesem Zeitzeichen erzählt Murat Kayi:
  • was Hensens erste Studien mit einem einzelnen Fisch, dem Goldbutt, zu tun haben,
  • warum Plankton für die Nahrungskette im Ozean so wichtig ist und sogar das Weltklima beeinflusst,
  • was die Forschungsteilnehmer der Expedition alles mitnehmen müssen, darunter nicht nur Messgeräte, sondern auch einen Marinemaler,
  • warum es besonders in kalten Meeresgebieten viel mehr Plankton gibt als in wärmeren Gewässern,
  • und welche Rolle neue Technologien wie DNA-Analysen und Satellitendaten heute in der Planktonforschung spielen.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Dr. Meike Vogt, Senior Researcher und Klimawissenschaftlerin an der ETH Zürich.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Karl Brandt: Haeckel's Ansichten über die Plankton-expedition, Kiel 1891.
  • Otto Krümmel: Reisebeschreibung der Plankton-Expedition, Schwerin 2021.
  • Karl Brandt: Ueber die biologischen Untersuchungen der Plankton-Expedition. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 5, 1890, S. 112–114.
  • Victor Hensen: Einige Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 5, 1890, S. 318–320.

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Autor: Murat Kayi
Redaktion: Frank Zirpins

6.11.1989: Erich Mielke ordnet Vernichtung von Stasi-Akten an

6.11.1989: Erich Mielke ordnet Vernichtung von Stasi-Akten an WDR Zeitzeichen 06.11.2024 14:49 Min. Verfügbar bis 07.11.2099 WDR 5

Im Herbst 1989 steht die DDR-Führung vor dem Aus: Proteste richten sich auch gegen das Ministerium für Staatssicherheit. Stasi-Chef Mielke lässt darum Akten verschwinden.

Zuletzt verfügt das Ministerium für Staatssicherheit über einen Aktenbestand, der nebeneinandergestellt eine Länge von 111 Kilometern ergibt. Dazu kommen 41 Millionen Karteikarten, 2.876 Filme und Videos, 23.250 Tondokumente und 1,95 Millionen Fotografien. Die enorme Datenmenge stellt im Herbst 1989 für das DDR-Regime plötzlich eine Bedrohung dar: Was passiert, wenn die Demonstrierenden Zugriff erhalten halten? Stasi-Chef Erich Mielke verfügt deshalb die Zerstörung der Unterlagen. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Roland Jahn (letzter Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde) ***


Am 6. November 1989 passiert in der DDR etwas Unerhörtes. Der langjährige Chef des Ministeriums für Staatssicherheit, Erich Mielke, erlässt eine geheime Anweisung zur außerordentlichen Vernichtung von Materialien seines Ministeriums. Die Weisung geht per Rundschreiben an die Kreisdienststellen.

Die Demonstrationen, die sich gegen das Regime richten, finden inzwischen im ganzen Land statt. Die Kreisdienststellen erscheinen Mielke deshalb nicht mehr sicher genug. Brisante Unterlagen über inoffizielle Mitarbeiter oder Überwachungspraktiken sollen vernichtet oder in die Bezirksverwaltungen ausgelagert werden.

Mielke ahnt, dass seine Macht schwindet. Der "Feind" soll keine Spuren finden. Die Spuren des eigenen rechtsstaatswidrigen Handelns sollen beseitigt werden. Tags darauf tritt Mielke als Minister zurück.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Klug:
  • wie das DDR-Ministerium für Staatssicherheit im Volksmund genannt wird,
  • mit welcher Haltung Erich Mielke sein Ministerium 32 Jahre lang führt,
  • wie die Aktenvernichtung durch die Bevölkerung gestoppt wird,
  • für welche Tat Erich Mielke nach dem Mauerfall zu sechs Jahren Haft verurteilt wird,
  • wo die Akten lagern, die dieses Urteil ermöglichen.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Roland Jahn (letzter Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde)

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Autor: Thomas Klug
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother
Technik: Antonia Herzog

Pioniertat im OP: Werner Forßmanns Herzkatheter-Selbstversuch

Pioniertat im OP: Werner Forßmanns Herzkatheter-Selbstversuch WDR Zeitzeichen 05.11.2024 13:14 Min. Verfügbar bis 06.11.2099 WDR 5

Mit einem gewagten Eingriff legt Werner Forßmann den Grundstein für die moderne Herzmedizin. Der Patient: Er selbst. Am 5.11.1929 berichtet er erstmals davon. Und viel später wird er dafür mit dem Medizin-Nobelpreis belohnt.

Gefäßverletzungen, Blutungen, Herzinfarkt und Schlaganfall zählen bis heute zu den möglichen Komplikationen einer Herzkatheter-Untersuchung. Doch Werner Forßmann hat Glück: Als der Assistenzarzt 1929 einen solchen Eingriff am eigenen Körper durchführt, bleibt er unbeschadet. Gelassen meint er 30 Jahre später: "Das war gar nicht so schlimm. Ich hatte mir diese Möglichkeiten anatomisch sehr genau überlegt und ich war fest davon überzeugt, dass nichts passieren konnte." *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Professor Dietrich Pfeiffer (Kardiologe in Berlin); Werner Forßmann: Selbstversuch - Erinnerungen eines Chirurgen. Düsseldorf 1972 ***


Am 5. November 1929 erscheint im renommierten Ärzteblatt "Berliner Klinische Wochenschrift" ein Aufsatz von Werner Forßmann. Der Titel lautet "Über die Sondierung des rechten Herzens". Darin schildert der Assistenzarzt, wie er im zurückliegenden Sommer in einem Provinzkrankenhaus im brandenburgischen Eberswalde ein risikoreiches Experiment durchgeführt hat: eine Herzkatheter-Untersuchung am eigenen Körper.

Forßmann legt damit die Grundlage für die Einführung der Herzkatheter-Untersuchung in die klinische Praxis. Doch diese Leistung wird erst Jahre später erkannt. Zunächst wird der Mediziner für seinen Mut nur von der Boulevardpresse gefeiert. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es erst viel später eine entsprechende Resonanz.

In diesem Zeitzeichen erzählt Steffi Tenhaven:
  • wie der 25-jährige Werner Forßmann während der Mittagspause heimlich seinen Selbstversuch durchführt,
  • warum er auf die ursprünglich geplanten Patientenversuche verzichtet,
  • wie der Chirurg Ferdinand Sauerbruch angeblich über das Herzkatheter-Experiment spottet,
  • in welcher Beziehung Forßmann zur NSDAP steht,
  • mit welchen beiden US-Ärzten er den Nobelpreis erhält.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Professor Dietrich Pfeiffer (Kardiologe in Berlin)
  • Werner Forßmann: Selbstversuch - Erinnerungen eines Chirurgen. Düsseldorf 1972

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Autorin: Steffi Tenhaven
Redaktion: Christoph Tiegel und Frank Zirpins

Walther Leisler Kiep: Die CDU-Spendenaffäre

Walther Leisler Kiep: Die CDU-Spendenaffäre WDR Zeitzeichen 04.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 05.11.2034 WDR 5

Er war beliebt, erfolgreich und verwickelt in die schwerste Krise der CDU: Am 4. November 1999 erlässt die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Walther Leisler Kiep wegen Steuerhinterziehung. Und das ist erst der Anfang.

Einen Tag nach dem Haftbefehl gegen ihn stellt sich Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep am 5. November den Behörden. Er erklärt, die 1991 vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber in seinem Beisein an den langjährigen CDU-Steuerberater Horst Weyrauch in einem Koffer bar in der Schweiz übergebene Million sei als Parteispende an die CDU gegangen. Ein paar Wochen später wird ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-CDU-Parteichef Helmut Kohl eröffnet. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Andreas Polk (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Beirat und Mitglied bei Transparency International Deutschland)***


Ende August 1991 auf einem Parkplatz in der Schweiz: CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep und CDU-Steuerberater Horst Weyrauch nehmen einen Koffer entgegen, der eine Million Mark enthält. Es soll sich um eine Parteispende des Waffenhändlers Karl Heinz Schreiber gehandelt haben, so erzählen es die beiden CDU-Männer später. Das Geld taucht dann später auf einem Treuhandkonto der CDU auf und wird verschwiegen.

Gut acht Jahre später wird das Leisler Kiep zum Verhängnis: Am 4. November 1999 erlässt das Amtsgericht Augsburg Haftbefehl gegen ihn. Der frühere CDU-Schatzmeister soll das Geld für die Vermittlung eines Panzergeschäfts der Thyssen AG mit Saudi-Arabien bekommen haben.

Am 5. November 1999 stellt sich Leisler Kiep der Justiz. Seine Aussage bringt
einiges ins Rollen. Es stellt sich schließlich heraus: Unter Parteichef Helmut Kohl existiert ein ganzes System von Auslandskonten und schwarzen Kassen, über das die CDU unter anderem Wahlkämpfe und Parteitage mitfinanziert hat.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
  • Welche Rolle der Verein "Staatsbürgerliche Vereinigung" damals bei der Parteienfinanzierung spielt,
  • wie ein Untersuchungsausschuss des Bundestages die CDU-Spendenaffäre beleuchtet,
  • wie sich Ex-CDU-Parteichef Helmut Kohl in der Affäre verhält,
  • welche Regeln das Parteiengesetz heute für Spenden vorsieht.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Andreas Polk (Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Beirat und Mitglied bei Transparency International Deutschland)

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Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Frank Zirpins

Gegen Subkulturen: Großbritannien verbietet Open-Air-Raves

Gegen Subkulturen: Großbritannien verbietet Open-Air-Raves WDR Zeitzeichen 03.11.2024 13:09 Min. Verfügbar bis 04.11.2099 WDR 5

Während in Berlin Tausende bei der Love Parade tanzen, feiern Briten wild und unkontrolliert auf dem Land. Ab dem 3.11.1994 ist das gesetzlich verboten. Aber die Party geht weiter.

1988, im zweiten Summer of Love, schwappt Acid House ins Vereinigte Königreich. Angesichts immer größer werdender Open-Air-Events sieht die konservative Regierung sich sechs Jahre später zum Criminal Justice Act veranlasst. Damit werden nicht nur die Freiheiten der Raver stark eingeschränkt. Auch Jagd-Gegner oder Umweltaktivisten geraten ins Visier der Behörden. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Jeremy Gilbert, Professor für Cultural Studies, University of East London ***


Bekannt wird das Gesetz wegen einer Passage über Open-Air-Partys, auf denen Musik läuft, die so definiert wird: "Ihr verübt eine Straftat, wenn ihr verstärkte Musik spielt, die Klänge enthält, die vollständig oder zum Teil charakterisiert sind durch die Ausstrahlung einer Abfolge von sich wiederholenden Beats."

Trotz des Widerstandes konservativer Kreise fahren ganze Karawanen aus den Städten zu den großen Open Air-Events aufs Land. Die Konservative Partei (Tories) entdeckt das Thema für sich.

Der Criminal Justice Act soll die Versammlungsfreiheit einschränken und nicht nur die Raver treffen: Aussteiger, die ihr Leben im Wohnmobil verbrachten, sollen ihr Aufenthaltsrecht auf öffentlichen Flächen verlieren. Menschen, die den Neubau von Straßen blockieren oder eine Fuchsjagd stören, müssen mit empfindlichen Strafen rechnen.

Auf der Straße demonstriert eine bunte Mischung gegen den Criminal Justice Act: Hippies mit Dreadlocks, Raver mit bunten Haaren, Umweltaktivisten und Oppositionspolitiker. Nur erfolgreich ist das Bündnis nicht. Trotz drei großer Demonstrationen zwischen Mai und Oktober wird der Criminal Justice Act am 3.11.1994 im britischen Unterhaus verabschiedet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christian Werthschulte:
  • welche Rolle leerstehende Lagerhallen und Fabriken bei den Entwicklungen der neuen Musik-Kultur spielen,
  • wie die BBC dazu beiträgt, dass ein Festival in einem kleinen Dorf in der Grafschaft Gloucestershire aus dem Ruder läuft
  • dass das Gesetz die Free-Festival-Bewegung zerstörte und Musikfestivals kommerzialisiert wurden.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • Jeremy Gilbert, Professor für Cultural Studies, University of East London
  • Simone Fenney, Mitglied der Techno-Crew Spiral Tribe

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Christian Werthschulte
Redaktion: Carolin Rückl und Matti Hesse

Pilotinnen-Club Ninety-Nines: Frauen erobern den Himmel

Pilotinnen-Club Ninety-Nines: Frauen erobern den Himmel WDR Zeitzeichen 02.11.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 03.11.2099 WDR 5

Am 2. November 1929 gründeten 99 Pionierinnen die internationale Pilotinnenvereinigung Ninety-Nines. Doch bis heute sind Frauen im Cockpit weltweit eine Ausnahme.

