Mutmaßlicher israelischer Gegenschlag auf den Iran

04:22 Min. Verfügbar bis 19.04.2026

Iran und Israel: Droht ein neuer Krieg im Nahen Osten?

Stand: 19.04.2024, 14:56 Uhr

In der Nacht soll Israel Medienberichten zufolge militärische Anlagen im Iran angegriffen haben. Was ist bisher bekannt? Und was könnten die Folgen sein? Fragen und Antworten.

Von Andreas Poulakos

In der iranischen Stadt Isfahan soll es in der Nacht zu Freitag zu Explosionen gekommen sein. Laut der iranischen Regierung wurden Drohnen abgefangen. Noch ist die Lage unübersichtlich.

Was genau ist passiert?

Die ersten Meldungen über "Explosionen" in Isfahan waren gegen vier Uhr am Freitagmorgen über die Nachrichtenagenturen gelaufen: Der US-Sender ABC News berichtete unter Berufung auf "US-Beamte" zunächst über einen israelischen Raketenangriff auf eine Militäranlage.

Die iranische Regierung bestätigte dies ausdrücklich nicht. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna wurde allerdings in mehreren Provinzen des Landes die Luftverteidigung aktiviert. Unter anderem habe es "Detonationen" in der Nähe des internationalen Flughafens von Isfahan gegeben. Dort befindet sich auch eine große Luftwaffenbasis der iranischen Armee.

Hussein Dalirian, ein Sprecher einer Cyberspacebehörde der iranischen Regierung, schrieb auf der Plattform X (früher Twitter), dass mehrere kleine "Quadcopter"-Drohnen abgeschossen worden seien. Wo genau das passiert sein soll, sagte Dalirian nicht.

Im iranischen Staatsfernsehen war ebenfalls nur von mehreren "Mini-Drohnen" die Rede, die in der Region Isfahan abgefangen wurden. Diese seien nicht "im Ausland" gestartet, sondern wohl von "Infiltratoren" im Iran gesteuert worden.

Gemeint sind damit offenbar israelische Agenten, auch wenn die iranische Regierung bisher eine direkte Schuldzuweisung vermieden hat. Schäden habe es nicht gegeben, die gemeldeten Explosionen gingen auf Aktionen der iranischen Luftabwehr zurück.

Ungefähr zum Zeitpunkt der Vorfälle im Iran berichtete auch die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Militär, Israel habe eine Luftverteidigungseinheit im Süden des Landes mit Raketen angegriffen und dabei Sachschäden verursacht. Auch zu diesem mutmaßlichen Angriff gibt es noch keine Bestätigung.

Waren iranische Atomanlagen gefährdet?

In Isfahan gibt es zahlreiche Anlagen, die in Verbindung mit dem Atomprogramm des Landes stehen. Dazu gehört die unterirdische Anreicherungsanlage in Natans, die in der Vergangenheit schon mehrmals Ziel mutmaßlicher israelischer Angriffe gewesen ist.

Der Iran betreibt in Isfahan außerdem drei kleine, von China gelieferte Forschungsreaktoren. Das iranische Staatsfernsehen betonte jedoch, alle Anlagen in diesem Gebiet seien "völlig sicher". Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) meldete auf X, dass keine Atomanlagen beschädigt wurden.

Militär steht Wache vor einer Nuklearanlage im Gebiet Zardanjan in Isfahan

Militär vor einer Nuklearanlage in Isfahan

Iran steht seit Jahren in Verdacht, eigene Atomwaffen zu entwickeln. Insbesondere Israel fordert deshalb seit Langem die internationale Gemeinschaft auf, härter gegen die islamische Republik vorzugehen. Iran weist solche Anschuldigungen zurück und betont, dass das Atomprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient.

War das wirklich die seit Tagen erwartete Reaktion auf den iranischen Angriff auf Israel?

Eine Bestätigung, dass es sich wirklich um die angekündigte Reaktion auf den iranischen Luftangriff vom Samstag handelt, gab es zunächst nicht. Weder die israelische Armee noch die US-amerikanische Regierung äußerten sich offiziell. Über Umwege gab es aber doch im Lauf des Freitags eine Bestätigung - durch den italienischen Außenminister Antonio Tajani. Dieser hatte erklärt, dass die USA während eines Treffens der G7-Außenminister mitgeteilt hatten, man sei erst in "letzter Minute" von der israelischen Drohnenaktion informiert worden.

