Die Impfkampagne in Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen Wochen an Tempo zugelegt. Die Zahlen sind beeindruckend: Am Samstag haben laut Robert-Koch-Institut (RKI) insgesamt 8.714.530 Menschen in NRW mindestens eine Corona-Impfung erhalten, immerhin 1.787.392 sind schon vollständig geimpft.
Auch bei der Zahl der Neuinfektionen gibt es gute Nachrichten: Am Samstag sank die Sieben-Tage-Inzidenz auf 92,4 - zum ersten Mal seit knapp zwei Monaten ist der Wert damit unter die 100er-Marke gefallen. Am Sonntag fiel er weiter auf 88,5. Ist das Schlimmste schon überstanden? Fragen und Antworten.
Kann das hohe Impftempo gehalten werden?
Zumindest bei den Erstimpfungen wird es bis Ende Mai wohl nicht so große Fortschritte geben wie bisher. Die Liefermengen beim Impfstoff bleiben zwar einigermaßen stabil, aber ein großer Teil der Dosen wird für die Zweitimpfungen benötigt. Zum Vergleich: 760.000 Erstimpfungen, 1,5 Millionen Zweitimpfungen. Das bedeutet: Wer jetzt noch keinen kurzfristigen Impftermin hat, für den wird es in den kommenden zwei Wochen noch schwieriger, einen zu bekommen.
Falls die Hersteller sich an ihre Lieferversprechungen halten, sind bis Ende Mai in den Impfzentren wöchentlich rund 200.000 Erst- und 280.000 Zweitimpfungen möglich. Hinzu kommen 245.000 Dosen für die Arztpraxen, die aber auch zum größeren Teil für Zweitimpfungen gebraucht werden.
Wann gibt es wieder mehr Impfstoff?
Im Juni soll das Tempo beim Impfen wieder anziehen. Dann sollen allein den Arztpraxen laut NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) über 700.000 Dosen Biontech zur Verfügung stehen - gut doppelt so viele wie im Mai. Dazu kommen noch die Impfstoffe von Moderna, Johnson&Johnson und Astrazeneca. Auch Betriebsärzte sollen dann mit impfen.
Bis Anfang Juli sollen laut NRW-Gesundheitsministerium rund 60 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung erhalten haben. Am Samstag lag dieser Wert noch bei 38,6 Prozent. Vollständig geimpft sind aktuell zehn Prozent.
Wann wird die Priorisierung aufgehoben?
Möglicherweise auch im Juni. Das hatte zumindest Gesundheitsminister Karl-Josef-Laumann (CDU) vor Kurzem in Aussicht gestellt. So streng wie noch zum Jahresbeginn wird die Priorisierung schon jetzt nicht mehr gehandhabt - zumindest nicht in den Arztpraxen.
Hausärzte haben gewöhnlich einen guten Überblick darüber, wie gefährdet ihre Patienten im Fall einer Corona-Infektion wären. Ihre Risikobewertung muss nicht immer mit den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission des Bundes übereinstimmen - was nach Ansicht der Ärztekammern auch vollkommen in Ordnung ist.
Ist hauptsächlich die Impfkampagne für die sinkenden Inzidenzen verantwortlich?
So genau weiß das niemand. Pandemie-Forscher Dirk Brockmann von der Berliner Humboldt-Universität sagte kürzlich im Covid-19-Videopodcast der Deutschen Welle, die positive Entwicklung werde offenbar gleichermaßen von den Impfungen getrieben wie von den weiter bestehenden Kontaktbeschränkungen.
Derzeit gingen überall in Deutschland die Zahlen der Neuinfektionen zurück, ergänzt Brockmann, in allen Altersgruppen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Einfluss der strengeren Corona-Regeln zurzeit noch größer ist als der Impf-Effekt. Denn insbesondere Jugendliche haben bisher nur in Ausnahmefällen eine Impfung erhalten.
Können die Kontaktbeschränkungen bald aufgehoben werden?
Die Sehnsucht nach einem normalen Leben ist zwar groß. Die Mehrheit der Experten warnt aber vor zu schnellen Lockerungen. "Bis wir das Virus unter Kontrolle haben, muss der Anteil der immunen Menschen in der Bevölkerung entweder durch eine vollständige Impfung oder durch eine durchgemachte Infektion plus einer Impfung bei deutlich über 80 Prozent sein", sagt zum Beispiel RKI-Chef Lothar Wieler.
Kann es auch wieder Rückschläge geben?
Natürlich. Die gerade gebrochene "dritte Welle" wurde vor allem durch die britische Mutante des Coronavirus befeuert. Falls sich in Deutschland zum Beispiel die aktuell auch in Großbritannien kursierende indische Variante B.1.617.2 ausbreitet, ist eine "vierte Welle" gut möglich.