KOLUMNE

Präsidentschaftswahl: "Marine Le Pen wäre das Ende der EU!"

Stand: 23.04.2022, 06:00 Uhr

Es geht um uns bei dieser Frankreich-Wahl. Wenn Le Pen Präsidentin wird, gibt es kein deutsch-französisches Tandem mehr. Und keine EU wie wir sie kennen, meint Ralph Sina.

Von Ralph Sina

Das Ende der EU hat für mich einen Namen: Marine Le Pen. Sollte sie die Präsidentschafts-Stichwahl gewinnen, können wir die Europäische Union vergessen! Wladimir Putin hätte dann aus meiner Sicht seinen Krieg gegen das freiheitlich-demokratische Europa gewonnen.

Putin kennt Le Pen übrigens gut: Schließlich hat die französische Präsidentschaftskandidatin Schulden bei einer russischen Bank. Kurz nachdem der Kreml-Herrscher 2014 die Krim überfiel, hat Le Pen sich skrupellos Geld bei einer Bank aus Putins Machtapparat geliehen. Bis heute hat sie den Kredit nicht zurückgezahlt. Sie ist sozusagen Putin-Schuldnerin.

Die Macron-Rivalin unterstützt Russland aber auch in anderen Punkten. Sie ist zum Beispiel strikt dafür, dass weiterhin russisches Gas nach Frankreich fließt. Und dass alle Windräder, die Frankreich etwas unabhängiger von russischer Energie machen, abgebaut werden. Jawohl: Alle bereits bestehenden französischen Windkraftanlagen will Le Pen auf Kosten der Betreiber demontieren lassen. Russisches Gas - ja! Französische Windräder - nein! Das gefällt dem Kriegsverbrecher im Kreml.

Deutschland: Das Feindbild Le Pens

Le Pen sieht nicht in dem Angriffskrieger Putin die größte Gefahr für Europa, sondern in Deutschland. Aus dem einfachen Grund, weil Berlin auf erneuerbare Energien statt auf Kernenergie setzt. Und, weil die wirtschaftlich erfolgreiche Bundesrepublik den Nachbarn Frankreich angeblich ökonomisch platt macht. Die EU ist aus Le Pens Perspektive nur ein Instrument deutscher Dominanz. Ich finde es bezeichnend, dass sich Le Pens Attacken nicht in erster Linie gegen den Kriegsverbrecher Putin richten, sondern gegen Frankreichs wichtigsten Verbündeten in der EU und direkten Nachbarn.

Die französische Nationalistin hat lange den "Frexit" propagiert. Am liebsten würde sie Frankreich aus der EU und aus dem Euro katapultieren. Weil das aber den meisten Franzosen zu weit geht, will die französische Rechtsextreme die Europäische Union scheibchenweise zerstören und zu einer Karikatur ihrer selbst machen.

Der Europäische Gerichtshof soll nicht das letzte Wort haben. Das französische Recht soll über dem EU-Recht stehen. Aus dem Schengen-Europa der offenen Grenzen, will Le Pen eine EU der Grenzkontrollen machen. Arbeitnehmerfreizügigkeit war gestern: Die Zeiten in denen grundsätzlich jeder EU-Bürger in jedem EU-Land leben und arbeiten darf, sollen vorbei sein, wenn sie in den Élysée-Palast einzieht. "Frankreich den Franzosen", heißt dann die Devise.

Von der Leyen als Sekretärin von Le Pen?

Die EU wie wir sie kennen, wird es mit einer französischen Präsidentin Le Pen nicht mehr geben. Was dann zählt ist vor allem der Nationalstaat: Im Le Pen-Europa gibt es keine Europäische Union mehr, sondern nur noch ein "Europa der Vaterländer". Aus meiner Sicht als ehemaliger Brüssel-Korrespondent hieße das: Die EU-Kommission würde arbeitslos, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen würde in einem Le Pen-Europa zu einer Sekretärin der Staats- und Regierungschefs degradiert.

Kommissions-Konzepte und Gesetze für eine EU als ersten klimaneutralen Kontinent der Welt wären ab sofort tabu. Dass die Macron-Rivalin die EU finanziell austrocknen will, ist vor diesem Hintergrund durchaus logisch. Die Überweisungen aus Paris nach Brüssel will Le Pen um mehrere Milliarden kürzen.

Betrugsvorwürfe

Auf sie ganz persönlich kommen allerdings in diesem Jahr erhebliche Überweisungen an die EU zu. Mehrere Medien berichten, dass die EU-Betrugsbehörde OLAF die Rechtspopulistin beschuldigt, während ihrer Zeit als Europaabgeordnete in Straßburg 137.000 Euro veruntreut zu haben. Die Pariser Staatsanwaltschaft prüft die Vorwürfe noch.

