Polizeikosten im Fußball: NRW wartet auf Urteil zu Hochrisikospielen
Stand: 14.01.2025, 06:00 Uhr
Das Verfassungsgericht urteilt über Kosten für Polizeieinsätze bei Risiko-Fußballspielen. In NRW müssen die Clubs nicht zahlen.
Von Klaus Scheffer und Nina Magoley
Fans der Fußball-Bundesliga steht eine Woche mit vielen Spielen ins Haus. In Nordrhein-Westfalen gibt es Partien in Leverkusen, in Bochum, in der zweiten Liga haben Düsseldorf, Münster und Paderborn Heimspiele am Wochenende. Ein klassisches Hochrisikospiel ist nicht dabei - dennoch wird die Polizei überall auch im Einsatz sein.
Denn nicht immer laufen Fußballspiele rund. Randalierende Fans verursachen manchmal auch große Polizeieinsätze - oft schon Stunden vor Beginn des Spiels. Und immer wieder kommt die Diskussion auf: Wer sollte dafür eigentlich bezahlen?
Als 2015 ein Spiel zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weserstadion mit Krawallen endete, fand die Stadt Bremen, dass die Deutsche Fußball Liga (DFL) für den Polizeieinsatz zahlen sollte - mehr als 400.000 Euro. Die DFL lehnte das ab und zog vor Gericht.
Ohne Erfolg: 2019 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass es grundsätzlich rechtmäßig sei, wenn der Profifußball an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligt werde. Die Organisation der deutschen Fußballprofiklubs ging in die nächsten Instanzen. Der Streit zog sich, jetzt - zehn Jahre nach dem Spiel Werder gegen HSV - soll das Bundesverfassungsgericht das endgültige Urteil sprechen.
NRW Hotspot für Hochrisikospiele
Stimmung im Weserstadion in Bremen
Auf das Ergebnis warten nicht nur Fußballfans gespannt. Der Bund der Steuerzahler NRW fordert seit Jahren, die Vereine an den Kosten für die Polizeieinsätze zu beteiligen. Gerade in NRW finden besonders viele Hochrisiko-Fußballspiele statt.
Wenn beispielsweise Borussia Mönchengladbach auf den 1. FC Köln traf, war die Polizei regelmäßig im Dauereinsatz. Ähnlich sah es aus etwa bei Spielen zwischen Dortmund und Schalke oder Leverkusen und Köln. Zu diesen Partien kommt es aktuell allerdings nicht, da Köln und Schalke derzeit in der Zweiten Bundesliga spielen. Aber auch dort und auch in niedrigeren Spielklassen wie Dritte Liga oder Regionalliga kann es zu Risikospielen kommen. Partien wie Rot-Weiß Essen gegen Alemannia Aachen oder auch Essen gegen Hansa Rostock sorgen auch für großen Polizeieinsätze.
NRW wartet Urteil ab
NRW-Innenminister Herbert Reul will das Verfassungsgerichtsurteil zunächst abwarten. "Die Erstattung von Einsatzkosten der Polizei, unabhängig von der Schaffung entsprechender Rechtsnormen, ist zunächst grundsätzlich nicht geeignet, den Gewalttätigkeiten bei Fußballspielen entgegenzuwirken.", heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums.
Die Polizei sei für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung "auch im Kontext des Profifußballs" zuständig. Und das gilt in allen öffentlichen Bereichen außerhalb des Stadions.
Das gelte genauso, wenn die Polizei eine Straße sperre, damit der Kindergarten seinen Martinszug dort abhalten kann, erläutert ein Sprecher des Ministeriums.
Im Stadion ist der Betreiber verantwortlich
Innerhalb des Stadions, auf dem gesamten Gelände, liege die Verantwortung für die Sicherheit dagegen beim Stadionbetreiber: Auf dem Gelände des Stadions gelte das Hausrecht. "Das hierfür vom Hausherrn aufzustellende und umzusetzende Sicherheitskonzept ist durch eigene (und selbst zu finanzierende) Sicherheitsmitarbeiter (Ordner) zu gewährleisten."
