Kritik der NRW-Schulleiter: Ministerin weist Vorwürfe zurück

Stand: 25.08.2020, 19:57 Uhr

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat am Dienstagabend in der Aktuellen Stunde ihr Corona-Krisenmanagement verteidigt. Zuvor hatte die Schulleitervereinigung (SLV) NRW in einem offenen Brief an Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kein gutes Haar an der Corona-Politik ihres Ministeriums gelassen.

Die Schulleitungsvereinigung NRW wirft dem Ministerium vor, dass es Dinge fordere, die praktisch nicht umsetzbar seien. Im WDR sagte Gebauer, dass diese Kritik nicht nachvollziehbar sei und sie den Stil nicht verstehe. Alle Beteiligten hätten das Corona-Konzept gemeinsam vereinbart. Ihrer Ansicht nach sei der Schulstart nach den Ferien geglückt.

NRW-Regierung entscheidet über Ende der Maskenpflicht

Zu dem Vorwurf, dass in Schulen Fenster nicht zu öffnen seien und man dem Gebot des regelmäßigen Lüftens so kaum nachkommen könne , sagte die Ministerin, es sei Aufgabe der Schulträger, für Abhilfe zu sorgen. Was Kritik an der Maskenpflicht und zu kurzen "Masken-Pausen" betrifft, kündigte Gebauer an, die Pflicht so bald wie möglich wieder abzuschaffen.

Ende der Woche werde die Landesregierung eine Entscheidung fällen - abhängig von der Entwicklung der Infektionszahlen in NRW.

Vorwurf: Ignoranz und "Scheinbeteiligung" der Schulministerin

Die SLV kritisierte außerdem, dass die Ministerin die vielerorts nicht gegebenen baulichen Voraussetzungen in den Schulen ignoriere. Auch die Forderungen nach "festen Lerngruppen" sei angesichts von Kurssystemen, Fördergruppen und Religionsunterricht in verschiedenen Bekenntnissen nicht realisierbar. Dieser Unterricht müsste ausfallen, wenn die Schulen die Forderungen des Ministeriums ernst nähmen.

NRW Schulministerin Yvonne Gebauer auf einer Pressekonferenz (23.06.2020)

Schulministerin Gebauer im Kreuzfeuer der Kritik

Weiter beschäftigen sich die Schulleiter mit der Frage, wie man den Präsenzunterricht in den Schulen mit dem Distanzlernen vergleichen kann. Der Vorwurf: Das Ministerium wolle die Noten und Leistungsbeurteilungen in diesen beiden Bereichen "völlig unreflektiert und oberflächlich" gleichsetzen. Als Folge befürchten die Schulleiter in diesem Bereich "Fluten" von Widersprüchen und Klagen.

Das Schulministerium gaukele laut SLV nur eine "Scheinbeteiligung" vor, komme aber seiner Verantwortung für Vorsorge und Gesundheitsschutz nicht nach. Die Schulleiter sehen die aktuelle Situation als "Feldversuch", bei dem sich das Ministerium aus der Verantwortung ziehe. Eine aktuelle Umfrage, die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll, bestätige die Kritik nachdrücklich.

Philologenverband: Schulstart besser als erwartet

Der Philologenverband (PHV) in NRW, der hauptsächlich Gymnasiallehrer vertritt und politisch als eher konservativ gilt, sieht die Situation anders. "Der SLV stellt die Lage extrem drastisch dar", sagte die Vorsitzende Sabine Mistler am Dienstag dem WDR. Ihr Eindruck: "Der Schulstart ist grundsätzlich besser gelungen als erwartet."

Auch das "Maskenthema" habe sich als nicht so problematisch dargestellt. Zwar gebe es je nach Schule unterschiedliche Ausstattungen und bauliche Vorgaben, mit denen die Lehrer und Schüler jeweils umgehen müssten. Sie halte aber nichts von pauschalen Schuldzuweisungen gegenüber dem Schulministerium. "Ich denke schon, dass die Landesregierung in kürzester Zeit vieles auf den Weg gebracht hat", sagte Mistler.

Warum müssen Lehrer keine Masken tragen?

Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin kritisiert in einem Offenen Brief die Situation an den Schulen in NRW. Da Infektionen meist von Betreuern und Lehrern in Einrichtungen getragen würden, sei nicht nachvollziehbar, wieso die Schüler Masken tragen müssten, die Lehrer aber nicht.

VBE verweist auf langfristige Versäumnisse der Politik

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) verweist vor allem auf die langfristigen Versäumnisse der Politik: "Personalmangel, vernachlässigte Schulgebäude, mangelhafte Ausstattung – Corona deckt schonungslos die Defizite der Schulpolitik auf – sowohl jahrelange Versäumnisse der Landespolitik wie auch die Fehler mancher Schulträger", sagte Stefan Behlau, NRW-Landesvorsitzender des VBE dem WDR.

"Die Klassen sind zu groß und die Räume zu klein, um ausreichend Abstand halten zu können, deswegen ist die Maskenpflicht beispielsweise zurzeit ein notweniges Übel, wenn Schule den politischen Willen eines angepassten Schulbetriebs umsetzen sollen", so Behlau weiter.

5.000 Schüler und 500 Lehrer derzeit in Quarantäne

In der ersten Schulwoche nach den Sommerferien wurden in NRW 30 Corona-Fälle unter den Lehrkräften und 306 Fälle bei Schülerinnen und Schülern registriert. Laut Schulministerium befinden sich derzeit 524 Lehrkräfte und 5.001 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verwies dagegen am Montag auf die Vielzahl der NRW-Schulen, in denen keine Fälle aufgetreten seien. Sein Fazit: Der Schulbetrieb sei gut angelaufen.

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