Impfreihenfolge: Sollte man jetzt lieber die Jüngeren impfen?

Stand: 30.04.2021, 17:02 Uhr

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen sinkt langsam. Die Inzidenz in der Altersgruppe der Menschen zwischen 20 und 49 Jahren bleibt aber hoch. Sollten sie beim Impfen vorgezogen werden?

Von Jörn Kießler

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie beginnt die Kombination aus Impfen und Testen offenbar zu wirken. Innerhalb einer Woche ist die Sieben-Tage-Inzidenz laut Daten des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW) von 191,9 auf 166,8 gesunken.

Ursache dafür sind vor allem die sinkenden Inzidenzen in den höheren Altersgruppen, in denen viele Menschen bereits geimpft wurden. Die Zahl der Neuinfektionen in den jüngeren Altersgruppen steigt jedoch seit einigen Wochen stetig.

Inzidenzen nach Altersgruppen (Quelle: RKI)
AltersgruppeInzidenz Stand 27. April 2021
90+103,52
85 - 8975,07
80 - 8460,83
75 - 7963,95
70 - 7491,21
65 - 6994,63
60 - 64136,27
55 - 59162,53
50 - 54172,35
45 - 49201,26
40 - 44219,47
35 - 39211,87
30 - 34214,39
25 - 29212,14
20 - 24243,21
15 - 19260,38
10 - 14233,71
5 - 9223,59
0 - 4140,61

Mehr als 45 Prozent aller aktuellen Neuinfektionen in NRW betreffen nach Informationen des LZG.NRW Menschen im Alter zwischen 20 und 49 Jahren. Ein Großteil von ihnen ist noch nicht geimpft und damit auch nicht vor dem Virus geschützt.

Neuinfektionen steigen prozentual

Hinzu kommt, dass viele Menschen in dieser Altersgruppe berufstätig sind und Kinder haben, die in die Kita oder Schule gehen. All das sind Faktoren, die die Gefahr erhöhen, sich mit Corona zu infizieren.

Laut dem Epidemiologen Klaus Stöhr gibt es für die steigenden Inzidenzen in dieser Altersgruppe aber noch andere Gründe. "Zunächst einmal handelt es sich ja um einen prozentualen Anstieg", so Stöhr. Das heiße, dass es in dieser Altersgruppe viel mehr Menschen gebe, die sich noch anstecken können, während die Zahl der älteren Menschen, die sich noch infizieren können, durch die Impfung stetig sinke.

Verhältnismäßig wenige Genesene in Deutschland

Außerdem werde gerade in dieser Altersgruppe derzeit verstärkt getestet. "Viele werden jetzt am Arbeitsplatz getestet, wodurch auch mehr Infektionen entdeckt werden", so Stöhr. Auch das sorge für höhere Inzidenzwerte.

"Und letztlich hat dieser Anstieg auch etwas damit zu tun, dass Deutschland bislang gut durch die Pandemie gekommen ist", erklärt Stöhr. In Ländern wie Irland, England, Dänemark oder Portugal, in denen es während der dritten Welle wesentlich mehr Neuinfektionen gab als in Deutschland, seien nun einfach mehr Leute immun gegen SARS-CoV-2.

Epidemiologen: "Impfreihenfolge sinnvoll"

Vor diesem Hintergrund hat der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt vorgeschlagen, die Impfreihenfolge entsprechend anzupassen. Man könne die Strategie ändern und sagen: "Wir impfen jetzt die Jungen, die zwar in der Regel nicht schwer erkranken, aber die natürlich viel unterwegs sind, in die Schulen und in die Kitas gehen sollen", so Reinhardt in einem Interview mit dem Fernsehsender Phoenix.

Gleichzeitig berichten immer mehr Krankenhäuser davon, dass auf ihren Intensivstationen Covid-19-Patienten behandelt werden, die zwischen 35 und 50 Jahre alt sind.

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Epidemiologe Stöhr hält es dennoch für falsch, die Impfreihenfolge zu ändern. "Das würde nur dafür sorgen, dass die Zahlen sinken", sagt Stöhr. Ziel sei es jedoch, schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Rein statistisch treten diese vor allem bei älteren Menschen auf.

Laut Robert-Koch-Institut steigt das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf stetig ab einem Alter von 50 bis 60 Jahren. Demnach waren 86 Prozent der Menschen, die nach einer Covid-19-Erkrankungen starben, 70 Jahre oder älter.

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