Welcher Corona-Patient wird intensiv behandelt, welcher nicht: Angst vor der Triage
Stand: 14.04.2021, 05:45 Uhr
Patienten fürchten zu sterben - Ärzte über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Angesichts immer weniger freier Intensivbetten gerät das Horrorszenario "Triage" wieder in den Corona-Fokus.
Von Frank Menke
"Ich habe Angst, dass ich persönlich an dem Punkt stehe, wo ich triagieren muss und zwar persönlich entscheiden muss, welchen Patienten ich sterben lasse", sagte der Kölner Intensivmediziner Dr. Alexander Shimabukuro-Vornhagen von der Uniklinik dem WDR am Dienstag.
Entscheidung über Beatmungsgeräte
Denn die Situation spitzt sich wegen der vielen Corona-Patienten (nicht nur) in Köln zu. Die Intensivstation der Kölner Uniklinik ist belegt wie nie zuvor. Und damit steht das Horrorszenario Triage im Raum. Der Begriff bezeichnet eine Situation, in der Ärzte entscheiden müssen, welche Patienten sie bei begrenzten medizinischen Kapazitäten bevorzugt behandeln.
Bei Corona-Patienten geht es dann zum Beispiel darum, wer an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird - und wer nicht. In manchen Fällen wird es eine Entscheidung über Leben und Tod sein.
Nur noch eine Woche bis zum "worst case"?
Laut Prof. Michael Hallek, Direktor der Inneren Medizin an der Kölner Uniklinik, könnte diese Situation schon in Kürze eintreten. "Wenn die Zahlen weiter steigen, ist es noch eine Woche. Weil wir jetzt ja schon Situationen haben, wo wir am Wochenende keine Intensivbetten mehr finden für bestimmte Patienten und dann in Telefonanrufen über mehrere Stunden sie irgendwo im Stadtgebiet versuchen unterzubringen", sagte er in der Aktuellen Stunde.
Mediziner wütend über die Corona-Politik
Die Intensivmediziner haben nicht nur Angst vor der Triage, sie sind auch wütend - wütend auf die Politik und die zögerlichen Entscheidungen. "Wir haben im Grunde genommen die jetzige Entwicklung vorhergesagt. Alle Zahlen deuteten auf das hin, was jetzt kommt. Das heißt, es ist mit Ansage und voll vorhersehbar gewesen und es ist nicht vermieden worden", so Hallek.
Hallek: Politik scheut unpopuläre Maßnahmen
Der Direktor der Inneren Medizin sieht viele Faktoren dafür. Einer sei "sicherlich dieses besondere Wahljahr, was ganz viele Entscheidungen verzögert, weil man Sorge hat, unpopuläre Maßnahmen zu treffen und einen kurzen Lockdown zu beschließen, der wirklich funktioniert."
Hallek rechnete in der Aktuellen Stunde vor, dass es noch zwei Monate dauern werde, bis der Impfeffekt in der Bevölkerung zum Tragen komme: "Und in diesen zwei Monaten können wir nicht einfach zusehen, wie tausende von Menschen an dieser Pandemie versterben, ohne dass wir was dagegen tun."
Bitter auch: Anders als in der ersten und zweiten Coronawelle sind die Corona-Patienten in der Kölner Uniklinik inzwischen deutlich jünger, im Schnitt 50 Jahre alt. Fast alle sind an der britischen Mutante B1.1.7 erkrankt, viele Entlassene leiden unter Langzeitschäden. Konsequentes und schnelles Handeln wäre also in jeder Hinsicht vonnöten.