Das Logo der Pilotinnenvereinigung Ninety-Nines besteht aus zwei Neunen, die ineinander verschlungen sind. Das symbolisiert Zusammenhalt, denn Vielfalt ist in den Cockpits der Welt ein rares Wort. Genau deshalb gibt es die 99s. Auch heute vergeben ihre Mitglieder weltweit Stipendien, agieren als Mentorinnen, unterstützen den Nachwuchs bei der Ausbildung, bieten Trainings an und werben für den Beruf. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen: Andrea Amberge (Langstreckenpilotin, Hubschrauberpilotin, Mitgründerin der deutschen Sektion der 99s); Ute Hölscher (Pilotin einmotoriger Flugzeuge, Fluglehrerin, Vizepräsidentin der deutschen Sektion der 99s) ***


Privatpilotinnen, Berufsfliegerinnen, Raumfahrerinnen - in der Pilotinnenvereinigung Ninety-Nines sind rund 5.000 Frauen miteinander verbunden. Der Club ist ein weltumspannendes Netzwerk mit Hauptsitz in den USA und Teams in China, Finnland, Indien, Kanada, Nepal, Malawi, Marokko, Polen und Kanada. Auch eine deutsche Sektion gibt es.

Gegründet wird der Zusammenschluss in Long Island im Hangar einer Flugschule. 117 Fliegerinnen mit Lizenz sind eingeladen. 99 Pilotinnen erscheinen - daher der Name Ninety-Nines. Unter den Gründerinnen ist auch eine Deutsche. Thea Rasche, eine der berühmtesten Kunstfliegerinnen der Welt. Die 99erinnen vereinen die besten Fliegerinnen jener Zeit.

In diesem Zeitzeichen erzählt Claudia Friedrich:
  • was das Gründungstreffen der 99s mit dem Puderquastenrennen zu tun hat,
  • welche Strecke die 20 teilnehmenden Pilotinnen in neun Tagen absolvieren müssen,
  • wer zur ersten Präsidentin der 99s gewählt wird,
  • wie viele US-Pilotinnen im Zweiten Weltkrieg im Einsatz sind.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Andrea Amberge (Langstreckenpilotin, Hubschrauberpilotin, Mitgründerin der deutschen Sektion der 99s)
  • Ute Hölscher (Pilotin einmotoriger Flugzeuge, Fluglehrerin, Vizepräsidentin der deutschen Sektion der 99s)
  • Wolfgang Behringer, Constance Ott-Koptschalijski: Der Traum vom Fliegen. Zwischen Mythos und Technik. Frankfurt am Main 1991
  • Gertrud Pfister: Fliegen - ihr Leben. Die ersten Pilotinnen. Berlin 1989
  • Ernst Probst: Thea Rasche - The Flying Fräulein. München 2010

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Claudia Friedrich
Redaktion: Matti Hesse

Die Besetzung des Autonomen Zentrums "Rote Flora" in Hamburg

Die Besetzung des Autonomen Zentrums "Rote Flora" in Hamburg WDR Zeitzeichen 01.11.2024 14:35 Min. Verfügbar bis 02.11.2099 WDR 5

Wenn über das Hamburger Schanzenviertel berichtet wird, geht es oft um Protest, Krawall – und die Rote Flora. Am 1.11.1989 wird verkündet: "Die alte Flora ist besetzt".

Die Geschichte des Autonomen Zentrums Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel nimmt mit der Besetzung des ehemaligen Theaters am 1.11.1989 ihren Anfang. In der Flora wollen die Besetzer der Utopie einer Herrschafts- und klassenlosen Gesellschaft näher kommen, indem sie versuchen, sie zu leben. Von Anfang an gibt es Spannungen mit den Behörden. ***Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Schriftliche Stellungnahme der Roten Flora auf WDR-Anfrage, Prof. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Extremismusforscher ****


Das Gebäude im Hamburger Schanzenviertel stammt aus dem 19. Jahrhundert. Es wird ursprünglich als Konzerthaus konzipiert und im Laufe der Zeit als Theater, Varieté, Kino, Lagerhalle und Kaufhaus genutzt. 1988 lässt ein Musical-Produzent das Gebäude bis auf den dekorativen Eingangsbereich abreißen – er will dort ein riesiges Musical-Theater errichten. Gespielt werden soll "Das Phantom der Oper".

Doch Anwohner, Gewerbetreibende und autonome Gruppen wehren sich gemeinsam gegen das Projekt, das ihrer Ansicht nach die Mieten vor Ort in die Höhe treiben würde. Nach zahlreichen Protestaktionen und Anschlägen auf die Baustelle, lassen die Investoren das Projekt fallen.

Diverse Initiativen und Protestgruppen fordern, dass aus den Resten des Flora-Theaters ein Stadtteilzentrum wird. Die Stadt Hamburg erlaubt ihnen die befristete Nutzung und im September 1989 wird die "Rote Flora" offiziell eröffnet. Ab dem 1. November 1989 heißt es dann schließlich: "Die alte Flora ist besetzt". In der Flora will man der Utopie einer Herrschafts- und klassenlosen Gesellschaft näher kommen, indem man versucht, sie zu leben.

Die Spannungen zwischen Staat und Autonomen nehmen schnell zu. Einer der Höhepunkte der problematischen Beziehung militanter Autonomer zur Gewalt war in Hamburg 2017 während des G20 Gipfels zu erleben, dem Treffen der führenden Wirtschaftsnationen. Es gibt schwere Krawalle, brennende Autos, Plünderungen sowie hunderte verletzte Polizisten und Demonstranten. Polizei und Demoveranstalter geben sich gegenseitig die Schuld, über die Rolle der Roten Flora gibt es unterschiedliche Ansichten.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • wie die Autonomen der Roten Flora ihre Grundsätze selbst beschreiben,
  • mit welchen Inhalten und Aktivitäten verschiedenste Gruppen die Räume der Roten Flora nutzen,
  • wie die Autonomen zum Einsatz von Gewalt stehen,
  • wie der Verfassungsschutz das gegenseitige Vertrauen der Autonomen untereinander untergräbt,
  • dass auch die Rote Flora das Hamburger Schanzenviertel nicht vor Gentrifizierung schützen kann.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Prof. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler, Extremismusforscher und ehemaliger Referatsleiter in der Abteilung Rechtsextremismus im Bundesamt für Verfassungsschutz
  • schriftliche Stellungnahme der Roten Flora zu WDR-Anfrage
  • Prof. Armin Pfahl-Traughber: Linksextremismus in Deutschland: Eine kritische Bestandsaufnahme. Berlin, 2014
  • A.G. Grauwacke: Autonome in Bewegung: Aus den ersten 23 Jahren. Berlin, 2020

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Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Alexander Buske

"König des Wüstenblues": Ali Farka Touré (geboren am 31.10.1939)

"König des Wüstenblues": Ali Farka Touré (geboren am 31.10.1939) WDR Zeitzeichen 31.10.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 01.11.2099 WDR 5

Er brachte den Sound Malis in die Welt, wird als Nationalheld und einer der größten Gitarristen aller Zeiten gefeiert. In der Musik sah Touré seine Berufung jedoch nie.

Wie kaum ein anderer Musiker verbindet Ali Farka Touré traditionelle Musik aus seiner Heimat im Norden Malis mit amerikanischem Blues. Er selbst sagt gelegentlich, dass der Blues "eigentlich unsere Musik" sei – und somit aus Afrika stamme. In Europa und Nordamerika wird Ali Farka Touré als König des "Wüsten-Blues" gefeiert und mit Grammys ausgezeichnet. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Hauke Dorsch, Ethnologe und Leiter des Archivs für Musik Afrikas an der Universität Mainz ***


Er ist das zehnte Kind seiner Mutter, aber er ist das einzige, das überlebt: Am 31. Oktober 1939 wird Ali Farka Touré in Mali geboren. Er wächst mit den Liedern der malischen Griots auf, die von den Mythen am Niger erzählen. Seine erste Gitarre, eine Djurkel, baut Ali Farka Touré aus einem Kuhfell und Pferdehaaren und bringt sich selbst das Spielen bei. Zudem lernt er weitere traditionelle Instrumente.

Die afrikanische Musik inspiriert ihn ebenso wie Albert King, Otis Redding, James Brown oder John Lee Hooker. In seinen Liedern setzt Ali Farka Touré die afrikanische Spielart auf moderne Instrumente wie die E-Gitarre um. Mit dem Pariser Label "SonAfric" bringt er mehrere Platten raus. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg, über Mali hinaus findet seine Musik erst kaum Beachtung. Seinen weltweiten Durchbruch verdankt er einem Zufall.

Beim Stöbern in einem Pariser Plattenladen gefallen dem BBC-Moderator Andy Kershaw die Farben auf dem Cover eines Touré-Albums. Der Londoner nimmt die Platte mit und stellt Ali Farka Touré in seiner Sendung auf Radio One vor – die Hörer sind begeistert. Der Blues des Maliers passt perfekt zur aufkommenden "World Music"-Welle Ende der 1980er Jahre - der Gitarrist und Sänger wird zum führenden Musiker der Szene. Für sein Album "Talking Timbuktu" erhält Ali Farka Touré seinen ersten Grammy.

Ein gutes Jahrzehnt lang nimmt Ali Farka Touré erfolgreich Platten auf, gibt weltweit Konzerte und lässt sich als König des Wüsten-Blues feiern. Dann sehnt er sich nach Afrika zurück. Er verschenkt seine Djurkel, die er bis dahin immer bei sich hatte, und zieht sich in sein Heimatdorf zurück. Dort stirbt der Musiker im März 2006 mit 66 Jahren.

In diesem Zeitzeichen erzählt Thomas Mau:
  • über den frühen Tod des Vaters,
  • wie er als Teenager von "bösen Geistern" befallen wurde,
  • warum Ali Farka Touré ein Studio in Hollywood kaum ertragen konnte,
  • wie der Musiker sein malisches Dorf "grün" wie die Schweiz machen will.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner und die wichtigsten Quellen:
  • Dr. Hauke Dorsch, Ethnologe und Leiter des Archivs für die Musik Afrikas an der Universität Mainz
  • "A visit to Ali Farka Touré"; Regie Marc Huraux; Frankreich ARTE 2000
  • BBC 3 World Routes „Ali Farka Touré Obituary“; Lucy Duran, Andy Kershaw 2006

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Autor: Thomas Mau
Redaktion: Carolin Rückl, Matti Hesse

Frauenärztin und frühe Sexualreformerin: Anne-Marie Durand-Wever

Frauenärztin und frühe Sexualreformerin: Anne-Marie Durand-Wever WDR Zeitzeichen 30.10.2024 14:51 Min. Verfügbar bis 31.10.2099 WDR 5

In der Weimarer Republik kämpft sie gegen das Abtreibungsverbot und gründet später Pro Familia mit: die Ärztin Anne-Marie Durand-Wever, geboren am 30.10.1889 in Paris.

Anne-Marie Durand-Wever engagiert sich als Ärztin schon in der Weimarer Zeit in der Sexualreformbewegung und fordert die Streichung des § 218. Sie führt mit anderen Akteurinnen in der Frauenbewegung Debatten und wird mit zur Wegbereiterin der Sexualaufklärung und Empfängnisverhütung. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Dr. Jessica Bock, Historikerin, Digitales Deutsches Frauenarchiv ***


Anne-Marie Durand-Wever sagt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts: Eine Frau sollte immer die Wahl haben, ob sie ihre Schwangerschaft tatsächlich austrägt. Sie gehört zu der ersten Riege von Gynäkologinnen in Deutschland. In einer Zeit, wo nur sehr wenige Frauen zum Studium zugelassen werden.

Anne-Marie Durand-Wever kämpft als Ärztin auch in der Zeit der Weimarer Republik in der Sexualreformbewegung und fordert die Streichung des § 218. Sie führt mit anderen Akteurinnen in der Frauenbewegung Debatten und wird mit zur Wegbereiterin der Sexualaufklärung und Empfängnisverhütung.

1933 schließen die Nationalsozialisten die politisch engagierte Ärztin wegen ihrer konträren Ansichten über Geburtenkontrolle, Verhütung und Sexualerziehung aus der Reichsschrifttumskammer aus. Ihre Schriften landen auf dem Index.

Im Juni 1945 eröffnet Durand-Wever eine neue Praxis in Berlin und engagiert sich auch wieder ehrenamtlich. 1952 wird sie Mitbegründerin von Pro Familia in Kassel und für zehn Jahre auch Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung.

