UN-Klimabericht: 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung könnte bald überschritten werden

Stand: 10.05.2022, 16:57 Uhr

Die Vereinten Nationen schlagen Alarm: Die wichtige Temperaturschwelle von mehr als 1,5 Grad im Vergleich zu den Jahren vor 1900 könnte bald gerissen werden. Welche Rolle spielt dabei der Krieg? Was heißt das für NRW?

Wie düster sind die Prognosen der UN?

Die Berechnungen der UN beziehen sich auf den Temperaturanstieg weltweit - welche Auswirkungen das konkret auf Deutschland oder NRW hat, ist nicht abzusehen. Alarmieren sollte die Nachricht der Welt-Meteorologie-Organisation der UN (WMO) aber auch hierzulande. Denn fest steht: Wenn es global wärmer wird, spüren wir das auch hier. Starkregenereignisse, Überflutungen wie im Juli 2021 an Ahr und Erft dürften immer häufiger werden.

Der Meeresspiegelanstieg, der aktuell bei vier Millimetern pro Jahr liegt, wird noch schneller voranschreiten, das zeigt auch ein Detail des aktuellen WMO-Berichts. Da heißt es: "In den kommenden fünf Wintern wird der Temperaturanstieg in der Arktis im Vergleich zu 1850 dreimal so hoch sein wie die Rekordtemperaturanstiege im Rest der Welt." Das bedeutet: Das grönländische Inlandeis wird schneller abschmelzen.

Heißt für unsere Region: Extreme Hitzewellen werden häufiger, länger und heißer. Das ist für Deutschland die größte Bedrohung, weil das bisher schon in der Vergangenheit zu tausenden zusätzlichen Todesfällen geführt hat.

Wird das 1,5-Grad-Ziel schon bis 2026 überschritten?

Die UNO geht davon aus, dass wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent in den kommenden fünf Jahren, also bis 2026, die 1,5 Grad global überschreiten werden. Und noch eine zweite düstere Prognose: Dass wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 93 Prozent im selben Zeitraum das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, das war 2016, von Platz eins verdrängen werden.

Zum Vergleich: 2015, im Jahr des Klimaabkommens von Paris, galt das noch als extrem unwahrscheinlich und auch für die vergangenen fünf Jahre – 2017 bis 2021 – hat die WMO die Wahrscheinlichkeit, die 1,5 Grad zu reißen, nur bei einer zehnprozentigen Wahrscheinlichkeit gesehen.

Was aber auch noch wichtig ist: Die WMO sagt, dass wir die 1,5 Grad zwar vielleicht schon bald überschreiten werden. Der Wert könne aber auch mal wieder sinken. Anders gesagt: Wir müssen also nicht dauerhaft bei 1,5 Grad bleiben.

Sind die Zahlen sehr überraschend?

Nein. Wir sind gerade mitten drin in einer Phase, in der der Weltklimarat (IPCC) seinen 6. Sachstandsbericht veröffentlicht. Das ist so etwas, wie der ganz große Wurf mit allen Erkenntnissen aller Klimawissenschaftler weltweit. Und auch darin steht, dass "es eher wahrscheinlich ist, dass wir selbst unter der Annahme der denkbar geringsten Treibhausgasemissionen im Laufe des Jahrhunderts die 1,5 Grad überschreiten, während es bei den zwei Grad noch als extrem unwahrscheinlich gilt."

In Wahrscheinlichkeitsprozente übersetzt hieße das: Auch der IPCC sagt: 50:50, dass wir die 1,5 Grad reißen, aber eher zehn Prozent für die zwei Grad. Und auch der IPCC sagt, bis Ende des Jahrhunderts können wir, wenn wir wollen, schon wieder bei geringeren Temperaturen sein. Der Unterschied zum aktuellen WMO-Bericht ist nur: Die Rede ist nicht mehr vom "restlichen Jahrhundert", sondern von den "nächsten fünf Jahren". Die Einschläge kommen also näher.

Welchen Schluss müssen wir aus dem Bericht ziehen – und welche Rolle spielt der Krieg?

Zusammengefasst in einem Satz: Wir sind zu langsam! Wir sind zu langsam, auch in Deutschland, bei den Themen Energiewende, Verkehrswende, Wohnwende usw. – global sind wir sogar viel zu langsam. Weitere Erkenntnis: Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist eine starke Bremse beim Klimaschutz.

Wir werden in Europa zwar womöglich etwas schneller bei Wind- und Sonnenenergie vorankommen. Aber global betrachtet zerstört der Krieg viel Kapital, das in die Rüstung fließt oder zur Bekämpfung von Hunger gebraucht wird. Das ist wichtiges Kapital, das uns fehlen wird, zum Aufbau etwa von Windrädern. Die Klimabilanz dieses Krieges wird neben dem großen menschlichen Leid verheerend sein. Da sind sich Klimaforscher einig.