In derselben Zeit, in der sie von einer russisch-tschetschenischen Bank Kredite für ihre Anti-EU-Propaganda bekam, soll sie EU-Gelder für persönliche Zwecke ausgegeben haben.

Putin kann sich die Hände reiben. Eine skrupellosere EU- und Nato-Gegnerin im Élysée kann er sich kaum wünschen. Ralph Sina

Inszenierung als sorgende Mutter der Nation

Dass ausgerechnet die Rechtsextreme Le Pen in allen Umfragen bei jungen Franzosen bis 24 vorne liegt, ist eine besonders schockierende Facette dieses Wahlkampfes. Und es schockiert mich auch, dass sich linke französische Wähler überhaupt vorstellen können, eine Ultra-Nationalistin zu wählen, nur weil diese ihre Ablehnung gegen die EU und die NATO teilt.

Marine Le Pen hat sich meiner Meinung nach sehr gut inszeniert. Und zwar als die verständnisvolle Übermutter der vielen Franzosen, die sich Frankreich einfach nicht mehr leisten können. Nicht nur die Mieten in Paris sind unbezahlbar. Sondern für viele Franzosen auch das ganz alltägliche Leben in der Provinz! Da hatte Le Pen leichtes Spiel mit ihrer Hetze gegen Sozialleistungen für Migranten.

Die Medien tragen eine Mitschuld

Hinzu kommt, dass sie im Vergleich zu ihrem noch deutlich offener rassistischem rechten Konkurrenten Éric Zemmour plötzlich als "die Gemäßigte" da stand. Geradezu entpolitisiert wurde Le Pen von zahlreichen französischen Medien präsentiert: Marine Le Pen, die liebevoll ihre Rassekatzen krault und Rosé trinkt. Für mich sind Frankreichs Medien für den Aufstieg der Rechtsextremen mit verantwortlich!

Le Pen oder Macron?

Die Wahl am Sonntag ist in der Tat eine Schicksalswahl! Sie entscheidet aus meiner Sicht, ob in Zukunft eine rechtsextreme Ultra-Nationalistin die einzige noch verbliebene Atommacht der EU kommandiert.

Mein Bauchgefühl: Macron gewinnt. Doch selbst dann kann Putin noch auf seinen wichtigsten EU-Verbündeten Victor Orban hoffen. Der hat gerade die Wahlen in Ungarn gewonnen und kann weitere EU-Sanktionen gegen Russland durch sein Veto blockieren.

Und auf die Republikaner in den USA, die Trumps Comeback vorbereiten. Sie haben gute Chancen, bei den Zwischenwahlen im Herbst den Putin-Gegenspieler Joe Biden massiv zu schwächen.

Was denken Sie über die Stichwahl zwischen Le Pen und Macron? Was sind Ihrer Meinung nach die Schwächen und Stärken von beiden? Lassen Sie uns darüber diskutieren - in den Kommentaren bei WDR.de oder auf Social Media.

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Kommentare zum Thema

  • Paul voss 25.04.2022, 12:34 Uhr

    So.. Sicher zufrieden lieber Herr syna mit der macron Wahl.. .. Lohndumping armutsrenten und bankenzockerei bei Enteignung der kleinsparer in der EU sowie eine aggressive aussenpolitik können 5 Jahre weitergehen..

  • Hans R. 25.04.2022, 10:38 Uhr

    Macron hat weniger gewonnen, man konnte sich nur nicht zu Le Pen als Konsequenz entscheiden. „Nur knapp jeder Dritte vertraut der EU“ schreibt Ellen Ehni in einem Kommentar bei der Tagesschau. Ich werde am 15.Mai die Konsequenz ziehen und AfD wählen, nicht weil ich von der Partei überzeugt bin sondern weil die anderen so schlecht sind. Allerdings ist die Wahl hier schon mit Impfpflicht und Verkehrswende gelaufen; ich wähle doch niemanden der mit Tausenden Euro Bußgeld droht oder dem ich zu verdanken habe, dass ich jetzt doppelt Zeit und Sprit für die Parkplatzsuche brauche und es sollen noch mehr Parkplätze gestrichen werden. Aber die EU spielt auch eine Rolle, auch wenn das nur mittelbar zur Landespolitik gehört. Ein gemeinsamer Markt kann nicht funktionieren wenn seit der EU-Osterweiterung so krasse Unterschiede im Lohn- und Rentenniveau sind und daher bin ich für die Auflösung der EU. Über eine Neuauflage der kleineren EWG könnte man reden, gäbe es in dabei kein Steuerdumping.

  • F.H. 24.04.2022, 18:23 Uhr

    Und das wäre gut so. Zurück zur Demokratie, für jedes Land eine Bereicherung. EU ,sehe ich nur ein Abbau der Demokratie.