Erster Corona-Fall in NRW - ein Jahr danach

Stand: 25.02.2021, 14:35 Uhr

Es ist der 25. Februar, Veilchendienstag vor einem Jahr, als ein Mann aus dem Kreis Heinsberg die Diagnose bekommt: Corona, positiv. Der Kreis Heinsberg ist der erste Corona-Hotspot im Westen.

"Oh Gott, da bist Du jetzt in was reingeraten mit deinem kleinen, beschaulichen Kreis Heinsberg", erinnert sich Landrat Stephan Pusch. Schon am Tag darauf steht er mit dem Landes- und dann auch mit dem Bundesgesundheitsminister in Kontakt. Und sitzt in Düsseldorf der gesammelten Presse gegenüber. Um zu erklären.

Ein 47-jähriger Mann, der zehn Tage zuvor bei der Kappensitzung in der Bürgerhalle von Gangelt mit 300 Jecken feierte, hat möglicherweise Menschen angesteckt. Niemand weiß das am Abend des Veilchendienstags 2020 genau. Doch schon die nächsten Stunden und Tage zeigen: Der Kreis Heinsberg ist der erste Corona-Hotspot im Westen. Eine aufreibende, anstrengende Zeit beginnt für den Landrat und die Bewohner seines Kreises. Die Menschen erleben Dinge, die sie so nie zuvor erlebt haben.

Böse Sprüche und unverständliche Entscheidungen

So sollen zum Beispiel Heinsberger nicht zum Fußballbundesliga-Spiel im benachbarten Mönchengladbach kommen; sie sollen ihre Karten zurückgeben. Das sei "so naiv dumm" gewesen, sagt Pusch. Auch Sprüche wie 'Kreis Heinsberg ist Partnerstadt von Wuhan' oder Vergleiche mit Ischgl ärgern ihn noch heute. "Wir haben die Dinge konsequent angepackt, während die in Ischgl noch eine Woche gefeiert haben", sagt Pusch.

Autos mit HS-Kennzeichen zerkratzt

Clemens Hilmar aus Effeld erinnert sich, wie enttäuscht er von der Reaktion der Menschen in benachbarten Städten war. "Wir haben gemerkt, dass man Repressalien ausgesetzt ist", sagt Hilmar. Als er zum Beispiel in den Niederlanden einkaufen will, wird er aus dem Parkhaus "verjagt". Man wolle nichts "mit kranken Menschen" zu tun haben, sagt man ihm.

Hilmar erinnert sich, dass viele Autos mit dem Kennzeichen HS zerkratzt wurden. Die Unterstützung der Landesregierung, die hat er vermisst: "Wir haben uns im Stich gelassen gefühlt."

"Wie in einem schlechten Film"

"Das war alles wie in einem schlechten Film", erzählt auch Julia Engelbrecht aus der Gemeinde Waldfeucht. Bei einem Seminar in Hamburg - kurz nach dem Ausbruch - sagen ihr die anderen Teilnehmer, sie möge sich doch bitte ganz nach hinten setzen. Oder es wird ihr nicht die Hand gereicht, wenn man ihr Autokennzeichen HS gesehen hat. "Verständlich. Mir wäre es wahrscheinlich auch so gegangen", sagt sie ehrlich.

"Wir haben oft nicht gesagt, dass wir aus Heinsberg kommen", erinnert sich Anneliese Angermann aus Wassenberg. "Es wurde darüber geschimpft, dass wir die Ursache wären."

Solidarität ist größer geworden

"Der Name Heinsberg ist zwar berühmt geworden, aber leider nicht im positiven Sinn", sagt Christian Schreinemachers. Die Solidarität innerhalb des Kreises wäre durch die Situation aber größer geworden, man sei näher zusammengerückt.

Und der Landrat? Stephan Pusch sagt über sich selber, er sei ein harmoniebedürftiger Mensch und er habe seinen Frieden mit den Erlebnissen vor einem Jahr gemacht. Pusch: "Man muss Verständnis haben, dass Menschen so reagieren. Das ist unsere menschliche Natur."

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