In diesem Zeitzeichen erzählt Melahat Simsek:
  • welchen positiven Einfluss ihre Geburt als Diplomatenkind auf Anne-Marie Durand-Wevers Leben hat,
  • wie Durand-Wever mehrere Jahre als Assistenzärztin in der Gynäkologie verschiedener Münchner Kliniken tagtäglich hautnah die Auswirkungen des § 218 erlebt,
  • warum Durand-Wever nur ein Jahr nach ihrer Wahl das Amt der Bundesvorsitzenden des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands wieder niederlegt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartnerinnen:
  • Dr. Jessica Bock, Historikerin, Digitales Deutsches Frauenarchiv
  • Regine Wlassitschau, Pro Familia, Frankfurt
  • Anne-Marie Durand-Wever: Als die Russen kamen. Tagebuch einer Berliner Ärztin, unveröffentlichtes Manuskript
  • Atina Grossmann: Juden, Deutsche, Alliierte - Begegnungen im besetzten Deutschland. Göttingen 2012
  • Jutta Buchin: Ärztinnen im Kaiserreich. Charité Berlin 2005

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Autorin: Melahat Simsek
Redaktion: Christoph Tiegel, Frank Zirpins
Technik: Thomas Bleul

Albert von Rothschild: der reichste Mann Europas

Albert von Rothschild: der reichste Mann Europas WDR Zeitzeichen 29.10.2024 14:21 Min. Verfügbar bis 30.10.2099 WDR 5

Albert von Rothschild (geb. am 29.10.1844) wird Oberhaupt der Wiener Linie der jüdischen Bankiersfamilie. Sein Reichtum macht ihn zur antisemitischen Projektionsfläche.

Zu Lebzeiten ist er der reichste Mann Europas. Und gehörte als jüdischer Bankier trotzdem nie ganz zur vornehmen Gesellschaft dazu, wurde vom Adel geschnitten und in der Politik zur antisemitischen Projektionsfläche. *** Das ist unserer wichtigster Interviewpartner: Roman Sandgruber (Historiker, Linz) ***


Die Wurzeln des Hauses Rothschild reichen zurück bis zu Mayer Amschel Rothschild, geboren 1744 in Frankfurt am Main. Eigentlich will er Rabbiner werden, doch der Vater zwingt ihn ins Geschäft, einen kleinen Laden mit angeschlossener Wechselstube. Viel anderes als Handel und Geldwechsel bleibt Juden zu der Zeit nicht übrig. Denn in die Handwerker-Zünfte dürfen sie nicht, Grund und Boden kaufen auch nicht.

Mayer Amschel Rothschild erkennt früh: Die Zukunft des Bankgeschäftes liegt nicht allein in Frankfurt, sondern in Europa. Seine fünf Söhne werden in verschiedenen Ländern tätig. So gründet sein Sohn Salomon 1821 in Wien die Privatbank S. M. v. Rothschild und wird damit zum Begründer des österreichischen Zweigs der Familie. Da Salomons jüngster Sohn am besten mit Geld umgehen kann, wird dieser nach ihm die Geschäfte fortführen: Albert Salomon Freiherr von Rothschild, geboren am 29. Oktober 1844 in Wien.

Albert hat nicht nur ein Händchen für Geld, sondern auch einen seltsamen Kosenamen: aus "Salomon Albert" wird "Salbert". Er ist es, der die Rothschild-Bank zu wahrer Größe bringt. Im Laufe seines Lebens kauft und baut er insgesamt acht Schlössser in Österreich. Sein Reichtum ist unermesslich, doch persönlich ist er bescheiden - und unglücklich. Er stirbt mit 66 Jahren in Wien als gebrochener Mann.

In diesem Zeitzeichen erzählt Heiner Wember:
  • wie auf beruflichen Erfolg privates Unglück folgt,
  • mit wem Salbert eine fast verhängnisvolle Affäre eingeht,
  • dass auch Kaiserin Sisi ihr Geld von den Rothschilds anlegen lässt,
  • warum sein Riesen-Palast in Wien eher eine Riesen-Gruft ist,
  • warum mit Salberts Tod der Niedergang des Hauses beginnt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Roman Sandgruber (Historiker, Linz)
  • Sandgruber, Roman: Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses. 2018

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Autor: Heiner Wember
Redaktion: David Rother
Technik: Moritz Raestrup

Erasmus von Rotterdam: Der Fürst der Humanisten

Erasmus von Rotterdam: Der Fürst der Humanisten WDR Zeitzeichen 28.10.2024 14:36 Min. Verfügbar bis 29.10.2099 WDR 5

Erasmus von Rotterdam war einer der größten Gelehrten seiner Zeit. Mit seinem "Lob der Torheit" eckte der Humanist bei vielen Zeitgenossen an, besonders bei Martin Luther.

"Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand." Das sagt Erasmus von Rotterdam, der bedeutendste Humanist des 16. Jahrhunderts. Er spricht aus Erfahrung, denn er hat selbst rund 150 Bücher geschrieben. Die "Erasmus-Bibel" dient später Martin Luther als Grundlage für seine deutsche Bibel-Übersetzung. *** Das ist unsere wichtigste Quelle: Anton J. Gail: Erasmus von Rotterdam (1974) ***


Es sind die letzten Jahre vor der Reformation. Noch spricht in ganz Europa niemand von Martin Luther. Alle sprechen von Erasmus von Rotterdam. In England, in Frankreich, in Italien, vor allem auch in Spanien ist er das Idol der studierenden Jugend. Keiner weiß wie er, das neue Medium Buchdruck zu nutzen.

Damit Europa zurückfinde "ad fontes", zu seinen besten Quellen, erarbeitet er die großen Werke der Antike, die christlichen und die heidnischen, fast alle neu und lässt sie drucken. So auch das Neue Testament in jener griechischen Urfassung, auf die sich Luther stützen wird. Trotzdem bleibt Erasmus gegenüber Luther, mit dem er eine Korrespondenz unterhält - und der ihn als glitschigen Aal, stinkende Wanze und Hornisse beschimpft -, auf Distanz: Dessen aggressives Vorgehen in Fragen der Religion ist ihm zuwider.

Erasmus wird als unehelicher Sohn eines Priesters in Rotterdam geboren. Seine Eltern sterben an der Pest. Danach wird der 16-Jährige unter die Vormundschaft gebildeter Geistlicher gestellt. Später wird er Priester, verbringt eine Zeit im Kloster und studiert anschließend Theologie.

In seinen Schriften gibt Erasmus von Rotterdam seinen Zeitgenossen Ratschläge für richtiges Benehmen. 1509 schreibt er angeblich in nur einer Woche seine Satire "Lob der Torheit", die anschließend das ganze gebildete Europa begeistert. Hierin stellt Erasmus die ironische These auf, dass nur die Dummheit die Menschen glücklich machen kann - um dabei die Vernunft zu preisen. 

Erasmus, der auch "Fürst der Humanisten" genannt wird, gilt als der gescheiteste Mensch seiner Zeit. Im Juli 1536 stirbt Erasmus von Rotterdam in Basel. Er hinterlässt rund 150 Bücher.

In diesem Zeitzeichen erzählt Hans Conrad Zander:
  • Wie sich Erasmus von Rotterdam Herrscher und Päpste geschickt zum Freund macht,
  • warum Erasmus sogar christliche Fürsten verspotten kann,
  • von seiner Meinung zu Krieg - und wieso diese aktueller denn je ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Anton J. Gail: Erasmus von Rotterdam (1974)
  • Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit - deutsche Übersetzung lateinischer Lektüre. Reclam
  • Erasmus von Rotterdam: Die Klage des Friedens. Hrsg. und übers. von Brigitte Hannemann. Nachwort von Stefan Zweig. 2017

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Autor: Hans Conrad Zander
Redaktion: Matti Hesse
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Wildschwein ehrenhalber: Der Naturforscher Heinz Meynhardt

Wildschwein ehrenhalber: Der Naturforscher Heinz Meynhardt WDR Zeitzeichen 27.10.2024 14:45 Min. Verfügbar bis 28.10.2099 WDR 5

Sein Vorbild ist die Forscherin Jane Goodall. Jahrelang begleitet Heinz Meynhardt aus nächster Nähe eine Wildschweinrotte und gewinnt sensationelle Einblicke in deren Leben. Er stirbt am 27.10.1989.

Vom Elektromeister zum Doktor der Agrarwissenschaften: Heinz Meynhardt erwirbt im Zusammenleben mit Wildschweinen so umfangreiche Kenntnisse, dass er ohne Abitur und Studium an der Universität Leipzig seine Dissertation einreichen kann. *** Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner: Hubertus Ostermann (Freund Meynhardts); Heinz Meynhardt: Schwarzwildreport. ARD Archiv; Heinz Meynhardt: Mein Leben unter Wildschweinen. ARD Archiv; Heinz Meynhardt: Wildschweingeschichten. ARD Archiv ***


Bevor Heinz Meynhardt der Chef einer Wildschweinrotte wird, führt er ein bürgerliches Leben im Städtchen Burg in der Nähe von Magdeburg. Zu DDR-Zeiten ist er gelernter Elektromeister und Antennenbauer.

Die Familie Meseberg in Burg fährt jeden Tag um die gleiche Zeit zu einem Militär-Stützpunkt, um Essenreste für ihre Hausschweine abzuholen. Auf dem Weg begegnet ihnen eine Wildschweinrotte. Die wilde Verwandtschaft bekommt auch etwas vom Futter.

Heinz Meynhardt ist fasziniert und will noch mehr über die schlauen Tiere erfahren. Mutig und mit Mais bewaffnet macht er sich zweimal täglich auf den Weg in den Wald, um sich bei den Schwarzkitteln beliebt zu machen.

Die Rotte akzeptiert ihn. Er ist der erste Forscher in Europa, den die Bachen beim Wurf ihrer Frischlinge dulden. Er sitzt am Wurfkessel und prägt die Frischlinge damit auch auf sich. Der Nachwuchs hört jetzt neben den Prägelauten der Mutter auch seine Stimme.

Meynhardt erwirbt im Zusammenleben mit den Borstenviechern so umfangreiche Kenntnisse, dass er ohne Abitur und Studium an der Universität Leipzig seine Doktorarbeit einreicht. Die Arbeit wird auf Herz und Nieren geprüft. Meynhardt bietet allem Paroli und bekommt den Doktor-Titel. Der Elektromeister Heinz Meynhardt ist Doktor der Agrarwissenschaften.

Kurz vor der Wende bricht Meynhardt bei einer Veranstaltung in Frankreich am 27. Oktober 1989 mit nur 54 Jahren am Rednerpult tot zusammen - Hirntumor. Der Freundeskreis "Heinz Meynhardt" setzt ihm in Burg ein Denkmal.

Eine lebensgroße Skulptur neben Wildschweinfiguren und einem Findling mit Gedenkplatte, auf der steht: "Wildschwein ehrenhalber".

In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
  • von den vier goldenen Regeln für Begegnungen mit Wildschweinen,
  • wie Heinz Meynhardt zum Oberhaupt der Wildschweinrotte wird,
  • welche Rolle Jane Goodall bei Meynhardts Forschungen spielt,
  • vom einzigen Grund, warum Wildschweine nicht schreiben können,
  • vom schwierigen Verhältnis Meynhardts zu den Keilern.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Hubertus Ostermann, Freund Meynhardts
  • Heinz Meynhardt: Schwarzwildreport. ARD Archiv.
  • Heinz Meynhardt: Mein Leben unter Wildschweinen. ARD Archiv.
  • Heinz Meynhardt: Wildschweingeschichten. ARD Archiv.
  • Heinz Meynhardt: CD - Die Sprache des Schwarzwildes

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Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Frank Zirpins

Karl der Große Britanniens: König Alfred von Wessex

Karl der Große Britanniens: König Alfred von Wessex WDR Zeitzeichen 26.10.2024 15:52 Min. Verfügbar bis 27.10.2099 WDR 5

Als er am 26.10.899 stirbt, hat er die Wikinger bezwungen und Britannien geeint. Kein anderer Brite wird "der Große" genannt. Dabei sollte Alfred gar nicht König werden.

Der heutige König Charles III. ist tatsächlich ein entfernter Nachfahre: Alfred der Große hat im neunten Jahrhundert die Wikinger besiegt - und damit die Grundlage für das Vereinigte Königreich gelegt. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Stephan Bruhn (German Historical Institute, London) und Dominik Waßenhoven (Universität Köln) ***


Sein genaues Geburtsdatum ist nicht überliefert. Irgendwann im Jahr 848 oder auch 849 kommt Alfred zur Welt, als Sohn des Westsachsenkönigs Æthelwulf und dessen erster Frau Osburga. Doch Alfreds Geschichte beginnt eigentlich schon Jahrzehnte vorher: Mit dem Überfall einer kleinen, fremdartigen Flotte furchterregender Kerle auf England - dem Sturm der Wikinger auf das Kloster Lindisfarne.

55 Jahre nach dem Überfall wird Alfred geboren. Als er mit 20 Jahren König der West-Sachsen wird, ist Britannien in einer gefährlichen Krise. Die Wikinger sind inzwischen so mächtig, dass unter ihren Schwertern drei der vier Reiche Britanniens am Boden liegen. Aber sie kommen mittlerweile nicht mehr zum Plündern aus Skandinavien, sondern sind in England, Irland und Frankreich aktiv. Das macht sie angreifbar.

