Michael Cittrich sitzt an der Kölner Rheinpromenade und blickt zusammen mit seiner Mutter aufs friedlich strömende Wasser. Die Maske hat der 50-jährige Wattenscheider nach der Bahnfahrt unters Kinn gezogen. Für einen Moment lang ist die Corona-Krise weit weg. Dafür ist die Klima-Krise jetzt zum Greifen nahe.
Forscher: Hochwasser durch Klima-Krise häufiger
Noch vor wenigen Tagen hätte Cittrich hier nasse Füße bekommen, als der Rhein all jene Wassermassen davontrug, die unweit von hier für die Hochwasser-Katastrophe sorgten. Klima-Forscher sind sich sicher: Unwetter-Ereignisse wie jenes im Juli kommen durch die Erderwärmung häufiger vor.
Die Corona-Krise ist noch nicht überwunden, da ist die Klima-Krise mit voller Wucht ins Bewusstsein vieler Menschen zurückgekehrt. Sind wir bereit, das Klima-Problem nun genauso entschieden anzugehen wie die Corona-Pandemie?
Bereit zu harten Klimaschutz-Maßnahmen?
Strengerer Klimaschutz - Michael Cittrich wäre dazu bereit, wie er sagt. Ein Gedankenspiel, zugespitzt als Simulation einer drastischen Maßnahme, und trotzdem so ähnlich schon gefordert: Was würde er davon halten, wenn angesichts der CO2-intensiven Fleischproduktion der Fleischpreis verdoppelt und dafür Fleischersatz-Produkte deutlich günstiger werden würden?
"Ich esse gerne Fleisch, aber ich würde auch Kunstfleisch essen", sagt Cittrich. "Tofu schmeckt mir aber nicht so."
Seine Mutter, Lilli Marlen Cittrich, sieht das ein wenig anders. Fleischersatz-Produkte mag die 77-Jährige nicht gern. Pro Woche komme aber ohnehin nur zwei- bis dreimal Fleisch auf den Tisch. Hinzu kommt allerdings noch Wurst. "Wurst ess ich schon mal ab und zu ganz gerne", sagt sie. "Da könnt ich auch nicht drauf verzichten."
Umfrage: Mehrheit in der EU für strengere Maßnahmen
Wie den Cittrichs geht es vielen. Nicht jeder kann sich jede Einschränkung vorstellen, aber grundsätzlich sind viele Menschen zu strengeren Klimaschutz-Maßnahmen bereit. In Deutschland sind es 65 Prozent - im EU-Durchschnitt 70, wie eine Umfrage inmitten der Corona-Krise im Auftrag der Europäischen Investitionsbank ergeben hat.
Auch Leon und Dana, ein junges Paar aus Köln, können sich strengere Klimaschutz-Maßnahmen gut vorstellen. "Je sinnvoller die Lösungen, desto mehr wäre man dazu bereit", sagt Leon, als er mit seiner Partnerin an einem Samstagvormittag an einer SB-Waschanlage das Auto reinigt.
Ein weiteres auf die Spitze getriebenes Gedankenspiel: Was würden die zwei davon halten, wenn der Benzinpreis verdoppelt werden und dafür jeder ein kostenloses ÖPNV-Ticket erhalten würde? In Mohnheim zum Beispiel sind Bahnen und Busse derzeit kostenlos.
"Wäre gut! Würde ich nutzen", sagt Leon. Allerdings seien sie ohnehin nicht ständig auf das Auto angewiesen. Menschen außerhalb der Stadt sind es schon eher.
Keine neuen Einfamilienhäuser?
Und was würden die zwei davon halten, wenn der Bau neuer Einfamilienhäuser stark eingeschränkt, dafür aber Wohnungsmieten deutlich gesenkt werden würden? Im Hamburger Norden zum Beispiel werden in neuen Wohngebieten solche Neubauten nicht mehr ausgewiesen, sondern Geschosswohnungen, die Fläche und Energie effizienter nutzen sollen.
"Aus unserer jetzigen Situation ein klarer Vorteil", sagt Dana und überlegt. "Ich könnte mir aber vorstellen, dass man in zehn Jahren doch den Wunsch hat zu bauen."
Nachhaltig leben, das hat für viele Menschen in der Corona-Krise eine hohe Bedeutung. Laut einem Gutachten des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen ist es vier von fünf Menschen in Deutschland "wichtig" oder sogar "überaus wichtig", nachhaltig zu konsumieren und produzieren, um zukünftig Krisen vorzubeugen.
Katastrophen-Forscher: Klima weiter weg als Corona
Aber wird diese Einstellung auch über das Ende der Pandemie hinaus anhalten? Katastrophen-Forscher Martin Voss bezweifelt, dass unsere Bereitschaft, das Leben einzuschränken, in der Klima-Krise in naher Zukunft ähnlich groß sein wird wie in der Corona-Krise.
Das Problem: Die Pandemie habe "die direkte Betroffenheit" sehr viel "greifbarer" werden lassen als die Klima-Krise - zum Beispiel durch die täglichen Zahlen zu schweren Krankheitsverläufen. Die Klima-Krise hingegen sei für viele Menschen noch nicht im Alltag zu spüren. Selbst von der Hochwasser-Katastrophe würden sich viele noch nicht direkt betroffen fühlen, so Voss.
Desirée Thomas
Für Desirée Thomas ist die Klima-Krise schon immer Thema, wie sie sagt. Strengere Maßnahmen würde daher auch sie begrüßen. Fleisch gibt es in ihrer Familie ohnehin nur einmal in der Woche. Sie fährt Fahrrad und hat kein Auto. Sie lebt in einer Wohnung und heizt damit weniger als viele andere in freistehenden Einfamilienhäusern.
Hoher Strompreis - für manche mit Rabatt?
Was aber würde sie davon halten, wenn der Strompreis noch einmal deutlich erhöht werden würde, im Gegenzug aber alle, die in der Nähe eine Windrads oder Solarparks wohnen, zehn Prozent Rabatt auf ihre Stromrechnung bekämen? So ähnlich fordert das der Verbraucherzentrale-Bundesverband.
"Da bin ich nicht dafür. Das sollte schon für alles gleichberechtigt sein", sagt sie. "Wir können ja nichts dafür, dass wir in der Stadt arbeiten und wohnen."
Was halten Sie davon? Szenario: Strom wird noch teurer. Dafür bekommen alle, die in der Nähe eines Windrads oder Solarparks wohnen, zehn Prozent Rabatt auf ihre Stromrechnung.
Das Ergebnis dieser Umfrage ist nicht repräsentativ. Rundungsbedingt kann es zu Abweichungen kommen.
Für Carsten Warnecke vom New Climate Institute ist klar: Man müsse die Art zu leben und zu konsumieren "komplett ändern", sagt er dem WDR. "Und das müssen wir dauerhaft machen, sonst werden wir das nicht schaffen." Mit welchen Anreizen und Maßnahmen die Politik das schaffen will, das ist noch nicht entschieden.