Die Wirtschaft teilweise lahmgelegt, Einzelhandel und Gastronomie für Wochen geschlossen, Reisen nahezu ausgeschlossen: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Regierungen auf der ganzen Welt bereit sind, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Und viele Menschen tragen diese Schritte mit, die sie vor einer drohenden Gefahr schützen sollen.
Eine der größten Bedrohungen, vor der Wissenschaftler auf der ganzen Welt seit Jahren warnen, ist der Klimawandel. Doch hier ringen Staaten seit mehr als einem Vierteljahrhundert darum, was und vor allem wie viel dagegen unternommen werden soll.
Was wäre, wenn die Weltgemeinschaft die Klimakrise als genauso dringlich ansehen würde wie die Bekämpfung der Corona-Pandemie? Wir haben zwei Forscher gefragt: Was müsste getan werden?
Aus für den Verbrennungsmotor
"Wenn man mich morgen zum zuständigen Minister mit den nötigen Befugnissen machen würde, würde ich ab dem 1. Januar 2022 ein Verkaufsverbot von Autos mit Verbrennungsmotor erlassen." Das sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin.
Der Verkehrsbereich ist in den Überlegungen von Klimaforschern zentral. Er sei der einzige Sektor, "in dem die Emissionen in den letzten drei Jahrzehnten nicht gesunken sind", sagt der Klima- und Energieforscher Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.
Es reiche aber nicht, nur noch Elektrofahrzeuge zu nutzen. Die Menschen müssten mehr zu Fuß gehen, mit dem Rad fahren und andere Verkehrsmittel als das Auto nutzen. Die Infrastruktur müsse entsprechend umgebaut werden.
Schnellerer Umstieg auf erneuerbare Energien
Nächster Bereich: der Energie-Sektor. Ein Großteil der Treibhausgase, für die Deutschland verantwortlich ist, wird bei der Energiegewinnung freigesetzt. "Wenn wir noch eine Chance haben wollen, die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen wir Solar- und Windenergie schnellstmöglich ausbauen", sagt Quaschning.
Die Bevölkerung müsse aber mitziehen und die Windkraft nicht mit Klagen ausbremsen. Fischedick kann sich vorstellen, dass dieser Widerstand nachließe, wenn die Menschen zum Beispiel an den Einnahmen der Anlagen beteiligt würden.
Öl- und Gasheizungen stilllegen
Auch im Bereich Wohnen kann viel CO2 eingespart werden. Quaschning schlägt vor, den Verkauf und Einbau von Öl- und Gasheizung ab 2022 zu verbieten. "Zum Heizen würden dann elektrische Wärmepumpen genutzt werden", so Quaschning, der auch Mitinitiator von "Scientists for Future" ist.
Ganz so radikal würde Fischedick nicht vorgehen. Er schlägt vor, über eine CO2-Steuer das Heizen mit Öl- und Gas so teuer zu machen, dass ein Anreiz besteht, Häuser zu sanieren. Dafür müsste der CO2-Preis aber deutlich teurer werden, als es die aktuellen Pläne der Bundesregierung vorsehen.
Und: Der Staat müsse Vermieter gesetzlich an den Heizkosten beteiligen. "Aktuell haben sie keinen wirklichen Anreiz die Gebäude zu sanieren, da sie nicht die laufenden Kosten für das Heizen zu tragen haben."
"Aktion Sonntagsbraten"
Quaschning fordert höhere Preise bei Fleisch, Milch und anderen tierischen Lebensmitteln. "Gerade in Deutschland werden viele Treibhausgase in der Landwirtschaft freigesetzt", sagt er. Bei empfindlich höheren Preisen würde in den meisten Haushalten weniger Fleisch gegessen - die Produktion würde sinken und somit auch weniger CO2 entstehen. "Ich nenne das Aktion Sonntagsbraten", so Quaschning.
Maßnahmen müssten Menschen erklärt werden
Die Chancen stünden gut, dass solche Maßnahmen von der Bevölkerung mitgetragen werden, meinen beide Wissenschaftler. "Die Corona-Krise hat gezeigt, dass den Menschen viel mehr zumutbar ist, als man denkt", sagt Fischedick. Wichtig sei dabei aber, dass sowohl der gesellschaftliche als auch der private Nutzen solcher Maßnahmen besser erklärt werde.