Die Schlacht von Edington führt 878 schließlich zur Wende. Alfred kann die Wikinger überraschend schlagen. Es ist der Anfang vom Ende des ersten Wikingerzeitalters. Und der hauchdünne, zarte Beginn einer Entwicklung, aus der später ein geeinigtes Großbritannien hervorgehen wird. Alfred stirbt vorher, am 26. Oktober 899, mit 50 oder 51 Jahren.

In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Meyer:
  • was Alfred der Große und Karl der Große gemeinsam haben,
  • warum die Wikinger als brutale Gestalten in die Geschichtsbücher eingegangen sind,
  • dass Alfred eigentlich ein anderer Weg vorbestimmt war,
  • was die Gruppe Abba mit Charles III. zu tun hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Stephan Bruhn (German Historical Institute, London)
  • Dominik Waßenhoven (Universität Köln)
  • Simon Keynes, Michael Lapidge: Asser’s Life of King Alfred and other contemporary sources. London 1983.
  • Dorothy Whitelock (Hrsg.): English Historical Documents. Band 1. London 1955.

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Autor: Wolfgang Meyer
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins

John Peel: Der Radio-DJ, der unbekannte Bands zu Stars machte

John Peel: Der Radio-DJ, der unbekannte Bands zu Stars machte WDR Zeitzeichen 25.10.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 26.10.2034 WDR 5

Jimi Hendrix, David Bowie und The White Stripes: Sie alle hat der legendäre britische Radio-DJ John Peel (Todestag 25.10.2004) entdeckt oder bekannt gemacht.

In den BBC-Musiksendungen von John Peel ist alles möglich: Auf Reggae folgt Weltmusik, Folk, Punk, Rock oder ein experimentelles Stück aus dem 19. Jahrhundert. Rund vier Jahrzehnte spielt Peel auf Radio One was ihm gefällt, Playlisten und Marketingkampagnen interessieren ihn nicht. So fördert John Peel Popgrößen wie David Bowie und Indie-Stars wie Pulp und The Smiths. Für sein Engagement wird er sogar von der Queen geehrt. *** Für dieses Zeitzeichen haben wir unter anderem gesprochen mit: Louise Kattenhorn, BBC-Redakteurin ***


Geboren wird der spätere BBC-Starmoderator als Robert Parker Ravenscroft 1939 in der Nähe von Liverpool. Mit 21 Jahren schickt ihn sein Vater, ein Baumwollhändler, zur Ausbildung in die USA. Doch John wird schnell klar, dass ihm Musik wichtiger ist als Baumwolle. Das bringt ihn zum Radio, wo er nachts Musiksendungen moderiert.

1965 kehrt er nach Großbritannien zurück und arbeitet beim illegalen Piratensender Wonderful Radio London. Um unentdeckt zu bleiben, ändert er seinen Nachnamen in Peel. Dann holt ihn die BBC für den neu gegründeten Jugendsender Radio One – und seine Karriere nimmt Fahrt auf.

John Peel begeistert mit seiner ungewöhnlichen Auswahl abseits des Mainstreams bald eine große Fangemeinde. Auch Plattenlabels und Talentscouts vertrauen auf sein Gespür. Nur seine Vorgesetzten bringt der Radio-DJ häufiger ins Schwitzen, weil er sich nicht an Vorgaben hält: Als die BBC einen Song der Punkband "The Sex Pistols" auf den Index setzt, weil er sich gegen die Monarchie richtet, spielt Peel ihn trotzdem.

Auf der Suche nach neuen Bands durchstreift John Peel wöchentlich große und kleine Londoner Plattenläden – und hört sich unzählige Demo-Bänder an. Legendär sind seine "Peel Sessions": Konzerte junger Bands, die live im Radio ausgestrahlt werden. Am 14. Oktober 2004 verabschiedet sich der Moderator in den Urlaub. Es ist seine letzte Sendung: John Peel stirbt am 25. Oktober 2004 in Peru an einem Herzinfarkt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Amy Zayed:
  • warum sich John Peel manchmal wünscht, dass gute Bands unbekannt bleiben,
  • dass Königin Elizabeth II. John Peel einen Orden für seine Verdienste für die Popmusik verleiht,
  • warum ein Moderator heute nicht mehr eine solche Verbindung zu Hörern aufbauen kann wie seinerzeit John Peel,
  • wie nach seinem Tod Vorwürfe über Affären mit minderjährigen Teenagern seinem Image schaden.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • John Peel, O-Töne (Archiv),
  • Louise Kattenhorn, BBC-Redakteurin
  • Peter Flore, Redaktionsleiter WDR Rockpalast

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Unser Hör-Tipp: "USA - Der Riss"
Am 5. November 2024 wird bei den US-Präsidentschaftswahlen nicht nur über den nächsten Präsidenten, sondern auch über die demokratische Entwicklung des Landes entschieden. Vieles deutet darauf hin, dass diese je nach Gewinner sehr unterschiedlich verlaufen könnte. Dabei spielt der tiefe Riss, der die US-Gesellschaft durchzieht, eine wichtige Rolle. Die Podcastserie "USA - Der Riss" hört Ihr überall, wo es Podcasts gibt und als Download in der ZDF-Mediathek.

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Autorin: Amy Zayed
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Annett Bastian

Werner Seelenbinder: Ein Ringer gegen das NS-Regime

Werner Seelenbinder: Ein Ringer gegen das NS-Regime WDR Zeitzeichen 24.10.2024 14:43 Min. Verfügbar bis 25.10.2099 WDR 5

24.10.1944: der Ringer und Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder wird hingerichtet. Wer steckt hinter der Legende, die im Osten verklärt, im Westen fast vergessen wurde?

Nach seinem Tod wird Werner Seelenbinder zur Legende - aber nur im Osten, wo seine Biografie verklärt wird. Im Westen gerät er in Vergessenheit. Zu Lebzeiten ist er erfolgreicher Ringer und Verbindungsmann für die kommunistische Sache in Europa. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Jutta Braun (Historikerin) ***


Werner Seelenbinder wird 1904 in Stettin geboren, zieht dann mit der Familie nach Berlin. Dort betreibt die Mutter einen Krämerladen, während der Vater bald in den Ersten Weltkrieg zieht. Seelenbinder ist früh auf sich selbst gestellt.

Das Nachkriegsleben lässt Seelenbinder keine Zeit, einen Beruf zu erlernen. Mit harter körperlicher Arbeit hält er sich und seine Familie über Wasser. Dabei entdeckt er sein Talent fürs Ringen. Aus dem Arbeiterkind Werner Seelenbinder wird ein Arbeitersportler. Besuche in der Sowjetunion festigen seine politischen Überzeugungen und Seelenbinder tritt in die Kommunistische Partei Deutschlands ein. 1933 erringt er seinen ersten deutschen Meistertitel, verweigert bei der Siegerehrung aber den Hitlergruß.

Seelenbinder ist erfolgreicher Ringer und gleichzeitig Verbindungsmann für die kommunistische Sache in Europa. Er nutzt seine Reisen zu Wettkämpfen ins europäische Ausland, um wichtige Papiere zu schmuggeln und zu überbringen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs intensiviert er seine Untergrundarbeit - und wird 1942 verhaftet. 33 Monate lang versucht die Gestapo, Informationen über die Arbeit des kommunistischen Untergrunds aus ihm herauszuprügeln. In Potsdam wird er schließlich im Eilverfahren zum Tod durch das Fallbeil verurteilt und am 24. Oktober 1944 hingerichtet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Burkhard Hupe:
  • warum Seelenbinder in der DDR zur Legende wird,
  • was er mit der Widerstandsgruppe um Robert Uhrig zu tun hat,
  • dass es bis heute in der russischen Ringer-Sprache den Wurf "Seelenbinder" gibt,
  • warum Seelenbinder nie geheiratet hat,
  • und warum er nicht als Märtyrer sterben wollte.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin und die wichtigsten Quellen:
  • Jutta Braun, Historikerin am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam,
  • Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Neukölln. Berlin 1990.
  • Friedel Schirm: 33 Monate. Erinnerungen an Werner Seelenbinder. Berlin 1984.
  • Walter Radetz: Der Stärkere. Ein Buch über Werner Seelenbinder. Berlin 1962.
  • Film "Einer von uns" (Regie: Helmut Spieß). DEFA-Studio für Spielfilme 1959/60.

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Burkhard Hupe
Redaktion: Matti Hesse

Göbekli Tepe: ein Social Hub der Jungsteinzeit

Göbekli Tepe: ein Social Hub der Jungsteinzeit WDR Zeitzeichen 23.10.2024 13:29 Min. Verfügbar bis 24.10.2099 WDR 5

Ein deutscher Archäologe macht am 23.10.1994 im Südosten der Türkei eine bedeutende Wiederentdeckung: ein Monumentalbau, viel älter als Stonehenge oder die Pyramiden.

Ein einsamer Maulbeerbaum, mitten auf einem Hügel. Göbekli Tepe ist ein perfektes Fotomotiv. Doch der Heidelberger Archäologe Klaus Schmidt sieht mehr in dem Hügel - und lässt graben. Dabei wird klar: Er birgt eine Sensation. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Jens Notroff (Archäologe und Prähistoriker) und Klaus Schmidt (Entdecker von Göbekli Tepe) ***


Göbekli Tepe - diesen Namen geben irgendwann in jüngerer Zeit die einheimischen Bauern dem Hügel. "Bauchiger Berg" bedeutet das, oder "Berg mit Nabel" - und er sieht aus der Ferne tatsächlich aus wie ein Bauchnabel.

Wie auf einer Kitschpostkarte steht mitten auf dem Hügel ein einsamer Maulbeerbaum, an dem hunderte kleiner bunter Stoffstreifen im Wind wehen: Geheime Wunschbändchen der einheimischen Frauen.

Anfangs ragen Steinbrocken aus dem Feld heraus, an denen sich die Bauern abmühen. Dabei sind sie nicht zimperlich. Die Brocken sind beim Pflügen im Weg und sollen aus dem Weg geschafft werden.

Der Heidelberger Archäologe Klaus Schmidt sieht mehr in dem Hügel - und lässt graben. Wenige Wochen nach Beginn der Ausgrabungen ist klar: Der Hügel von Göbekli Tepe birgt eine Sensation. Die Monumentalität dieses Platzes erwartet man nicht für die Zeit des zehnten Jahrtausends vor Christus, als die Menschen noch auf der Stufe von Jäger und Sammler-Kulturen sind und gerade erst beginnen, die sesshafte und nahrungsproduzierende Lebensweise zu erlernen.

Jüngst wurden Überreste von Wohngebäuden gefunden, mit zahlreichen Steingefäßen, Feuerstein-Werkzeugen, verkohlten Wildsamen und Gräbern unter den Fußböden der Wohnhäuser. Göbekli Tepe ist demnach kein reiner Kultplatz, sondern auch ein Siedlungsplatz. Und zwar von der ersten Phase an.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marfa Heimbach:
  • wer vor etwa 12.000 Jahren in Mesopotamien die ersten Monumentalbauten der Menschheit errichtet,
  • warum die Bauern mit ihren Versuchen scheitern, die aus den Äckern ragenden Steinbrocken zu entfernen,
  • welches Grundnahrungsmittel seine Ur-Heimat in der Region um Göbekli Tepe hat,
  • was die Darstellungen von zähnefletschenden Raubtiereßn und kopflosen Männer bedeuten könnten.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner:
  • O-Ton Jens Notroff, Archäologe und Prähistoriker, Deutsches Archäologisches Institut.
  • O-Ton Klaus Schmidt †, Entdecker von Göbekli Tepe, Deutsches Archäologisches Institut (WDR Archiv)

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Autorin: Marfa Heimbach
Redaktion: Christoph Tiegel/Matti Hesse
Technik: Sarah Fitzek

Jean-Paul Sartre lehnt den Nobelpreis ab (am 22.10.1964)

Jean-Paul Sartre lehnt den Nobelpreis ab (am 22.10.1964) WDR Zeitzeichen 22.10.2024 14:46 Min. Verfügbar bis 23.10.2099 WDR 5

Der Kommunist Sartre will sich nicht von einer bürgerlichen Institution auszeichnen lassen, lehnt Preis und Geld ab. Jahre später kommt wieder Bewegung in den Skandal.

"Der diesjährige Nobelpreis für Literatur ist dem französischen Schriftsteller Jean-Paul Sartre zuerkannt worden", teilt die Königlich-Schwedische Akademie am 22. Oktober 1964 in Stockholm mit. Doch statt Freude und Lobreden folgt ein Eklat: Sartre lehnt die Auszeichnung ab. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Hans-Martin Schönherr-Mann, Professor für politische Philosophie an der Universität München


Es ist ein Skandal, als Jean-Paul Sartre am 22. Oktober 1964 den Nobelpreis für Literatur ablehnt. Er selbst sagt dazu, er sehe nicht ein, dass ihn fünfzig ältere Herren, die schlechte Bücher schreiben, krönen sollten.

