51 Jahre lang mit dem Rad um die Welt

Lokalzeit aus Dortmund 27.07.2023 04:58 Min. Verfügbar bis 27.07.2025 WDR Von Max Meis

51 Jahre mit dem Fahrrad um die Welt

Stand: 27.07.2023, 14:36 Uhr

Heinz Stücke gilt als der meist-gereiste Mann der Welt. Auf einem simplen Fahrrad mit Stahlrahmen und Dreigangschaltung verließ er 1962 seinen Geburtsort Hövelhof in Ostwestfalen und kehrte erst 51 Jahre später zurück.

Von Max Meis

"Als ich losfuhr hatte ich nicht geplant, so lange unterwegs zu sein. Aber irgendwann wollte ich immer noch ein Land und noch ein Land sehen. Dann wurde die Reise zu meinem Lebensinhalt", sagt Heinz Stücke.

Heinz Stücke

Heinz Stücke mit 83 Jahren

Heute ist er 83 Jahre alt und wohnt in einer kleinen Wohnung in Hövelhof, die ihm die Gemeinde stellt. Vor zehn Jahren ist er hier eingezogen, das erste eigene Zuhause in seinem Leben. Bis dahin schlief er in Zelten, Herbergen und bei Gastgebern auf der ganzen Welt.

Ein Leben in Erinnerungen

Und die Reise ist immer noch sein Lebensinhalt. Seine Wohnung ist zu einem Museum geworden. Gegenstände, Briefe, Fotos und Tagebücher zieren die Wände oder sind fein säuberlich in Regale sortiert. Was er auf seiner Reise entdeckte, versuchte er für sich festzuhalten.

Heinz Stückes Fahrrad mit Gepäck.

Er schickte alles nach Hause zu seiner Schwester, die die Dinge aufbewahrte. 21 komplett vollgestempelte Reisepässe; Uhren, die am Straßenrand lagen oder alle Mützen, die er in 51 Jahren trug. Und natürlich sein Fahrrad! Das steht in seinem Wohnzimmer, bemalt, mit all den Orten, die Heinz besucht hat. "Meine Jugendfreunde haben ihr Leben lang in Fabriken oder Büros gearbeitet. Sie haben Häuser gebaut, geheiratet und Kinder und Enkelkinder bekommen. Ich habe meine Reise, das ist das, was bleibt."

Jagd nach Rekorden

Sein Körper ist gezeichnet von 648.000 Kilometern auf seinem Fahrrad. Er kann sich nur mühsam bewegen, mit einem Rollator oder seinem elektrischen Rollstuhl. 196 Länder und 86 Territorien hat er bereist. Mit seiner langen Reise schaffte er es sogar in das Guinness-Buch der Weltrekorde.

Unter Globetrottern ist Heinz längst eine Legende. Und, seit ein Dokumentarfilm über ihn erschienen ist, hat er Fans auf der ganzen Welt. "Es ist die Anerkennung, nach der ich immer gesucht habe. Ich freue mich über die Wertschätzung und fühle eine große Verantwortung, all den jungen Menschen gegenüber, die zu mir aufschauen", sagt er.

Ein Buch über eine lebende Legende

Auch der amerikanische Journalist Ryan Anderson hörte von Heinz Stücke, als er selbst mit dem Fahrrad die Welt bereiste. Andere Reisende erzählten ihm von dem Mann, der 51 Jahre unterwegs war. Ryan wollte ihn unbedingt kennenlernen und besuchte Heinz Stücke in Hövelhof.

Die Geschichte, das Museum und die vielen Dokumente packten den Texaner so sehr, dass er sich entschloss eine Biografie über den legendären Weltreisenden zu schreiben. Er zog nach Ostwestfalen und besucht Heinz Stücke seit zwei Jahren jede Woche. Gemeinsam arbeiten sie alles auf, suchen Zeitzeugen, Wegbegleiter oder einfach Menschen, die Heinz auf seiner Reise getroffen haben.

Die Familie wartete vergeblich auf Heinz

Heinz Stücke

Fahrradlegende Heinz Stücke unterwegs

So beeindruckend und spannend das Leben von Heinz Stücke auch ist, es forderte auch eine hohe Opferbereitschaft ein. Heinz Eltern und Geschwister hofften immer, dass er endlich nach Hause kommen würde. Aber der Sohn und Bruder vertröstete sie immer aufs nächste Jahr, weil er noch Länder auf seiner Liste hatte, die er unbedingt sehen wollte.

Seine Mutter Maria und Vater Fritz starben beide, ohne ihren Sohn wieder zuhause begrüßen zu dürfen. Auch bei ihren Beerdigungen war Heinz nicht dabei. Er besuchte erst die Grabstelle, als er seine Reise nach 51 Jahren beendete. "Ich hatte nur meine Reise im Kopf, wollte Rekorde jagen und alle Länder sehen. Dass ich sie immer auf das nächste Jahr vertröstet habe, war meine Ausrede, nicht nach Hause zu kommen."

Trotzdem war für Heinz Stücke immer klar, dass der kleine Ort Hövelhof zwischen Bielefeld und Paderborn seine Heimat ist, in die er eines Tages zurückkehren würde. Da er in 51 Jahren nie sesshaft wurde, entwickelte er auch für keinen Ort, für kein Land ein Heimatgefühl.

Der Traum von einem Museum

Heute ist seine Heimat-Gemeinde stolz auf ihren berühmten Sohn. Der hat zwar keine Familie gegründet, bekommt aber Besuch von Reisenden aus aller Welt und telefoniert mit seinen Freunden von Amerika bis Japan. Und er hofft, dass sein Hövelhof ihm eines Tages ein echtes Museum widmet. Direkt am Europaradweg, der mitten durch den Ort führt.

Über dieses Thema berichten wir heute auch im WDR-Fernsehen in der Lokalzeit OWL um 19.30 Uhr.