Je mehr sich Deutschland seinem Impfziel nähert, desto lauter wird der Ruf nach einem vollständigen Ende der Corona-Regeln. Kassenärzte-Chef Andreas Gassen wiederholte am Freitag seine Forderung nach dem "Freedom-Day".
Umfrage: Tatsächliche Impfquote höher als offizielle
Anlass gaben ihm die neuen Erkenntnisse zur Impfquote. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstag mitteilte, gibt es laut einer Umfrage mehr Geimpfte als offiziell erfasst. Neu ist diese Erkenntnis nicht - die Zahlen aber sind es.
Demnach sei anzunehmen, dass unter Erwachsenen in Deutschland bis zu 84 Prozent mindestens einmal geimpft sind und bis zu 80 Prozent bereits die zweite Dosis erhalten haben (Stichtag 5. Oktober). Das seien bis zu fünf Prozent mehr als offiziell erfasst.
Im Juli gab das RKI diese Quoten als Impfziel aus:
- 85 Prozent Geimpfte unter den 12- bis 59-Jährigen
- 90 Prozent Geimpfte unter den Über-60-Jährigen
"Schön, dass das RKI diese erfreulichen Zahlen nun liefert." Viel mehr als 80 Prozent "gibt es nirgendwo auf der Welt", sagte Gassen laut "Bild"-Zeitung vom Freitag.
Da die offizielle Impfquote offenbar niedriger sei als die tatsächliche, könne man mit ihr "nun nicht mehr für Corona-Maßnahmen argumentieren", so der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Am Donnerstag hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Grundlage der neuen RKI-Erhebung einen Teil der Corona-Regeln für verzichtbar erklärt. Deutschland könne nunmehr allein mit den 3G-Regeln (geimpft, genesen oder getestet) für Innenräume sowie den Schutzmasken in Bus und Bahn gut durch Herbst und Winter kommen.
Gassen fordert konkreten Plan für Ende der Corona-Regeln
Gassens Forderung geht aber noch weiter, wie er am Mittwoch bei "Maischberger" im Ersten erläuterte. Demnach gehe es ihm weniger um ein konkretes Datum, an dem die letzten Corona-Einschränkungen wegfallen, sondern um einen konkreten Plan, wann es so weit sei.
Virologe Klaus Stöhr ist sogar der Meinung, dass die Einschränkungen für Kinder und Jugendliche "sofort" wegfallen sollten, und zwar alle, wie er laut "Neuer Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag sagte. Dazu gehöre auch, dass in den Schulen die Maskenpflicht und die Testpflicht wegfallen sollten. Als Grund nannte der ehemalige WHO-Direktor, dass Kinder und Jugendliche an Corona nicht schwer erkrankten.
Zustimmung zum angestrebten Maskenpflicht-Ende
Nach Plänen der NRW-Regierung soll die Maskenpflicht im Unterricht voraussichtlich zum 2. November wegfallen. Zustimmung zu den Plänen gab es unter anderem vom Deutschen Kinderhilfswerk und vom Elternverein Nordrhein-Westfalen.
Es gibt aber auch Widerspruch. So geht das Team der Technischen Universität Berlin um Mobilitätsforscher Kai Nagel davon aus, dass im Herbst und Winter sowohl die Maskenpflicht im Unterricht als auch manche andere Corona-Maßnahmen gebraucht werden, um die Pandemie kontrollierbar zu halten. Nach ihren Berechnungen steht der "Herbstanstieg" der Infektionszahlen und Hospitalisierungen erst noch bevor.