Sartre schreibt dem Sekretär der Schwedischen Akademie, dass er nicht auf der Liste möglicher Nobelpreiskandidaten erscheinen möchte. Dies sei "keine Stehgreifentscheidung" schreibt Sartre acht Tage vor der Bekanntgabe. Der Sekretär aber weilt im Urlaub. Die Entscheidung der Jury ist bereits gefallen.

Am 22. Oktober 1964 ist es so weit: Die Nachricht vom neuen Literaturnobelpreisträger Jean-Paul Sartre geht um die Welt. Wenig später folgt ein weiteres Kommuniqué aus Stockholm mit der Bekanntgabe von Sartres Ablehnung.

Sartre ist sich bewusst, dass 250.000 Kronen Preisgeld, damals umgerechnet 220.000 DM, viel Geld sind. Man hätte es, wie er eingesteht, für die Unterstützung von Bewegungen und Organisationen nutzen können. Er denkt da unter anderem an das Londoner Apartheid-Komitee.

Elf Jahre später hat Jean-Paul Sartres spektakuläre Ablehnung des Literaturnobelpreises ein Nachspiel. Presseagenturen berichten, dass eine briefliche Anfrage bei der Nobelstiftung eingegangen sei, ob er das Preisgeld doch noch erhalten könne.

Sartre dementiert das nachdrücklich und hat den Brief wohl auch nicht selbst geschrieben. Das Geld ist den Statuten der Akademie entsprechend auch längst zurück in die Stiftung geflossen.

Wenig später unterläuft Sartre seine Devise, Ehrungen durch Institutionen prinzipiell auszuschlagen. 1976 nimmt er die Ehrendoktorwürde der hebräischen Universität Jerusalem für sein Engagement gegen den Antisemitismus an.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christoph Vormweg:
  • Wie die Jury-Mitglieder der Schwedischen Akademie den Existenzialismus sehen,
  • wie sehr der Kalte Krieg in die Entscheidungen Sartres und des Nobelpreis-Komitees hineinspielt,
  • warum Sartre, seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir und Sartres Verleger, Robert und Claude Gallimard, gemeinsam in einem Auto die Flucht antreten,
  • warum Jean-Paul-Sartre einen Ruf als "großer Nein-Sager" hat.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Hans-Martin Schönherr-Mann, Professor für politische Philosophie an der Universität München
  • Hans-Martin Schönherr-Mann: Sartre. Philosophie als Lebensform. München 2005
  • Annie Cohen-Solal: Sartre 1905-1980. Aus dem Französischen von Eva Groepler. Reinbek 1988
  • Deidre Bair: Simone de Beauvoir. Eine Biographie. Aus dem Amerikanischen von Sabine Lohmann, Uda Strätling und Sonja Hauser. München 1990
  • Jean-Paul Sartre: Die Wörter. Aus dem Französischen von Hans Mayer. Frankfurt am Main 1980
  • Teresa Nentwig: Ein Preis wird vergeben, und ich lehne ihn ab. Jean-Paul Sartre, der Philosoph der Freiheit, nimmt sich die Freiheit, den Literaturnobelpreis abzulehnen. Transcript Verlag

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Autor: Christoph Vormweg
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Christine Reinartz

Hitler und Mussolini: Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler

Hitler und Mussolini: Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler WDR Zeitzeichen 21.10.2024 14:27 Min. Verfügbar bis 22.10.2099 WDR 5

Gehen oder bleiben? Bis Ende 1939 mussten sich die deutschsprachigen Südtiroler entscheiden: Umsiedeln ins Nazi-Reich oder ihre Kultur aufgeben. Viele hat es zerrissen.

Im Oktober 1939 schließen Adolf Hitler und Benito Mussolini Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler. Die deutschsprachigen Bewohner müssen entscheiden, ob sie ins Deutsche Reich auswandern oder bleiben und dann auf ihre Kultur und Sprache verzichten. ***Das ist unsere wichtigste Quelle: Eva Pfanzelter: Option und Gedächtnis. Erinnerungsorte der Südtiroler Umsiedlung 1939. Bozen 2015.***


Im Juni 1939 beschließen Rom und Berlin die Umsiedlung so genannter Volksdeutscher aus der zu Italien gehörenden Provinz Südtirol. Auch Ladiner können optieren. Sie sind eine ethnische Randgruppe mit eigener Sprache, hauptsächlich in den Tälern der Dolomiten, aber auch im Trentino und in Venetien.

Am 21. Oktober 1939 werden drei Verträge geschlossen, sie regeln genaue Details. Die betroffenen Menschen, zwischen 200.000 und 250.000, bekommen Zeit bis zum Jahresende, um sich zu entscheiden: bleiben oder gehen.

Dableiben oder gehen - für viele Südtiroler ist das eine Wahl, die sich innerlich zerreist. Man kann sich für Deutschland entscheiden, fürs "Volkstum", wie das damals heißt, fürs Nazi-Reich - und verliert Haus, Hof und die Heimat.

Oder man entscheidet sich fürs Bleiben, was als Bekenntnis zur italienischen Nation gilt. Dann muss man die Muttersprache aufgeben, Kultur und Traditionen verleugnen. Die große Mehrheit, 86 Prozent, stimmt für Abschied und ein neues Leben auf der anderen Seite des Brenners.

Deutschland lockt mit einer besseren wirtschaftlichen Perspektive. Man verspricht den deutschsprachigen Südtirolern das Blaue vom Himmel.
Die meisten, die gehen, kommen aber grad mal bis Innsbruck oder Kufstein, vielleicht noch nach Niederösterreich. Junge Männer werden gleich von der Wehrmacht geholt. Familien bringt man in eilends gebauten Südtirolersiedlungen unter. Und manchmal tatsächlich auf einem Hof. Gedanken an die Vorbesitzer schieben die Umsiedler beiseite. Die an vertriebene Juden auch.

In diesem Zeitzeichen erzählt Almut Finck:
  • welche Rolle die Armut und das Höferecht in Südtirol bei der Umsiedlung spielen,
  • welche Landstriche als künftige Siedlungsgebiete in den Köpfen der Umsiedler herumgeistern,
  • weshalb viele Südtiroler Angst vor der Italianisierung haben,
  • wie es den Menschen, die sich eigentlich für das Deutsche Reich entschieden haben, nach dem Stopp der Umsiedlung ergeht.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Eva Pfanzelter: Option und Gedächtnis. Erinnerungsorte der Südtiroler Umsiedlung 1939. Bozen 2015.
  • Günther Pallaver, (Hg.): Einmal Option und Zurück. Die Folgen der Aus- und Rückwanderung für Südtirols Nachkriegsentwicklung. Bozen 2019.

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Autorin: Almut Finck
Redaktion: Matti Hesse
Technik: Annette Skrzydlo und Sarah Fitzek

Dr. Sommer beantwortet den ersten Bravo-Brief (am 20.10.1969)

Dr. Sommer beantwortet den ersten Bravo-Brief (am 20.10.1969) WDR Zeitzeichen 20.10.2024 14:37 Min. Verfügbar bis 21.10.2099 WDR 5

Ob schwanger vom Küssen oder zu viele Schamhaare: Sexualtherapeut Martin Goldstein nimmt ernst, was Jugendliche umtreibt - und bringt der Bravo eine Millionenauflage.

Unter dem Titel "Was Dich bewegt" beantwortet Dr. Sommer in der Jugendzeitschrift "Bravo" 1969 zum ersten Mal Fragen der Teenager zu Liebe und Sex. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Heinz-Jürgen Voß, Professor für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung an der Universität Merseburg. ***


"Sprechstunde bei Dr. Jochen Sommer: Was dich bewegt. Ein Mann von heute spricht mit den'Bravo'-Lesern über ihre Probleme und Sorgen."

Der "Mann von heute" heißt eigentlich Martin Goldstein - und er ist nicht allein. Mit einem dreiköpfigen Team beantwortet der Psychotherapeut aus Düsseldorf so dringliche Fragen wie "Kann man vom Küssen schwanger werden" oder "Ist Onanie schädlich?". Die "Bravo" hat zwar schon vorher eine Aufklärungsrubrik, doch die kommt bei den Jugendlichen nicht an. Sie erhält kaum noch Leserpost.

Goldstein dagegen weiß, wie sein Publikum tickt: Der studierte Mediziner arbeitet in einer Beratungsstelle für Jugendliche, spricht immer wieder mit Schulklassen über Liebe und Sex und schreibt Aufklärungsbücher.

Als die "Bravo" ihn einlädt die Rubrik zu schreiben, ist Martin Goldstein bereit. Die Antworten von ihm kommen an. Von dem Tag an kommen pro Monat 3.000 bis 5.000 Briefe. In den nächsten 15 Jahren avanciert Goldstein unter dem Pseudonym "Dr. Sommer" zum "Aufklärer der Nation".

Obwohl er durch seine "Sprechstunde" für eine rasante Auflagensteigerung sorgt, mag der seriöse Dr. Goldstein die "Bravo" nicht besonders: Das Umfeld aus Kommerz und Starkult bereitet ihm von Anfang an Unbehagen. Er schreibt unter Pseudonym, weil er sich um seinen Ruf sorgt. Doch Goldstein weiß eben auch, dass er auf diesem Weg sehr viele Jugendliche erreichen kann und denen möchte er helfen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Christiane Kopka:
  • wie "Dr. Sommer" die Jugendlichen einbezieht und so ihr Vertrauen gewinnt,
  • warum Martin Goldstein seine eigene Sexualität als Heranwachsender als Last und nicht Lust erlebt,
  • unter welch unüblichen Bedingungen Martin Goldstein erstmals in seinem Leben eine nackte Frau sieht,
  • welche abenteuerlichen Behauptungen Sittenwächter gegen die Liberalisierung der Sexualaufklärung verbreiten,
  • über welche Fragen das Team herzhaft lachen muss, sie aber trotzdem ernsthaft beantwortet,
  • warum der Kölner Autor Erwin In het Panhuis von einigen Antworten des Beraterteams irritiert ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Martin Goldstein im Deutschlandfunk-Archiv.
  • Heinz-Jürgen Voß, Professor für Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung an der Universität Merseburg.
  • Heinz-Jürgen Voß: Einführung in Sexualpädagogik und Sexuelle Bildung: Basisbuch für Studium und Weiterbildung. Stuttgart 2023.
  • Erwin In het Panhuis: Aufklärung und Aufregung: 50 Jahre Schwule und Lesben in der BRAVO. Archiv der Jugendkulturen, Berlin 2012

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Welches Thema sollen wir im Zeitzeichen recherchieren? Gibt es Kritik oder Lob?
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Das ganze Zeitzeichen-Archiv gibt’s hier.

Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Christiane Kopka
Redaktion: Carolin Rückl und Frank Zirpins
Technik: Theo Kramer

Eine geheime Hochzeit verändert Spanien: Isabella und Ferdinand

Eine geheime Hochzeit verändert Spanien: Isabella und Ferdinand WDR Zeitzeichen 19.10.2024 14:30 Min. Verfügbar bis 20.10.2099 WDR 5

Eine Prinzessin ohne Macht, aber mit viel Machtinstinkt. Ein verliebter Thronfolger im benachbarten Königreich: Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón feiern am 19.10.1469 eine folgenreiche Hochzeit...

Ferdinand und Isabella betrachten die Durchsetzung der religiösen Einheit als eine ihrer zentralen Aufgaben, was zur Verabschiedung des Alhambra-Edikts von 1492 führt. Dieser Erlass zwingt die verbliebenen Mauren und die jüdische Bevölkerung, entweder zum Christentum zu konvertieren oder das Land zu verlassen. Damit führt er zu einer massiven Verfolgung, die die gesellschaftliche und kulturelle Landschaft Spaniens tiefgreifend verändert. *** Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin: Birgit Aschmann, Historikerin


Was wie ein unbedeutendes Ereignis anmutet, ist ein historisch bedeutsamer Schritt in der Geschichte Spaniens: Die heimliche Hochzeit von Ferdinand von Aragón und Isabella von Kastilien im Jahr 1469 ist der Beginn einer entscheidenden politischen Allianz, die die Geschicke Spaniens nachhaltig beeinflusst.

Im Schutz der Nacht schleicht sich der 17-jährige Ferdinand über die Grenze von Aragon nach Kastilien, um die ein Jahr ältere Isabella zu heiraten.

Dabei geht es ihnen weniger um Romantik als um eine strategische Allianz: Die beiden jungen Monarchen vereinen in dieser Nacht nicht nur ihre Territorien, sondern legen auch den Grundstein für ein geeintes Spanien, das den Weg für die Reconquista und die spätere europäische Entdeckung Amerikas ebnet. Die Vereinigung führt zu einer Stärkung der monarchischen Macht - und zu bedeutenden politischen Veränderungen.