Der israelische Sicherheitsminister Itamar Ben-Gwir hatte auf X zuvor nur das Wort "Schwach!" gepostet. Damit wollte er offenbar sein Missfallen über die aus seiner Sicht zu sanfte Militäraktion kundtun. Ben-Gwir gilt als Hardliner in der rechts-religiösen Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Die "Washington Post" meldete am Morgen unter Berufung auf einen nicht genannten "israelischen Regierungsbeamten", Israel habe Teheran demonstrieren wollen, dass es jederzeit Ziele im Land angreifen kann.

Wie zuverlässig sind die Berichte aus dem Iran?

Alle Meldungen iranischer Medien - insbesondere der staatlich kontrollierten Nachrichtenagenturen und Fernsehsender - müssen mit großer Vorsicht behandelt werden. In fast keinem anderen Land unterliegt die Presse einer so lückenlosen Zensur wie in der islamischen Republik.

Die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" stuft den Iran in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 178 von 180 ein. Der Iran gehöre für Journalisten und Journalistinnen "zu den repressivsten Ländern" weltweit.

Droht nun eine weitere Eskalation im Nahen Osten?

Das Risiko für einen großen Krieg ist immer so groß wie nie zuvor. In den vergangenen Monaten nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich der Jahrzehnte alte Konflikt zwischen Israel und Iran dramatisch zugespitzt.

Der jüdische Staat sieht sich nach Angriffen von Milizen, die mit dem Iran verbündet sind, an mehreren Fronten unter Beschuss. Seit dem Raketenangriff auf israelisches Staatsgebiet am Samstag bemühen sich insbesondere die USA, Israel von einem schweren Gegenschlag abzuhalten, der einen offenen Krieg auslösen könnte.

Sowohl die iranische als auch die israelische Regierung geben sich trotz aller internationaler Bemühungen um eine Deeskalation betont kämpferisch. Israels Regierungsschef Netanjahu hatte in den vergangenen Tagen mehrmals eine militärische Reaktion angekündigt.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

Benjamin Netanjahu

Der Iran droht in diesem Fall mit einem Gegenschlag, der weitaus stärker ausfallen soll als die Attacke vom Wochenende. Beobachter bezweifeln allerdings, dass der Iran wirklich Interesse an einer Eskalation zum jetzigen Zeitpunkt hat. Dies könnte auch die aktuelle Zurückhaltung iranischer Offizieller erklären.

Nach israelischen Medienberichten könnte der Angriff vom Freitag aber auch ein Ende der Eskalationsspirale bedeuten. Angesichts der relativ maßvollen Aktion ohne Schäden und Todesopfer könne der Iran ohne Gesichtsverlust auf eine Reaktion verzichten.

Woher kommt die Feindschaft zwischen Iran und Israel?

Der Hass auf Israel, der seit Jahrzehnten von der iranischen Führung aufrecht erhalten wird, ist eine direkte Folge der islamischen Revolution im Jahr 1979. Zuvor hatte das iranische Schah-Regime im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten in der Region sogar meist freundschaftliche Kontakte zu Tel Aviv gepflegt.

Kurz nach dem Sturz des Schahs und der Machtübernahme durch Revolutionsführer Ruhollah Chomeini brach der Iran alle politischen und wirtschaftlichen Kontakte zu Israel ab. Die Zerstörung des "zionistischen Regimes" wurde in der Folge zur iranischen Staatsdoktrin. Zu einer direkten Konfrontation der beiden Staaten ist es bisher allerdings nicht gekommen.

Der Iran unterstützt aber seit Langem verbündete Milizen finanziell und logistisch, die sich den Kampf gegen Israel auf die Fahnen geschrieben haben, zum Beipiel die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen.

Quellen

  • Agenturen dpa, AP, afp und RTR
  • Kurznachrichtendienst "X"
  • ARD-Studio Istanbul
  • Berichte und Hintergründe auf tagesschau.de

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