Medizinisches Personal in Schutzkleidung versorgt einen Patienten auf der Intensivstation.

Mit Schockvideos aus Intensivstationen die Impfkampagne befeuern?

Stand: 16.11.2021, 16:02 Uhr

Mit Schockvideos von Intensivstationen sollten Menschen ermuntert werden, sich gegen Corona impfen zu lassen. Das fordert Ethikrat-Mitglied Wolfram Henn. In Tschechien gibt es Ähnliches schon.

Von Jörn Seidel

Die Corona-Impfungen gehen nur noch schleppend voran. Mehr als ein Fünftel aller Menschen über zwölf ist noch nicht geimpft. Braucht es eine neue Informationsoffensive - mit Schockvideos von Intensivstationen, um die Menschen wachzurütteln? Das fordert nun Ethikrat-Mitglied Wolfram Henn.

Henn: Zeigen, "dass wir wirklich ein Problem haben"

"Es geht nicht darum, Leute zu schockieren", sagt Henn dem WDR. Stattdessen sollten solche Werbevideos im Fernsehen oder den sozialen Medien zeigen, "dass wir wirklich ein Problem haben auf unseren Intensivstationen und dass es wirklich eine schwere Erkrankung ist".

Henn verweist auf das Beispiel mit den Zigarettenschachteln. Darauf zeigen seit 2016 schockierende Bilder mögliche Folgen des Rauchens: Krebsgeschwür, Raucherlunge oder Fußamputation.

Tatsächlich zeigen die Raucher-Schockfotos Wirkung. Das sagt zumindest eine Studie der Krankenkasse DAK. Demnach erzeugen die Bilder insbesondere bei jugendlichen Nichtraucherinnen und Nichtrauchern negative Einstellungen zum Rauchen.

Corona-Schockbilder in Tschechien

In Tschechien startete die Regierung vergangene Woche eine Corona-Aktion mit Schockbildern. Auf einem ist zum Beispiel zu sehen, wie ein toter Mann auf einer Intensivstation in einen blauen Leichensack gelegt wird. Dazu steht der Text: "Er hatte viele Ausreden." Ein anderes Foto zeigt einen Sarg, daneben der Satz: "Sie hat die Impfung immer wieder hinausgeschoben".

"Mit solchen realen Bildern wird man harte Leugner auch nicht überzeugen", sagt Henn zu seinem Vorschlag der Videos von Intensivstationen, "aber eben Leute, die immer noch zu sorglos sind".

Ärztin: Impfbus "vielleicht besser" als Schockbilder

Ähnlich sieht es Oberärztin Kathrin Schaller vom Klinikum Dortmund: Bei Impfgegnern würde man damit keine Chance haben. Aber: "Die Impfskeptiker, die kann man vielleicht mit so etwas erreichen, weil man auf emotionaler Ebene versucht, die Pandemie näherzubringen", so Schaller bei WDR2.

Problem sei jedoch: "Man muss sie halt auch erreichen." Viele der Impfskeptiker seien zu schlecht informiert oder zu desinteressiert. "Mit einem Impfbus erreiche ich die vielleicht besser als mit Schockbildern."

Kritik an Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

In diesem Zusammenhang kritisiert er die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die "wäre ja für diese Dinge auch zuständig". "Aber ich muss sagen: Von der haben wir alle in den letzten Monaten ziemlich wenig gehört."

Insgesamt sei die Palette an Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft, um Menschen von den Impfungen zu überzeugen. So fordert Henn auch Reiseeinschränkungen für Ungeimpfte, aufsuchende Impf-Angebote, die Reaktivierung von Impfzentren und eine neue Diskussion über Impf-Anreize wie eine "finanzielle Kompensation".

Scholz will "große gemeinsame Kampagne"

Der voraussichtliche nächste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich vor wenigen Tagen für eine "große gemeinsame Kampagne" für mehr Impfungen aus. Dabei betonte er auch die Bedeutung der Booster-Impfungen. In den nächsten Wochen und Monaten müsse alles getan werden, "dass Millionen Bürgerinnen und Bürger eine Auffrischimpfung bekommen", so Scholz.

Bislang hat sich nicht mal die Hälfte der Menschen, deren Zweitimpfung sechs Monate zurückliegt, boostern lassen. Dabei lässt die Schutzwirkung ihrer Impfungen laut Studien nun deutlich nach.

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