Die "Katholischen Könige" regieren fortan mit Entschlossenheit und einem klaren Machtanspruch, der die Geschichte der Neuen Welt für immer verändert und ein ambivalentes Erbe hinterlässt.

In diesem Zeitzeichen erzählt Herwig Katzer:
  • Wie Ferdinand und Isabella die Rückeroberung der iberischen Halbinsel als ihre wichtigste Aufgabe betrachten und welche Bedeutung dies für ihre Herrschaft hat,
  • wie die Vertreibung der Juden und Mauren einen dramatischen Verlust an kulturellem und wirtschaftlichem Wissen für Spanien zur Folge hat,
  • wie die Heiratsallianz die Grundlage für die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus schafft und welche Folgen dies für die indigenen Völker hat.

Das ist unsere wichtigste Interviewpartnerin:
  • Birgit Aschmann, Historikerin und Professorin für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin

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Autorin: Herwig Katzer
Redaktion: David Rother

Hennig Brand: Wenn der Stein der Weisen in der Hose brennt

Hennig Brand: Wenn der Stein der Weisen in der Hose brennt WDR Zeitzeichen 18.10.2024 14:40 Min. Verfügbar bis 19.10.2034 WDR 5

Lässt sich etwa aus Pipi Gold machen? Der Alchemist Hennig Brand macht im Jahr 1669 buchstäblich erleuchtende Experimente und entdeckt dabei: das Element Phosphor.

Phosphor hat auch eine dunkle Vergangenheit. Während des Zweiten Weltkriegs wird es in Brandbomben verwendet, die verheerende Zerstörungen anrichten. Heute sind an deutschen Stränden immer wieder Vorfälle zu verzeichnen, bei denen Phosphorreste angeschwemmt werden und Menschen gefährden. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Thomas Richter, Apotheker, Dr. der Germanistik und Medizin-Geschichte


Im Jahr 1669 macht der deutsche Apotheker Hennig Brand eine bemerkenswerte Entdeckung, die die Wissenschaft revolutioniert: Phosphor.

Eigentlich auf der Suche nach dem sagenumwobenen Stein der Weisen - einem Symbol für die Verwandlung unedler Metalle in Gold - experimentiert Brand mit einer wenig einladenden Quelle: menschlichem Urin. Durch eine aufwendige Destillationsmethode schafft er jedoch eine substanzielle, leuchtende Masse, die sich selbst entzünden kann und in der Geschichte der Chemie bis heute eine bedeutende Rolle spielt.

Trotz seiner bemerkenswerten Entdeckung und der ersten Nutzung des Phosphors in der Herstellung von Streichhölzern gerät Brand schnell in Vergessenheit. Sein Name taucht erst viel später wieder auf, dank des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, der sich auf die Suche nach dem wahren Entdecker macht.

Die Geschichte Brands ist nicht nur die eines chemischen Fortschritts, sondern auch eine von Intrigen und Missverständnissen, die zeigen, wie eng Licht und Schatten in der Geschichte der Wissenschaft miteinander verbunden sind.

In diesem Zeitzeichen erzählt Marko Rösseler:
  • Wie der Alchemist mit menschlichem Urin arbeitet, um Gold zu gewinnen, und dabei Phosphor entdeckt,
  • welche spektakulären Lichtphänomene während Brands Experimenten auftreten,
  • und wie sie seine Entdeckung des "kalten Feuers" beeinflussen,
  • was Phosphor mit Düngemitteln zu tun hat,
  • und welche aktuellen Gefahren von Phosphor-Resten an deutschen Stränden ausgehen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Hermann Peters: Geschichte des Phosphors nach Leibniz und dessen Briefwechsel, Chemiker-Zeitung, Band 26, 1902, S. 1190–1198.
  • Thomas Richter, Apotheker, Dr. der Germanistik und Medizin-Geschichte

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Autor: Marko Rösseler
Redaktion: Christoph Tiegel und Matti Hesse
Technik: Sarah Fitzek

Das geschmuggelte Herz: Todestag von Frédéric Chopin

Das geschmuggelte Herz: Todestag von Frédéric Chopin WDR Zeitzeichen 17.10.2024 14:29 Min. Verfügbar bis 18.10.2034 WDR 5

Frédéric Chopin gilt als Sänger am Klavier - seine Musik vereint Traurigkeit und traumhafte Leichtigkeit. Nach seinem Tod am 17.10.1849 findet das Herz des Komponisten die letzte Ruhe in seiner Heimat Polen.

Frédéric Chopins Leben ist von Krankheit gezeichnet, und sein früher Tod am 17. Oktober 1849, mit nur 39 Jahren beendet ein kurzes, aber intensives künstlerisches Schaffen. In seinen letzten Tagen, erschöpft schwer krank und frustriert verbrennt er seine letzten Manuskripte und Notizen und hinterlässt nur wenige Fragmente. ***Das ist unsere wichtigste Quelle: Eva Gesine Baur: Chopin oder Die Sehnsucht, München 2009.***


Frédéric Chopin, 1810 im polnischen Żelazowa Wola geboren, gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Romantik. Geprägt von Tänzen wie der Mazurka und der Polonaise sind seine Werke tief in der polnischen Volkskultur verwurzelt.

Er schreibt weder Opern noch Sinfonien, doch prägt er die Musikgeschichte nachhaltig. Vor allem seine einzigartigen, feinsinnigen Klavierwerke, die von einer tiefen Emotionalität und einer unvergleichlichen Zartheit geprägt sind. Am besten zur Geltung kommen diese in der Intimität der Pariser Salons.

Chopins musikalische Karriere beginnt früh: Bereits mit sieben Jahren komponiert er seine erste Polonaise. Nach seiner Ausbildung am Warschauer Konservatorium zieht er 1831 nach Paris, wo er den Rest seines Lebens verbringt. In der französischen Hauptstadt findet Chopin nicht nur seine künstlerische Heimat, sondern wird auch von prominenten Zeitgenossen wie Franz Liszt und Robert Schumann geschätzt.

Obwohl Chopin nie nach Polen zurückkehrt, bleibt seine Musik zutiefst von seiner Herkunft geprägt. Seine Werke, darunter die berühmten Nocturnes, Préludes und Etüden, zeichnen sich durch eine intime und oft melancholische Stimmung aus, die seine Sehnsucht nach der Heimat widerspiegelt. Bis zuletzt gilt der Satz des polnischen Dichters Cyprian Kamil Norwid: "Dem Herzen nach ein Pole, dem Talent nach ein Weltbürger". Seine zerbrechliche Gesundheit setzt dem außergewöhnlichen Schaffen eines der größten Komponisten der Romantik viel zu früh ein Ende.

In diesem Zeitzeichen erzählt Hildburg Heider:
  • wieso Chopins Herz nach dessen Tod heimlich von Paris nach Warschau geschmuggelt wird,
  • welche Rolle traditionelle polnische Tänze wie die Polonaise und Mazurka in Chopins Werken spielen, und
  • wie sie seinem Schaffen den unverwechselbaren Charakter verliehen,
  • wie Chopin sich von seinem geliebten Polen verabschiedet, bevor er in die Fremde geht,
  • warum er dabei eine kleine Kiste mit polnischer Erde mitnimmt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Eva Gesine Baur: Chopin oder Die Sehnsucht, München 2009.
  • Adam Zamoyski: Chopin: Der Poet am Piano, München 2010.
  • Christoph Rueger: Frédéric Chopin: seine Musik – sein Leben, Berlin 2009.

Und das sind unsere Interviewpartner:
  • Alexander Krichel, Pianist
  • Andrzej Sulek, Musikwissenschaftler
  • Evgeni Kissin, Musiker
  • Piotr Rutkowski, Priester
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Autorin: Hildburg Heider
Redaktion: Frank Zirpins
Technik: Thomas Bleul

Oscar Wilde: Genie mit größtem Witz und tiefster Tragik

Oscar Wilde: Genie mit größtem Witz und tiefster Tragik WDR Zeitzeichen 16.10.2024 14:44 Min. Verfügbar bis 17.10.2099 WDR 5

Ein wirklich witziger Schriftsteller, ein Dandy, ein Rebell im prüden viktorianischen England: Am 16.10.1854 wird Oscar Wilde geboren.

Oscar Wilde ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Ein Schriftsteller, der die Wörter tanzen lässt wie ein Feuerwerk die Funken. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Norbert Lennartz, Professor für Anglistik, Universität Vechta***


Oscar Wilde stammt aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus, die Mutter ist eine Individualistin, sie nennt sich selbst "Speranza", das heißt Hoffnung. Sie hat literarische Ambitionen, unterhält einen Salon und liebt extravagante Kostüme.
In ihrem Salon begegnet der junge Oscar Künstlerinnen und Schriftstellern. Er studiert zunächst in Dublin, dann in Oxford. Ab 1887 entstehen seine literarischen Meisterwerke: Etwa seine Theaterstücke "Salomé", "Ein idealer Gatte" und "Bunbury - Ernst sein ist alles". Wilde schreibt Essays und sein berühmtes Buch "Das Bildnis des Dorian Gray".

Darin verführt der Dandy Lord Henry Wotton als Mephistogestalt den faszinierend schönen Dorian dazu, seine Jugend rücksichtslos auszuleben und stattdessen sein von einem Maler geschaffenes Bildnis altern zu lassen. Dorian Gray ist bereit, einen hohen Preis für die ewige Jugend zu zahlen. "Dorian Gray" schockiert das damalige England noch auf eine andere Weise: Oscar Wilde lässt im Text Homosexualität mitschwingen.

Er selbst hat zahlreiche Verhältnisse mit jungen Männern. Seine Liebe zu Alfred Lord Douglas aber läutet seinen Untergang ein. Der Vater des Lords beschuldigt Wilde der "Sodomie", wie homosexuelle Handlungen damals diffamierend genannt werden. Oscar Wilde wehrt sich mit einer Ehrenbeleidigungsklage. Ein sinnloses Aufbäumen auf juristisch wackligen Beinen - und erfolglos.

Im Mai 1895 wird Wilde zu zwei Jahren Zuchthaus mit harter Zwangsarbeit wegen "homosexueller Unzucht" verurteilt. Der Genussmensch verschwindet hinter den dicken Mauern des berüchtigten Gefängnisses Reading Gaol. Als Wilde nach zwei Jahren frei kommt, ist er gesundheitlich, finanziell und gesellschaftlich ruiniert, und als Künstler getilgt. Oscar Wilde existiert nicht mehr.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Klasen:
  • warum Oscar Wilde seine irische Heimat verlässt und nach London zieht,
  • was Oscar Wilde dazu bewegt, die Amerikaner in Sachen Stil und Manieren zu belehren,
  • wie Wilde im "Gespenst von Canterville" die traditionslosen Amerikaner parodiert,
  • wie Wilde in seinem letzten Werk seine Zeit im Zuchthaus verarbeitet.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:

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Autorin: Andrea Klasen
Redaktion: David Rother
Technik: Sarah Fitzek

Die Erfindung des Countdowns am 15.10.1929

Die Erfindung des Countdowns am 15.10.1929 WDR Zeitzeichen 15.10.2024 14:12 Min. Verfügbar bis 16.10.2099 WDR 5

Zum ersten Mal wird 1929 nachweislich ein Countdown verwendet - im Film "Frau im Mond" des deutschen Regisseurs Fritz Lang. Bei echten Raketenstarts wird die Idee dann übernommen...

Countdowns sind aus unserer heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Das laute Rückwärtszählen steigert die Spannung. Erfunden hat den Countdown aber kein Raketenbauer, sondern wahrscheinlich der Regisseur Fritz Lang. Er setzt ihn erstmals in seinem Stummfilm "Die Frau im Mond" ein - als dramaturgisches Mittel. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Daniel Mellem, Autor und Physiker


Im Film "Frau im Mond" von Regisseur Fritz Lang startet die Rakete "Friede" mit einigen Menschen an Bord Richtung Mond. Kurz vor dem Zünden der Triebwerke wird der Bildschirm schwarz und ein Schriftzug erscheint: "Noch zehn Sekunden!" Wenig später dann: "Noch sechs Sekunden!" Ab drei Sekunden vor dem Start ist nur noch die Zahl zu sehen. Am Ende steht in Großbuchstaben das Wort "JETZT". Dann hebt die Rakete ab.

Mit seiner Idee rückwärts bis Null - oder in diesem Fall bis "Jetzt" - zu zählen, erfinden Lang und sein wissenschaftlicher Berater quasi nebenbei einen dramaturgischen Standard, der noch heute bei jedem Raketenstart den Höhepunkt darstellt: Den Countdown. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass der Stummfilm "Frau im Mond" seine Premiere am 15. Oktober 1929 feiert, also fast 15 Jahre vor dem ersten Flug einer Rakete in den Weltraum.

Bis dahin zählte man in der Science-Fiction-Literatur und auf ersten Testgeländen entweder gar nicht oder einfach bis zu einem festgelegten Zeitpunkt. Doch da wisse das Publikum ja nicht, wann es losgeht, meint Lang. Nur wenn rückwärts gezählt wird, könne Spannung erzeugt werden. Wahre Worte.

