So hoch sind die tödlichen Risiken für Corona-Infektion und -Impfung für Kinder
Stand: 05.11.2021, 17:15 Uhr
Ein 12-Jähriger mit schweren Vorerkrankungen ist nach einer Corona-Zweitimpfung gestorben. Ob das auch die Ursache war, untersuchen Ärzte noch. Wie hoch die Risiken einer Impfung generell für Kinder sind - und die einer Infektion für Ungeimpfte: Die Daten sind eindeutig.
Von Oliver Strunk
Die exakte Todesursache des nach einer Corona-Impfung im Kreis Cuxhaven verstorbenen zwölf Jahre alten Jungen steht weiterhin nicht fest. Nach derzeitigem Kenntnisstand werden die abschließenden Ergebnisse der Obduktion frühestens Mitte der kommenden Woche erwartet.
"Leider müssen wir diesen unklaren Zustand noch eine Weile aushalten. In der kommenden Woche wird es hoffentlich weitere Erkenntnisse geben", sagte Landrat Kai-Uwe Bielefeld (parteilos) am Freitag.
Das Kind war zwei Tage nach der Zweitimpfung mit dem Impfstoff Biontech gestorben. Nach einer Mitteilung des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI) wies das Kind schwere Vorerkrankungen auf, die auch das Herz und Gefäße betreffen.
Gesundheitsamt: "Besonders tragischer Fall"
"Wir sehen uns hier mit einem besonders tragischen Fall konfrontiert", sagte der Leiter des Cuxhavener Gesundheitsamtes Kai Dehne. "Rein statistisch treten gravierende Impfnebenwirkungen mit Todesfolge extrem selten auf, aber die betroffene Familie trifft das mit aller Unbarmherzigkeit zu einhundert Prozent."
"Man muss in diesem Fall die individuelle Bewertung abwarten, weil ein zeitlicher Zusammenhang ist nicht unbedingt ein kausaler Zusammenhang", sagte der Direktor der Dortmunder Kinderklinik, Dominik Schneider, dem WDR.
Auch Eva Hummers von der Ständigen Impfkommission (Stiko) weist auf diesen Unterschied hin: Es geschehe zwar selten, so Hummers, aber es gebe bei Kindern auch plötzliche Todesfälle ohne Covid. Nun müsse man schauen, ob ein kausaler Zusammenhang mit einer Impfung wahrscheinlich oder plausibel ist.
Welches Risiko haben Kinder und Jugendliche bei einer Impfung?
Die Stiko hatte den Impfstoff von Biontech/Pfizer für 12- bis 17-Jährige freigegeben, weil sie die Risiken einer Erkrankung höher bewertet als die möglichen Risiken einer Impfung.
Auch Dominik Schneider rät allen ab zwölf Jahren "vorbehaltlos" zu einer Corona-Impfung.
Offiziell bekannt sind bisher fünf Todesfälle nach einer Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen seit Beginn der Impfkampagne Ende 2020 bis Ende September 2021. Es waren vier Jungen und ein 16-jähriges Mädchen.
Bei mindestens drei der Jugendlichen bestanden laut Paul-Ehrlich-Institut schwere Vorerkrankungen. Bei den anderen ist die Datenlage zu unklar für eine Aussage.
Bei allen weist das Paul-Ehrlich-Institut darauf hin, dass es "Verdachtsfälle" sind. Kein Fall sei wahrscheinlich oder möglicherweise im ursächlichen Zusammenhang mit Covid-19. "Je mehr Menschen geimpft werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Reaktionen zufällig im zeitlichen Zusammenhang beobachtet werden - die also auch ohne Impfung aufgetreten wären", so Susanne Stöcker vom PEI gegenüber dem WDR.
Wie viele Kinder und Jugendliche sind geimpft?
Laut Robert Koch-Institut sind 1,9 Millionen Menschen zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland vollständig geimpft, das entspricht 42,5 Prozent. NRW liegt mit 50,2 Prozent über dem Schnitt (Datenstand 05.11.21, 8 Uhr).
Bei welchen Vorerkrankungen häufen sich Fälle?
Immer wieder kritisch bewertet wird das Risiko einer Herzmuskel-Entzündung nach einer Impfung, die bei jungen Männern häufiger auftritt als bei älteren Erwachsenen. Diese ist aber nach Angaben von Dominik Schneider meist sehr leicht verlaufend. Sie gehe meist ohne Nebenwirkungen schnell vorbei. Dem PEI sind keine Todesfälle bekannt.
Aber: "Herzmuskel-Entzündungen können auch nach der Infektion auftreten - und das viel häufiger als nach einer Impfung", sagt Kinderklinik-Chef Schneider.
Und welches Risiko haben ungeimpfte Kinder und Jugendliche bei einer Infektion?
Von März 2020 bis Ende Juni 2021 meldet das RKI in einem Bericht 14 Todesfälle von Unter-18-Jährigen, die "ursächlich an Covid-19 verstorben sind". Bei den Unter-20-Jährigen wurden bisher insgesamt 29 Todesfälle "in Zusammenhang mit Corona" gemeldet.
"SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern verlaufen, anders als bei Erwachsenen, meist mild", so das Robert-Koch-Institut. Aber: "Wenn auch selten, so treten schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle ebenfalls bei Kindern auf."
Im bereits veröffentlichten Bericht vom 18. November 2021 warnt das RKI: "Bei zunehmender SARS-CoV-2-Ausbreitung unter Kindern könnte es im Winter zu einer hohen Zahl an Infektionen im Kindes- und Jugendalter kommen. Je mehr Kinder infiziert werden, desto höher würde dann auch die Anzahl der schweren Krankheitsverläufe ausfallen."
Welche Rolle spielen Vorerkrankungen bei den Impfungen?
Welche Erkrankung eines Kindes eine Vorerkrankung sein könnte, die es besonders anfällig für Nebenwirkungen einer Impfung machen kann, lässt sich noch nicht genau sagen.
Die drei vorerkrankten Jungen, die nach einer Impfung gestorben sind, hatten unterschiedliche Krankheiten. Auch der Erkrankungsverlauf nach der Impfung ist nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts unterschiedlich gewesen.
Aber gerade vorerkrankte Kinder profitieren aber nach Angaben von Kinderklinik-Chef Schneider besonders von einer Impfung. Das betreffe schwere neurologische, aber auch immunologische Erkrankungen: "Diese Kinder sind auch schon sehr früh in die Impfempfehlung eingeschlossen worden, weil man gesehen hat, dass sie als Gesamtgruppe von der Impfung extrem profitieren können."