Impfende Hausärzte klagen über Bürokratie

Stand: 07.04.2021, 11:59 Uhr

Seit Dienstag dürfen auch Hausärzte gegen Corona Impfen - damit es schneller geht. Die ersten Praxen waren schon im Einsatz - doch einige beklagen den großen Aufwand vor allem an Papierkram.

Von Nina Magoley

Die ersten Hausarztpraxen haben mit den Corona-Schutzimpfungen begonnen. Bei den meisten stehen die Telefone seit Tagen nicht mehr still - auch bei Andre Altermann, Hausarzt in Wuppertal: Er rate "dringend" davon ab, beim Hausarzt wegen eines Impftermins anzurufen, sagt Altermann: "Wir sind wirklich jenseits der Leistungsfähigkeit und werden durch diese Anfragen schlicht überfordert."

Nach einem Jahr Pandemie seien die Menschen ungeduldig und hofften, dass es jetzt sofort losgehe, merkt auch Guido Pukies, Facharzt für Innere Medizin und Impfarzt in Neuss. Ihn ärgert aber vor allem der bürokratische Aufwand, der mit der Corona-Impfung verbunden ist: Für die ohnehin nur 24 Impfdosen, die seine Praxis in dieser Woche erhalten habe, müsse er jede Menge fünfstellige Abrechnungsziffern eingeben.

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"Freude getrübt"

Auch für das Ausfüllen der Rezepte, um den Impfstoff in der Apotheke bestellen zu könne, haben er und sein Team eineinhalb Stunden gebraucht, berichtet Pukies im WDR5 Morgenecho. Dann müsse für jeden Geimpften eine Meldung ans RKI gehen, das dann nachvollziehen kann, wie viele Menschen bereits geimpft wurden. "Das ist alles sehr bedauerlich und trübt die große Freude, die die Ärztinnen und Ärzte zunächst hatten".

Politik und Verbände würden sich darauf verlassen, dass die Hausärzte sich ihren Patienten zuliebe durch den Bürokratiedschungel kämpfen, ärgert sich Impfarzt Pukies: "Wir haben ja gar keine Alternative".

Er würde sich wünschen, zu wissen, mit wieviel Impfstoff er nächste Woche rechnen könne - um die Patienten entsprechend einbestellen und den Praxisbetrieb darauf vorbereiten zu können. Wenn das alles weiterhin "auf Zuruf" geschehe, könne es sein, "dass irgendwann Ärztinnen und Ärzte sagen, wir machen nicht mehr mit".

Geht auch: Smarter Umgang mit dem Papierkram

Auch bei Hausarzt Stefan Spieren in Wenden-Hünsborn ist die Nachfrage groß. Er hat sich ein besonderes System überlegt, um den Ablauf zu beschleunigen: „Wir haben die Fragebogen digitalisiert und sie den Patienten vorab per E- Mail zugeschickt. In der Praxis unterschreiben wir beide das noch auf dem Ipad. Und das war’s.

Zum Impfstart hat das System reibungslos funktioniert, zum Beispiel bei Ruth Schneider aus Freudenberg: Ein kurzes Aufklärungsgespräch, der kleine Pieks  und ein Abschlußcheck - dann darf die Freudenbergerin die Praxis wieder verlassen. Insgesamt war sie nicht länger als eine Viertelstunde dort.

KV räumt aufwändige Dokumentation ein

Dass die Dokumentation der Impfaufklärung aufwändig sei, räumt Vanessa Pudlo, Sprecherin Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe (KVWL), ein: Die Aufklärungsbögen umfassten mehrere Seiten und müssten vom Patienten mehrfach unterschrieben werden. Der Vorstand der KVWL setze sich aber "aktuell auf der Bundesebene dafür ein, diesen Prozess zu optimieren und die Ausgestaltung der Aufklärungsbögen zu verschlanken".

Dass die Ärzte bei der Abrechnung noch bestimmte Ziffern angeben müssen, sei aber nicht neu, sagt die Sprecherin: Auch bei anderen Impfungen würden mit der Abrechnung bestimmte Parameter erfasst, die die KVen zur "Impfsurveillance" an das RKI und das Paul-Ehrlich-Institut weiterleiten.

Ablauf und Aufwand klar beschrieben

Auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Westfalen-Lippe und Nordrhein sind die Aufgaben für die Praxen relativ klar beschrieben - auch der erforderliche Papierkram pro Impfling: Die Einwilligungs- und Aufklärungsbögen müssen kopiert und der Patientenakte zugefügt, die Impfung in den Impfpass eintragen werden.

Am Ende eines jeden Tages muss die Praxis ein Protokoll der durchgeführten Impfungen in ein vorbereitetes Online-Formular beim RKI eintragen: Anzahl der Erstimpfungen oder Zweitimpfungen jeweils mit Art des Impfstoffes, Anzahl der über 60-Jährigen bei den Erst- und Abschlussimpfungen. Dazu gibt es jeweils fünfstellige Ziffern.

Jede Praxis bekomme vorerst 18 bis maximal 50 Impfstoffdosen pro Woche, heißt es dort. Zunächst seien es aufgrund der begrenzten Liefermengen etwa 20 Impfdosen je Arzt - auch das ist dort klar kommuniziert. Bestellt wird der Impfstoff – wie bei anderen Schutzimpfungen auch – in der Apotheke. Für das Ausfüllen des Rezepts gibt es eine ausführliche Erklärung. Die Anlieferung der Impfstoffe, so die Auskunft der KVen, erfolge immer Montagnachmittags. Dann dürften die jeweiligen Praxen wissen, wie viele Impfungen sie in der Woche anbieten können.

Ordentliches Honorar pro Impfpatient

Für die niedergelassenen Ärzte ist das Ganze finanziell nicht uninteressant: Pro Erst- oder Zweitimpfung gibt es jeweils 20 Euro, bei Hausbesuchen kommen 35 Euro dazu. Für eine Impfberatung auch am Telefon können zusätzlich zehn Euro abgerechnet werden, fünf Euro für ein Impfzeugnis - etwa für Schwangere oder chronisch Kranke. Verglichen mit den kaum höheren Pauschalen, die ein Arzt pro Patient für ein ganzes Quartal abrechnen kann, ist das viel.

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