Damit ist der Siegeszug des Countdowns nicht mehr aufzuhalten. Spätestens 1969 zählt dann die ganze Welt von zehn bis null herunter, als sich von Cape Canaveral aus drei Männer auf den Weg zum Mond machen. Der Rest ist Geschichte.

In diesem Zeitzeichen erzählt Ralph Erdenberger:
  • Wie Physiker Hermann Oberth mit seinem Raketenwissen bei der Filmproduktion hilft,
  • was ein Kameramann mit der Erfindung des Countdowns zu tun hat,
  • wie sich die Nationalsozialisten, aber auch unzählige Regisseure, die Sportwelt und letztlich die gesamte Menschheit den Countdown zu Nutze machen,
  • warum ein Countdown technisch sinnvoll ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Daniel Mellem, Autor und Physiker
  • Daniel Mellem: "Die Erfindung des Countdowns" (2020)

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Autor: Ralph Erdenberger
Redaktion: David Rother

Der Kölner in Hollywood: Udo Kier wird 80

Der Kölner in Hollywood: Udo Kier wird 80 WDR Zeitzeichen 14.10.2024 14:40 Min. Verfügbar bis 15.10.2099 WDR 5

Unheimlich schön wirkt er in jeder Rolle, ob als Drag Queen, Dracula oder Hitler: der Schauspieler Udo Kier. Am 14.10.1944 wird er geboren. In einen Bombenangriff hinein.

Er ist einer der wenigen deutschen Hollywood-Stars: Seit den 1960er-Jahren ist Udo Kier in über 250 Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. Oft glänzt er in skurrilen Nebenrollen. ***Das ist unsere wichtigste Quelle und Empfehlung: Film-Doku "Der wunderbare Udo Kier" in der ARTE-Mediathek***


Udo Kier wird am 14. Oktober 1944 in Köln geboren. Kurz danach gibt es einen Bombenangriff. Auch das Krankenhaus wird getroffen. Kier und seine Mutter haben Glück. Sie werden zwar verschüttet, aber der Mutter gelingt es, sich und den Neugeborenen zu befreien. Kier wächst mit seiner alleinerziehenden Mutter auf.

80 Jahre später hat Udo Kierspe - wie er bürgerlich heißt - Kultstatus als Charakterschauspieler und Trash-Gott.

Zunächst lernt er aber den Beruf des Großhandelskaufmanns und arbeitet bei Ford am Band. Sein Aussehen und die türkisfarbenen, durchdringenden Augen sind wie geschaffen für Hollywood. Bis er dort Erfolg als Schauspieler hat, dauert es aber noch einige Zeit.

Zunächst geht er nach London, schlägt sich dort als Kellner durch und besucht abends die Schauspielschule. Bald spielt er in Horror- und Trash-Filmen mit, die Titel tragen wie "Hexen bis aufs Blut gequält". Kier spielt in Filmen, die mit B-Movie-Ironie vermarktet werden: Zur Kinokarte wird auch mal direkt eine Tüte bei aufkommenden Brechreiz verkauft.

1991 gelingt Udo Kier als "Hans" in "My Private Idaho" an der Seite von River Phoenix und Keanu Reeves der Durchbruch in den USA. Kier wird ein Weltstar und dreht mit großen Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders, Werner Herzog, Christoph Schlingensief, Gus van Sant, Lars von Trier und Quentin Tarantino.

Anfang der 1990er-Jahre zieht Kier von Köln nach Kalifornien und lebt dort in einem Haus in Palm Springs.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:
  • warum Udo Kier seinen Vater nur am Telefon kennenlernt,
  • warum Kier nicht der "Vampir vom Dienst" sein will,
  • wie Kier in einer Kneipe am Kölner Neumarkt Rainer Werner Fassbinder trifft,
  • warum herrenlose Hunde in Palm Springs Udo Kier besonders mögen.

Das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • ARD Archiv
  • Exklusive WDR-Interviews 2023 und 2024

Unsere Empfehlung:

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Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Christoph Tiegel und David Rother
Technik: Alexander Buske

Seemann, Sklave, Schatzmeister im Orient: Hark Olufs Abenteuer

Seemann, Sklave, Schatzmeister im Orient: Hark Olufs Abenteuer WDR Zeitzeichen 13.10.2024 15:16 Min. Verfügbar bis 14.10.2099 WDR 5

Von der Insel Amrum nach Algerien, von Piraten versklavt und reich zurückgekehrt: Das Leben von Hark Olufs (gestorben am 13.10.1754) liest sich wie ein friesisches Märchen aus 1001 Nacht...

Hark Olufs ist 15 Jahre alt, als sein Schiff 1724 von türkischen Piraten gekapert wird. Er wird nach Algier entführt und als Sklave an einen Provinzfürsten verkauft. Dort macht er eine erstaunliche Karriere. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Jens und Georg Quedens (Ur-Ur-Enkel von Hark Olufs); Martin Reinheimer (Autor)


Amrum ist karg. Darum müssen im 18. Jahrhunderte viele Bewohner die Insel verlassen, um über die Runden zu kommen. Die Hälfte der damals knapp 600 Amrumer lebt von der Seefahrt. Dazu gehört auch Hark Olufs, der 1708 geboren wird. Er ist zwölf Jahre alt, als er sich von seinen Eltern verabschiedet und sich zum Schiffsjungen ausbilden lässt.

1724 fährt der 15-jährige Hark auf der "Hoffnung". Der Dreimaster nimmt in Nantes Ladung auf und segelt nach Hamburg. Doch gut 40 Kilometer vor der Südwestspitze Englands wird das Schiff von türkischen Piraten gekapert. Sie schleppen die "Hoffnung" bis nach Algier. Dort wird Hark als Sklave verkauft und landet bei einem Provinzfürsten.

Es ist Kalyan Hassan, der Bey von Constantine. Er schätzt an Hark Olufs offenbar dessen Treue und Begabungen. Nach etwa dreieinhalb Jahren wird Hark zum Schatzmeister ernannt. Er reist mit seinem Herrn durch das Land und treibt Steuern ein.

Als Hark 22 Jahre alt ist, ernennt ihn der Bey zum Befehlshaber der Leibgarde. Mit dem Geld, das er für seine Dienste erhält, kann sich Hark Olufs schließlich freikaufen. 1736 trifft er in Hamburg ein, wo sein Vater auf ihn wartet.

In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Meyer:
  • Zu welchem Preis die Piraten Hark Olufs auf dem Sklavenmarkt verkaufen,
  • was eine "Sklavenkasse" ist,
  • warum der Vater von Hark Olufs einen falschen Jungen freikauft,
  • welche dunklen Punkte es in der Biografie von Hark Olufs gibt,
  • weshalb er den Bey nach gut zwölf Jahren unbedingt verlassen muss.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Jens und Georg Quedens (Ur-Ur-Enkel von Hark Olufs)
  • Martin Reinheimer (Autor)
  • Martin Reinheimer: Der fremde Sohn - Hark Olufs Wiederkehr aus der Sklaverei. Neumünster 2007
  • Martin Reinheimer (Hg.): Hark Olufs' Autobiographie. Deutsche Übersetzung. Flensburg 1751
  • Udo Weinbörner: Der General des Bey - Das abenteuerliche Leben des Amrumer Schiffsjungen Hark Olufs. Bad Honnef 2010

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Autor: Wolfgang Meyer
Redaktion: David Rother

Die Buchela: Bekannteste Wahrsagerin im Nachkriegsdeutschland

Die Buchela: Bekannteste Wahrsagerin im Nachkriegsdeutschland WDR Zeitzeichen 12.10.2024 14:47 Min. Verfügbar bis 13.10.2099 WDR 5

Es gab viele Politiker und Prominente, die angeblich bei ihr Rat suchten: Die Wahrsagerin Margaretha Goussanthier, bekannt als die Seherin von Bonn (geboren am 12.10.1899).

Ihren Durchbruch als Seherin von Bonn hat Madame Buchela 1953. Die Wahlen zum zweiten Deutschen Bundestag stehen an. Umfragen sehen die SPD-Opposition deutlich vorn. Doch Margarethe Goussanthier behält mit ihrer Vorhersage Recht: Die regierende CDU gewinnt die Wahl. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen: Monika Littau (Schriftstellerin und Autorin); Marie-Therese Feist (Historikerin und Kuratorin einer Ausstellung zur Wahrsagerei in Europa und Ostasien) ***


Madame Buchela, mit bürgerlichem Namen Margaretha Goussanthier, beginnt ihre Karriere als Wahrsagerin in der frühen Bundesrepublik. Es ist eine Zeit, in der die Gesellschaft mit vielen Unsicherheiten befasst ist.

Auch Politiker nehmen angeblich ihre Dienste in Anspruch. Beweise gibt es dafür allerdings nicht. Das findet alles sehr diskret statt.

In den 1960er- und 1970er-Jahren ist die Buchela die berühmteste Wahrsagerin der Bundesrepublik. Margaretha Goussanthier lebt seit 1961 in Remagen am Rhein.

Das kleine Häuschen vererben ihr zwei dankbare ältere Schwestern, die bei ihr Kundinnen gewesen sind. Sie, die Sintezza, die "Zigeunerin", wie sie sich selbst nennt, ist nun endgültig sesshaft geworden.

Ihren Durchbruch als Seherin von Bonn hat die Buchela, als 1953 der zweite deutsche Bundestag gewählt wird. Umfragen sehen die SPD-Opposition deutlich vorn.

Bundeskanzler Konrad Adenauer bangt um seine Wiederwahl. Doch die Buchela sagt einen Wahlsieg der regierenden CDU voraus - der dann auch tatsächlich eintritt.

Buchela verdient gut mit ihrer Wahrsagerei, oder besser gesagt ihrer "psychologischen Lebensberatung". Sie stirbt am 8. November 1986 im Alter von 87 Jahren. Ihre Beerdigung in Remagen ist ein großes Ereignis. So viele Gäste hat man dort zu einer Beerdigung noch nie gesehen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Andrea Kath:
  • welche Rolle eine Buche bei der Namensgebung für Madame Buchela spielt,
  • auf welch tragische Weise sie erste Erfahrungen mit der Hellsichtigkeit macht,
  • wie der französisch klingende Name des Ehemanns Madame Buchela möglicherweise das Leben rettet,
  • wie Madame Buchela in einer DDR-Dokumentation als "Bundeswahrsagerin" dargestellt wird,
  • dass Vorhersagen sportlicher Ergebnisse nicht so ihr Metier sind,
  • warum Madame Buchela die letzten Monate ihres Lebens unter Polizeischutz steht.

Das sind unsere wichtigsten Interviewpartnerinnen:
  • Monika Littau, Schriftstellerin und Autorin
  • Marie-Therese Feist, Historikerin und Kuratorin einer Ausstellung zur Wahrsagerei in Europa und Ostasien

Und das sind unsere wichtigsten Quellen:
  • Madame Buchela: Ich aber sage euch. Das Vermächtnis einer großen Seherin. München 1983
  • Monika Littau: Die sehende Sintiza: Buchela - Pythia von Bonn. Zell-Mosel 2020.

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Autorin: Andrea Kath
Redaktion: Matti Hesse

Der große Sturm 1634: Die Nordsee verschlingt die Insel Strand

Der große Sturm 1634: Die Nordsee verschlingt die Insel Strand WDR Zeitzeichen 11.10.2024 13:48 Min. Verfügbar bis 12.10.2099 WDR 5

Ein verheerende Sturmflut zerreißt am 11.10.1634 die damals größte deutsche Nordsee-Insel Strand. Auf der soll sich Jahrhunderte zuvor auch Rungholt befunden haben, das mythische "Altlantis der Nordsee"...

Mehr als zwei Drittel der nordfriesischen Bevölkerung fallen am 11. Oktober 1634 einer Flutkatastrophe zum Opfer. Die Wassermassen zerreißen die Insel Strand vor Husum in zwei Teile. Die gesamte Küste von Nordfriesland wird verändert. Heute schätzt man, dass damals bis zu 15.000 Menschen starben. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Ralph Weisse, Leiter der Abteilung Küstenklima am Helmholtz Zentrum Hereon in Geesthacht


Der Name der einst größten deutschen Nordseeinsel weist auf die Herkunft als ehemaliger Teil der Küste hin: Strand. Sie ist vor der Küste Husums durch mehrere Sturmfluten abgeschnitten vom Festland und durch Deiche befestigt. Im Jahr 1198 wird die Insel erstmals urkundlich erwähnt.

Der Inselboden muss ständig entwässert werden, doch das scheint sich zu lohnen: Die Menschen von Strand sind wohlhabend. Besonders reich sollen die Bewohner der Strander Siedlung Rungholt sein. Deren Übermut führt angeblich 1362 dazu, dass der Pfarrer des Ortes sie verflucht und damit eine schwere Sturmflut heraufbeschwört, die tausende Strander das Leben kostet.

