Noch vor vier Monaten hat Annette Brinker als Abteilungsleiterin bei einem Dortmunder Reisebüro gearbeitet, Spezialgebiet Cluburlaub. Dann kam Corona und mit Corona die Kurzarbeit. Die 59-Jährige verbringt jetzt viel Zeit zu Hause, kümmert sich um ihre Eltern. Ohne Kurzarbeit wäre sie arbeitslos, da ist sie sicher. "Wer nimmt jemanden in meinem Alter und würde mich nochmal neu einstellen?"
Betroffene fordern Verlängerung
Ausgezahlt wird das Kurzarbeitergeld - jeweils 60 bis 80 Prozent des letzten Nettolohns - für maximal zwölf Monate, für Annette Brinker also bis zum kommenden März. Sie glaubt, dass sie und viele ihrer Kollegen auf der Straße sitzen würden, sollte die Kurzarbeit dann auslaufen. Brinker fordert darum, die Auszahlung zu verlängern: "Weil wir dann eben nicht diese Schwemme an arbeitslosen Reiseverkehrskaufleuten haben werden!"
Überbrückung bis zum nächsten Aufschwung
Die Leistung wird nur ausgezahlt, wenn die Unternehmen realistische Chancen haben, nach der Krise die Belegschaft wieder regulär zu beschäftigen. Aber ist es tatsächlich realistisch, dass die vielen hunderttausend Kurzarbeiter in der Reisebranche, der Gastronomie oder der Automobilindustrie bald wieder arbeiten können? Ja, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber, er arbeitet am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Kommt ein zweiter Lockdown?
Weber hält den Arbeitsmarkt für ausreichend stabil. "Wie schnell die Wirtschaft sich erholen wird, das hängt auch davon ab, ob es im Herbst eine neue Infektionswelle mit einem Lockdown geben wird", so der Wirtschaftswissenschaftler. Auch er hält eine Verlängerung der Kurzarbeit für sinnvoll, zum Beispiel bis Ende des kommenden Jahres. "Die Unternehmen werden ihre Mitarbeiter wieder brauchen, weil Fachkräftemangel herrscht."
Werden Entlassungen nur hinausgezögert?
Ganz unumstritten ist die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes aber nicht. Sollte der Aufschwung ausbleiben, dann würden Entlassungen nur künstlich hinausgezögert, sagen Kritiker. Touristikkaufmann Philipp Wolf aus Essen etwa arbeitet seit Monaten nicht und erhält die Leistung. Der 32-Jährige kann sich nur schwer vorstellen, bei einer Verlängerung der Kurzarbeit bis zu zwei Jahre am Stück untätig zu bleiben. "Es gibt einen Punkt X, an dem man sagt, okay, das geht so jetzt nicht weiter, und dann muss man sich auch nach Alternativen umsehen."