Impfung der 12- bis 15-Jährigen: Stiko dagegen, Spahn und Ethikrat dafür

Stand: 26.05.2021, 20:12 Uhr

Die Ständige Impfkommission will offenbar derzeit keine allgemeine Impf-Empfehlung für 12- bis 15-Jährige geben. Die Begründung: Noch wisse man kaum etwas über mögliche Nebenwirkungen.

Von Dominik Reinle, Anke Kahle

Noch ist keiner der in Deutschland verwendeten Corona-Impfstoffe für Kinder und Jugendliche zugelassen. Dennoch plant Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein "Impfangebot bis Ende August". Die Ständige Impfkommission (Stiko) jedoch sieht eine allgemeine Impf-Empfehlung kritisch.

Das Kommissionsmitglied Rüdiger von Kries sagte am Dienstagabend in der Sendung "RBB-Spezial", momentan wisse man kaum etwas über die Nebenwirkungen von Corona-Impfungen bei Kindern. "Bei unklarem Risiko kann ich zur Zeit noch nicht vorhersehen, dass es eine Impf-Empfehlung für eine generelle Impfung geben wird."

Impfkommission pocht auf Unabhängigkeit

Spahn reagierte am Mittwoch auf die Äußerungen und sprach sich dafür aus, Jugendliche auch ohne Stiko-Empfehlung in die Impfkampagne einzubeziehen. Dem widersprach NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). "Ich finde, wir sollten uns an das, was die Stiko empfiehlt, halten", sagte der Kanzlerkandidat der Union.

Über die Umsetzung des Impfangebots wollen am Donnerstag Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten beraten. Der Hersteller Biontech/Pfizer hatte eine Zulassung seines Präparats für Jugendliche ab zwölf Jahren bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) beantragt.

Die Stiko behält sich aber eigene Klärungen für eine mögliche Impf-Empfehlung vor. Das Ziel der Herdenimmunität sei zwar weiterhin vorhanden, erklärte Kries. Aber sie dürfe nicht das primäre Ziel für Impfungen von Kindern sein, falls für sie ein mögliches Risiko bestehe.

Empfehlung vermutlich nur für chronisch Erkrankte

Man könne Herdenimmunität viel besser erreichen, wenn man sich um die 40 Millionen kümmere, die noch nicht geimpft seien. Diese würden zudem sehr viel mehr von den Impfungen profitieren als die Kinder, so Stiko-Mitglied Kries.

Wahrscheinlich werde es nur eine Impf-Empfehlung für Kinder und Jugendliche dieser Altersgruppe mit bestimmten chronischen Erkrankungen geben, sagte der Berlin-Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid dem RBB.

Die Schutzimpfung bei Kindern und Jugendlichen sorgt für Kontroversen

Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery riet gegenüber der Funke Mediengruppe von einer Corona-Schutzimpfung bei Kindern und Jugendlichen ab: "Gegenwärtig gibt es noch zu wenig Daten, die Aussagen über das Risiko der Corona-Impfung bei Kindern zulassen." Am Ende könnte die Studienlage auch ergeben, dass "das Risiko der Impfung von Kindern größer ist als das der Erkrankung in dieser Altersgruppe", sagte Montgomery. "Dann wird man sogar von der Impfung abraten müssen."

Auch bei den Schülerinnen und Schülern sorgt das Thema für Gesprächsstoff. Abiturientin Lara Schiffler aus Aachen würde sich über eine Impfung freuen: "Also ich kenne niemanden in meinem Alter, der nicht gerne so bald wie möglich geimpft werden möchte, aber als gesunder Jugendlicher dauert es ewig, bis man da mal dran kommt. Meine Freunde und ich hoffen, dass wir bis zum Sommer alle durchgeimpft werden, damit wir wieder gemeinsam Sachen unternehmen können."

Mutter Daniela Schiffler hat Sorge, dass durch Imfpungen an Schulen Neid entstehe: "Was ist mit nicht-Geimpften Kindern? Dürfen Nicht-Geimpfte dann keinen Klassenausflug mitmachen oder werden sie von der Projektwoche ausgeschlossen?" Nicht zu vergessen sei der emotionale Druck, der seitens Mitschülern und Lehrern entstehe, wenn man der einzige in der Klasse wäre, der nicht geimpft sei, so die Mutter von zwei schulpflichtigen Töchtern.

Vorsitzende des Ethikrats für allgemeines Impfangebot

Dagegen hält die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, ein Impfangebot für alle Kinder und Jugendliche für richtig. "Das stärkste Argument, Zwölf- bis 15-Jährige zu impfen, ist einfach, dass sie auch selbst natürlich einen Schutz haben möchten", so Buyx.

Auch bei Jugendlichen gebe es schwere Verläufe und das sogenannte Long-Covid-Syndrom. Hinzu komme, dass auch die Schule so sicherer werde. Buyx verwies auch darauf, dass die Jugendlichen in der Corona-Pandemie hohen Belastungen ausgesetzt seien.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert Bundesgesundheitsminister Spahn, weil er sich für eine Einbindung von Kindern und Jugendlichen in die Impfkampagne auch ohne eine allgemeine Empfehlung der Stiko ausgesprochen hat. "Der Bundesgesundheitsminister handelt unverantwortlich", zitieren Zeitungen Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Bei der Vergabe von Vakzinen dürften nur wissenschaftliche Fakten gelten. Auch sei das Reservieren des Impfstoffes für die über Zwölfjährigen bei der derzeitigen Knappheit inakzeptabel.

Diskussion über Ansteckung durch Kinder

Über die Frage, wie ansteckend Kinder und Jugendliche sind, wird viel diskutiert. Der Virologe Christian Drosten erklärte im November 2020: "Die Biologie der Infektion bei den Kindern ist dieselbe wie bei Erwachsenen."

Nach der Veröffentlichung seiner Studie zur Viruslast im Fachblatt "Science" sieht sich Drosten im Mai 2021 bestätigt: "Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien."

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Virenlast etwa gleich hoch

"Bisher wurde die Ansteckungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen selten untersucht", sagte WDR-Wissenschaftsredakteurin Ruth Schulz am Mittwoch. Die Forscher an der Berliner Charité hätten nun eine interessante Methode angewendet.

"Die Wissenschaftler haben in den Proben von Kindern zwar weniger Viren gefunden." Das habe daran gelegen, dass die Test-Tupfer für Kinder kleiner seien - so Ruth Schulz. "Aber wenn man diesen Unterschied berücksichtigt, dann ist die Virenlast bei Erwachsenen und Kinder ab dem Schulalter etwa gleich hoch."

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