Nach der "Groten Mandränke" ("Der großen Menschenertränkung") von 1362 erlebt die Insel Strand weitere Sturmfluten. Doch die verheerendste trifft sie mitten im Dreißigjährigen Krieg. Und wieder soll ein Fluch daran Schuld sein.

Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottdorf, zu dessen Herzogtum Strand gehört, will auf der Insel zwei Kompanien zum Schutz vor den kaiserlichen Truppen einquartieren. Doch die Strander widersetzen sich. Aus Wut soll der Herzog die aufmüpfigen Inselbewohner verflucht haben.

Am Samstag, den 11. Oktober 1634, wird die Insel von einem mächtigen Sturm und einer Springflut getroffen. Die Menschen flüchten auf die Dächer ihrer Häuser, doch unter der Wucht des Sturms zerbrechen diese oder werden durch aufgewirbeltes Kaminfeuer entzündet.

Wieder sterben tausende Menschen an der Küste Nordfrieslands, mehr als 6.000 allein auf der Insel Strand - zwei Drittel der Strander Bevölkerung. Hinzu kommen über 50.000 Nutztiere, die in den Fluten zugrunde gehen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Daniela Wakonigg:
  • Wie ein betrunkenes Schwein 1362 angeblich zum Auslöser einer schweren Sturmflut wird,
  • warum der Ort Rungholt auch "Atlantis der Nordsee" genannt wird,
  • aus welchen Naturereignissen sich eine Sturmflut zusammensetzt,
  • was nach der schweren Sturmflut von 1634 noch von der Insel Strand übrig bleibt,
  • warum neben Sturmfluten inzwischen auch der Klimawandel eine Bedrohung für die Nordseeinseln ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Ralph Weisse, Leiter der Abteilung Küstenklima am Helmholtz Zentrum Hereon in Geesthacht
  • Ralf Clausen, dessen Familie seit Jahrhunderten auf der nordfriesischen Insel Pellworm lebt
  • Die erschreckliche Wasser-Fluth 1634. Die Flut vom 11. Oktober 1634 und ihre Folgen nach zeitgenössischen Berichten und Dokumenten mit einer Darstellung über den Einfluss der Sturmfluten auf die historische Entwicklung des nordfriesischen Küstenraumes. Hrsg. im Auftrage des Nordfriesischen Vereins für Heimatkunde und Heimatliebe von Andreas Reinhardt. Heimatkundliche Schriften des Nordfriesischen Vereins Heft 9. Husum 1984
  • Robert Brauer, André Wilckerling, Cornelia Mertens: Im Meer vergangen. Rungholt und die Insel Strand. 2009
  • Hellmut Bahnsen, Robert Brauer, Cornelia Kost: Im Meer versunken. Rungholt, die Insel Strand und das geheimnisvolle Abalus. Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, Husum 2014

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Daniela Wakonigg
Redaktion: David Rother
Technik: Moritz Raestrup

Wettlauf gegen die Zeit: Die Schwalbenrettung von 1974

Wettlauf gegen die Zeit: Die Schwalbenrettung von 1974 WDR Zeitzeichen 10.10.2024 15:43 Min. Verfügbar bis 11.10.2099 WDR 5

Herbst 1974: Der plötzliche Wintereinbruch kommt für mehrere Millionen Schwalben unerwartet: Zu geschwächt für ihre Reise nach Süden schauen sie dem sicheren Tod entgegen.

Rolf Gogné aus Bruchköbel-Roßdorf bei Hanau gehört zu den ersten Vogelschützern, die Alarm schlagen. Sie organisieren Flüge unter anderem mit der Lufthansa und bewahren damit die Tiere vor dem drohenden Massentod. Rund zwei Millionen Schwalben werden über die Alpen transportiert. *** Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Rolf J.A. Gogné (Vogelschützer und Mitinitiator der Schwalbenrettung 1974)***


Es ist ungemütlich in Mitteleuropa im Herbst 1974: Ein von Meteorologen und Schwalben gleichermaßen unerwarteter, plötzlicher Einbruch des Winters. Normalerweise machen sich die Vögel zwischen Ende August und Anfang Oktober auf den Weg nach Süden. Zuvor fressen sie Fluginsekten und tanken so die nötige Energie für die lange Reise.

Doch dieses Mal ist die Natur durcheinander. Landwirte melden bei Vogelschützern haufenweise Rauchschwalben und Mehlschwalben, die sich in den Ställen sammeln und nicht losfliegen. Die frühe Kälte hat die Insekten getötet - die Schwalben haben keine Chance, Energiepolster anzulegen. Die ersten Tiere sterben.

Rolf Gogné aus Bruchköbel-Roßdorf bei Hanau gehört damals zu den ersten, die das Ausmaß der Schwalben-Katastrophe erkennen. Er trommelt alle Vogelschützer zusammen, die er kennt. Schließlich spricht sich die Schwalbenrettungsaktion deutschlandweit herum.

Bald starten Flugzeuge von Frankfurt am Main, Echterdingen bei Stuttgart, aus dem Saarland, Baden-Württemberg und der Schweiz. Insgesamt werden wohl fast zwei Millionen Schwalben transportiert. Aber nicht alle Schwalben fliegen in den Süden, manche reisen - etwa von Freiburg aus - per Bahn über die Alpen.

In diesem Zeitzeichen erzählt Wolfgang Meyer:
  • warum es normalerweise schwierig ist, Mehlschwalben einzufangen,
  • womit die Vogelschützer die abgemagerten Tiere für den Flug aufpäppeln,
  • wie viele Maschinen allein von Frankfurt am Main nach Genua fliegen,
  • wie die Schwalben von Italien aus mit eigener Kraft weiter nach Afrika ziehen,
  • welche kritischen Reaktionen es 1974 auf die Rettungsaktion gibt.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Rolf J.A. Gogné (Vogelschützer und Mitinitiator der Schwalbenrettung 1974)
  • Rolf J.A. Gogné: Ich flog mit den Schwalben. In: Wir und die Vögel, Heft 1/1975. S. 18

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Wolfgang Meyer
Redaktion: Matti Hesse

Geheimnisvolle Zeitreise: Die Weltkarte des Piri Re'is von 1513

Geheimnisvolle Zeitreise: Die Weltkarte des Piri Re'is von 1513 WDR Zeitzeichen 09.10.2024 14:50 Min. Verfügbar bis 10.10.2034 WDR 5

Am 9.10.1929 machten Forscher eine verblüffende Entdeckung: Eine Karte aus dem Jahr 1513, die bereits Teile der Welt zeigt, die zu der Zeit noch gar nicht entdeckt waren.

Mit seinem Bestseller "Erinnerungen an die Zukunft" macht Erich von Däniken 1968 die Weltkarte von Piri Reis weltberühmt. Seine Behauptung, Außerirdische hätten dafür Fotos aus dem Weltall zur Verfügung gestellt, mögen allerdings nicht alle glauben. Zumal es plausiblere Erläuterungen gibt. *** Das sind unsere wichtigsten Interviewpartner: Tobias Trebesius (Geschichtsblogger); Peter Mesenburg (emeritierter Professor für Kartografie und Geodäsie, Universität Duisburg/Essen)


Für Erich von Däniken gibt es nur eine Antwort: Die Weltkarte, die der osmanische Admiral Piri Reis 1513 erstellt hat und auf der scheinbar überraschend detailliert Südamerika und die Antarktis eingetragen sind, muss auf Luftaufnahmen basieren. Nur Außerirdische seien damals in der Lage gewesen, die Küstenlinie aus großer Höhe zu fotografieren.

Doch es gibt auch rationale Erklärungen für viele der Rätsel um die Entstehung der Karte, die nicht komplett erhalten ist. Gezeichnet auf Pergament aus Kamelhaut, zeigt das Fragment auf einer Fläche von 85 mal 60 Zentimetern die Westküsten von Europa und Afrika, den Atlantik und die Ostküste Amerikas.

Auf der Karte sind rund 20 unterschiedliche Karten aufgeführt, die zur Konstruktion dieser Weltkarte beigetragen haben sollen. Unter anderem auch eine angebliche Karte von Kolumbus und anderen weniger bekannten Seefahrern.

In diesem Zeitzeichen erzählt Martin Herzog:
  • Wie Piri Reis mithilfe seines Onkels angeblich an eine Karte von Kolumbus kommt,
  • wie Paul Kahle, Spezialist für alte Handschriften, die verschollene Weltkarte von Piri Reis entdeckt,
  • wer als Erster behauptet, die Karte basiere möglicherweise auf Luftaufnahmen prähistorischer Flugzeuge,
  • wie genau die Karte tatsächlich ist,
  • welche Rätsel um die Karte heute noch immer existieren.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:
  • Tobias Trebesius (Geschichtsblogger)
  • Peter Mesenburg (emeritierter Professor für Kartografie und Geodäsie, Universität Duisburg/Essen)
  • Susanne Billig: Die Karte des Piri Reis - Das vergessene Wissen der Araber und die Entdeckung Amerikas. München, 2017
  • Erich von Däniken: Erinnerungen an die Zukunft - Ungelöste Rätsel der Vergangenheit. Düsseldorf, 1968

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Die Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autor: Martin Herzog
Redaktion: Matti Hesse

Der Populist von Rom: Aufstieg und Fall des Cola di Rienzo

Der Populist von Rom: Aufstieg und Fall des Cola di Rienzo WDR Zeitzeichen 08.10.2024 13:33 Min. Verfügbar bis 09.10.2099 WDR 5

Ein Freiheitskämpfer. Ein früher Faschist, sagen andere. Am 8.10.1354 wird der Volkstribun Cola die Rienzo ermordet, nachdem er dem verfallenen Rom zu neuer Größe verholfen hatte...

Cola di Rienzo ist das Paradebeispiel eines Volksführers. Er ist besessen von Macht und will mit den überkommenen Eliten Schluss machen. Gut 500 Jahre später wird er so auch zum Vorbild von Adolf Hitler. Der NS-Diktator ist überwältigt vom Aufstieg di Rienzos, der wie Hitler selbst aus einfachen Verhältnissen stammt. ***Das ist unser wichtigster Interviewpartner: Andreas Rehberg, Mittelalter-Experte am Deutschen Historischen Institut in Rom ***


Einfach ist es nicht, die historische Rolle von Cola di Rienzo zu bewerten. Für Richard Wagner, der den italienischen Gastwirtssohn zur Titelfigur seiner Oper macht, ist di Rienzo ein Freiheitskämpfer mit guten Absichten, der den Intrigen seiner Gegner und seiner eigenen Volksverbundenheit zum Opfer fällt. Historiker sehen in ihm heute eher einen Populisten, der das Elend der Bevölkerung ausnutzt, um mit autokratischen Mitteln seine Macht auszubauen.

Der Aufstieg des Volkstribunen beginnt mit der Analyse der Zustände, in die er hineingeboren wird. Als Cola di Rienzo im Jahr 1313 in Rom das Licht der Welt erblickt, hat seine Heimatstadt viel von ihrem Glanz als einstige Hauptstadt der Welt eingebüßt. Weite Teile des Stadtgebiets sind entvölkert, Monumente wie der Circus Maximus verfallen. Di Rienzo ergreift den Notar-Beruf - und setzt sich ein Ziel. Das lautet: "Make Rome great again!"

Mit Hilfe der Kirche steigt er zum einflussreichen Politiker auf, stürzt 1347 die adlige Senatsherrschaft und versucht, als selbsternannter Tribun eine volksnahe, an alte römische Traditionen anknüpfende Herrschaft zu errichten. Doch sein Plan scheitert, als das Volk und die Wirtschaftsbosse von Rom ihm die Gefolgschaft versagen. Ende 1347, nach nur sieben Monaten, flieht di Rienzo aus der Stadt und führte ein Eremitendasein in den Bergen.

Unerwartet bekommt er 1354 eine zweite Chance, in Rom für Ordnung zu sorgen - die er letztlich mit dem Leben bezahlt. Cola di Rienzo regiert selbstherrlicher denn je, bis er schließlich vollkommen isoliert ist. Am 8. Oktober 1354 wird er von einer aufgebrachten Volksmenge regelrecht massakriert.

In diesem Zeitzeichen erzählt Michael Struck-Schloen:
  • warum Cola di Rienzo zum Vorbild Adolf Hitlers wird,
  • von den mafiösen Zuständen im Rom des frühen 14. Jahrhunderts,
  • wie di Rienzo die Rolle der Frau sieht,
  • von der Wiederentdeckung Cola di Rienzos in der Musik des 19. Jahrhunderts.

Das ist unser wichtigster Interviewpartner:
  • Andreas Rehberg, Mittelalter-Experte am Deutschen Historischen Institut in Rom

Weiterführende Links:

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Autor: Michael Struck-Schloen
Redaktion: David Rother
Technik: Jürgen Beiner