Pyrotechnik im Fanblock von Alemannia Aachen
Wenn die Polizei aber trotzdem ins Stadion hinein muss, um dort einzugreifen, dann gebe es auch dafür in NRW keine Rechnung, stellt der Sprecher klar. "Denn wenn die Polizei einschreiten muss, dann ist es dort bereits zu Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten gekommen. Und dann muss die Polizei tätig werden."
Milliardengeschäft Fußball
Für den Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW geht es aber bei der Frage nach der Kostenbeteiligung nicht nur um die Sicherheit: "Der Profifußball ist ein Milliardengeschäft", sagte BdSt-Wirtschaftsexperte Jens Ammann dem WDR zu Beginn des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Gerade aufwändige Polizeieinsätze bei kritischen Fußballspielen dürften nicht ausschließlich von allen Steuerzahlern getragen werden.
"Eine Beteiligung aus dem System Fußball wäre angemessen", das Geld für "fußballgenerierte Sicherheitsmaßnahmen auch außerhalb der Stadien" sei durchaus vorhanden. "Es nicht nachzuvollziehen, weshalb die Verursacher von den Kosten verschont bleiben und die Steuerzahler dafür aufkommen müssen."
Polizei: "Arbeitsbelastung" bei Fußballspielen gestiegen
Wie hoch die Kosten für Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Fußballspielen in NRW konkret sind, lässt sich nicht sagen. Nach Angaben der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) bei der Polizei NRW ist die "personelle Belastung" für Polizeikräfte in der Fußballsaison 2023/24 in den drei höchsten Ligen bundesweit um 1,2 Prozent gestiegen im Vergleich zur Vor-Saison - bei etwas weniger Spielen.
Deutlich mehr Pyrotechnik im Stadion
Auch die Zahl der gewaltbereiten Fans der insgesamt 56 Vereine aus den ersten drei Ligen sei leicht gestiegen. 13.812 Personen hatte die Polizei zuletzt auf dem Schirm. Deutlich erhöht hat sich laut ZIS auch die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren. Über 13 Prozent mehr als 2022/23 - insgesamt 6.577.
Bremen erwartet mittlerweile drei Millionen von der DFL
In Bremen gilt bereits seit 2014 eine Gebührenordnung, nach der "polizeilicher Mehraufwand bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen" vom Veranstalter mitgetragen werden muss. Laut Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sind in den vergangenen zehn Jahren aber nur wenige der Heimspiele im Bremer Weserstadion als Hochrisikospiele eingestuft worden.
Doch die hatten es offenbar in sich: Auf der Rechnung der Stadt für die DFL stünden mittlerweile drei Millionen Euro für zusätzliche Polizeikosten, so Mäurer. "Angesichts des Gesamtaufwands halte ich dies für eine angemessene Beteiligung."
NRW: Verfolgen Urteil mit Interesse
Ob die bisherige Linie der NRW-Landesregierung auch nach dem Urteilsspruch in Karlsruhe unverändert bleibt, ist indes noch nicht sicher. Man verfolge die "Urteilsverkündung sowie die Begründung mit großem Interesse", heißt es in der Stellungnahme des Innenministeriums. Ob sich daraus "Anpassungserfordernisse für Nordrhein-Westfalen ergeben, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden." Viel dürfte auch davon abhängen, ob und wie sich die Bundesländer nach dem Urteilsspruch auf eine gemeinsame Linie verständigen.
DFL: Kein Solidartopf
Einer Idee hat die Deutsche Fußball Liga bereits eine Abfuhr erteilt. Keinesfalls werden die Clubs aus Ländern, in denen die Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen, sagte Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratschef der DFL und Geschäftsführer von Borussia Dortmund.
Quellen:
- NRW-Innenministerium
- Bund der Steuerzahler NRW
- Jahresbericht Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)
- Nachrichtenagentur dpa