Seit das Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgebrochen ist, wird an Impfstoffen geforscht. Am Donnerstag (04.06.2020) ist das auch Thema beim viertuellen Impfstoff-Gipfel in London.
Medizinjournalistin Christina Sartori erklärt im WDR-Interview den Stand der Dinge.
WDR: Wie weit sind wir bei der Impfstoffforschung im Moment?
Christina Sartori: Es gibt mindestens 140 Forschungsprojekte auf der ganzen Welt, und mindestens acht in Deutschland, in denen im Moment an verschiedenen Impfstoffen geforscht wird. Mindestens zehn davon werden schon an Menschen getestet, einer davon in Deutschland.
Da wird an kleinen Gruppen von Freiwilligen getestet, ob der Impfstoff gut vertragen wird, welche Nebenwirkungen es gibt, welche Dosis die richtige ist und ob der Impfstoff dahin kommt, wohin er soll.
WDR: Dauert es dann doch nicht mehr so lange, bis es für alle Menschen einen Impfstoff gibt?
Sartori: Seriöse Wissenschaftler schätzen, dass es noch mindestens bis zum Frühjahr 2021 dauern wird. Ein Impfstoff muss einfach ausreichend getestet werden, bis er Millionen von Menschen gegeben wird.
Generell wird an Impfstoffe deswegen ein unheimlich hoher Qualitätsanspruch gestellt. Und deshalb wird jetzt erstmal kleinen und später größeren Gruppen von Menschen der Impfstoff gespritzt. Um zu schauen, ob der Körper Antikörper bildet und ob es Nebenwirkungen gibt, das braucht seine Zeit.
Wenn es Meldungen gibt, dass ein Institut bald in die Erprobung geht oder dass es schon im Herbst einen Impfstoff gibt, dann muss man dazu wissen, dass diese Institute auch immer auf der Suche nach Geld für ihre Forschung sind. Seriöse Wissenschaftler sagen, dass es erstaunlich wäre, wenn es schon im Herbst einen erprobten Impfstoff gäbe.
WDR: Sollte man sich möglichst früh impfen zu lassen, sobald es einen Impfstoff gibt?
Sartori: Ich könnte mir gut vorstellen, dass man gar nicht gefragt wird, ob man sich als erstes impfen lassen will. Sondern dass bestimmt wird, wer den Impfstoff überhaupt zuerst bekommen darf.
Es wird einen Ansturm geben und es wird eine schwierige politische Entscheidung sein, wer zuerst geimpft werden kann. Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn medizinisches Personal zuerst geimpft wird.
Außerdem wahrscheinlich Menschen aus Risikogruppen oder ältere Menschen, vielleicht auch Menschen aus systemrelevanten Berufen. Wir werden auf jeden Fall nicht 80 Millionen Dosen Impfstoff auf einmal zur Verfügung haben, deswegen wird es eine vorgegebene Reihenfolge geben müssen.
Das Interview führte Lena Sterz.
Corona gefährdet weltweite Impfkampagnen
Beim virtuellen Impfstoff-Gipfel am Donnerstag (04.06.2020) in London soll Geld für die Stiftung GAVI gesammelt werden, die Kinder in armen Ländern Zugang zu Impfungen gegen lebensbedrohliche Krankheiten ermöglichen soll.
Durch die Corona-Krise wurden indes Impfprogramme ausgesetzt oder kaum noch durchgeführt: Das Kinderhilfswerk Unicef gibt an, dass 25 Länder Impfungen gegen Masern verschoben haben und mehrere Länder ihre Polio-Impfkampagnen ausgesetzt haben. Zum einen, weil Impfen kaum möglich ist, wenn alle zu Hause bleiben sollen.
Zum zweiten gelangt derzeit auch weniger Impfstoff als sonst in diese Länder, normalerweise transportieren normale Passagier-Flugzeuge den Impfstoff – das fällt jetzt weg. Und damit könnten sich gefährliche Krankheiten, wie eben z.b. Polio und Masern wieder ausbreiten – die man ja eigentlich ausrotten will.