Griff für die Notbremse in einer Straßenbahn

Meldeverzug hebelt "Bundes-Notbremse" aus

Stand: 12.05.2021, 11:28 Uhr

Seit gut zwei Wochen gilt die "Bundes-Notbremse" mit verbindlichen Regeln für Corona-Beschränkungen. Eine ARD-Analyse zeigt: Die "Notbremse" hat Schwächen.

Von Natalie Sablowski und Christopher Ophoven

Die "Bundes-Notbremse" regelt wo, welche Beschränkungen in den Städten und Kreisen gelten. In einigen Fällen greift sie aber zu spät, Schuld ist der Meldeverzug, also die Übermittlung der Fallzahlen der Gesundheitsämter an das Robert Koch-Institut.

Einige Städte mit großem Meldeverzug

In den meisten Städten und Kreisen ist der Meldeverzug kein Problem. Die meisten Fälle werden direkt gemeldet oder einen Tag später. Es gibt allerdings auch Kommunen in denen noch Tage später viele Fälle nachgemeldet werden: Oberhausen, Bielefeld, der Kreis Steinfurt und der Rhein-Sieg-Kreis.

 

"Eingefrorene Inzidenz" als Problem

Vor der "Notbremse" war der Maßstab immer die 7-Tage-Inzidenz. Nachgemeldete Fälle werden darin auch nachträglich erfasst.

Die Grundlage für die Bundes-Notbremse bildet aber jetzt die "eingefrorene Inzidenz". Dort werden die Nachmeldungen der Vortage nicht nachgetragen. Die nachgemeldeten Fälle verschwinden aber nicht, sie zählen für den Tag, an dem sie dem Robert Koch-Institut gemeldet werden.

In Kommunen in denen viele Fälle nachgemeldet werden, greift die Notbremse deshalb erst Tage später, obwohl das Infektionsgeschehen deutlich stärker geworden ist. Der Vorteil: Die Kommunen können sich besser auf Maßnahmen durch die Notbremse einstellen.

Münster hätte Notbremse ziehen müssen 

Zu welchen Problemen das führt, lässt sich unter anderem am Beispiel von Münster erkennen. Nur die "eingefrorene Inzidenz" verhindert, dass Ende April nicht die “Notbremse" in der Stadt gezogen wird. Die tatsächliche “reale” Inzidenz liegt an mehreren Tagen über 100.

Das Beispiel zeigt gleichzeitig, wie es besser ginge: Würden statt der "eingefrorenen Inzidenz" wenigstens einen Tag später die nachgemeldeten Werte berücksichtigt, dann hätte auch in Münster die "Notbremse" gezogen werden müssen. 

Aachen hätte Schulen eher schließen müssen

Beispiel Aachen: hätten man dort die tatsächliche Inzidenz als Maßstab für die "Notbremse" herangezogen, dann hätten in der Städteregion dort die Schulen bereits am 26. April schließen müssen. Da aber die “eingefrorene Inzidenz” als Referenz gilt, wurden die Schulen erst am 29. April geschlossen. 

Besonders groß ist der Effekt im Rhein-Sieg Kreis, wo seit Wochen immer wieder viele Fälle nachgemeldet werden. In den nächsten Tagen könnte der Kreis sogar aus der Notbremse herausfallen, weil viele Fälle erst nach mehreren Tagen in die Statistik einfließen.

Behörden sind Probleme bekannt

Münster, Aachen und der Rhein-Sieg-Kreis sind keine Einzelfälle. In NRW gibt es noch mehrere Beispiele, wo die Notbremse möglicherweise hätte früher gezogen werden müssen. Recherchen des BR zeigen, dass viele weitere Städte und Kreis in Deutschland betroffen sind. 

Das der Meldeverzug solche Folgen haben kann ist im Landes- und Bundesgesundheitsministerium bekannt. Auf Nachfrage wird allerdings nur auf die bestehende Gesetzeslage und die Daten des Robert Kochs-Instituts verwiesen. Dort wird darauf verwiesen, dass "eingefrorene Inzidenz" als Maßstab für die sogenannte Notbremse eine "politische Entscheidung" sei. 

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