Corona-Notbremse: Kommunaler Flickenteppich mit und ohne Ausgangssperre

Stand: 13.04.2021, 19:32 Uhr

In fast allen NRW-Kommunen liegt die Wocheninzidenz über 100. Doch wie die "Notbremse" aussieht, entscheidet jeder für sich - noch. Das Kabinett hat Änderungen im Infektionsschutzgesetz beschlossen.

In nur sieben der 53 Städte und Kreise in NRW liegt die Wocheninzidenz unter 100: Ennepe-Ruhr (93,8), Paderborn (91,3), Coesfeld (84,3), Münster (81,5), Bottrop (79,1), Soest (74,9), und Höxter (67,7) (Stand 13.04.2021).

In allen anderen Kommunen ist das Infektionsgeschehen höher. Wenn das drei Tage hintereinander der Fall ist, greift entsprechend die "Notbremse" des Landes. Doch wie stark "gebremst" wird und was weiterhin möglich ist, ist Sache der jeweiligen Kommune. Ein Überblick:

Nächtliche Ausgangsbeschränkungen

Die meisten Menschen reden von "Ausgangssperren", offiziell heißen sie "Ausgangsbeschränkungen". Derzeit sind diese in Siegen-Wittgenstein, Minden-Lübbecke, Hagen, Remscheid und im Märkischen Kreis beschlossen.

Im Märkischen Kreis hat allerdings das Verwaltungsgericht Arnsberg die Beschränkung am Dienstag aufgehoben. Es gebe Zweifel an der Rechtmäßigkeit, so das Gericht. Zwischen 21 und 5 Uhr (in Minden-Lübbecke: 4 Uhr) darf man sich in den betroffenen Kommunen nur draußen aufhalten, wenn das beruflich erforderlich ist, wenn ein Notfall besteht oder wenn man mit seinem Hund unterwegs ist.

Verschiedene Juristen haben allerdings rechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung angemeldet.

Kontaktbeschränkungen

In allen Kommunen, in denen die Notbremse in Kraft ist, sind nur noch Treffen zwischen einem Hausstand und maximal einer weiteren Person erlaubt. Kinder bis 14 Jahre zählen nicht dazu.

Dienstleistungen und Geschäfte

Wenn die Notbremse greift, dürfen auch Geschäfte keine Termine mehr vereinbaren, sondern müssen ihre Waren über einen Abholservice verkaufen. Allerdings gibt es eine Ausnahmeregelung: Wenn entsprechend getestet wird. Und von dieser Ausnahme machen die meisten NRW-Kommunen Gebrauch.

Laut Gesundheitsministerium nutzen 40 Kommunen die Option, Lockerungen mit Tests aufrechtzuerhalten. Bei zwei weiteren Kommunen gibt es diese Lockerungen nur in manchen Bereichen.

Ein aktuelles Beispiel ist Düsseldorf (Inzidenz 116,7): Dort gilt seit heute die Notbremse. Museen, Kosmetikstudios und manche Einzelhändler haben aber dennoch geöffnet - wenn man einen negativen Test mitbringt.

In Herne (Inzidenz: 178,3) hingegen haben Kosmetikstudios und Museen seit heute geschlossen, Friseure sind geöffnet. Und auch der Einzelhandel darf weiter Termine vereinbaren.

"Bundesnotbremse" vom Kabinett beschlossen

Diesen unübersichtlichen Flickenteppich soll die "Bundesnotbremse" reparieren, die im überarbeiteten Infektionsschutzgesetz festgeschrieben ist und am Dienstag im Kabinett beschlossen wurde. Diese legt folgende Maßnahmen für alle Kommunen fest:

Ab einer Inzidenz von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen ...

  • soll von 21 Uhr bis 5 Uhr der Aufenthalt außerhalb der Wohnung durch eine Ausgangsbeschränkung untersagt werden.
  • sollen private Kontakte ausdrücklich "im öffentlichen oder privaten Raum" stärker eingeschränkt werden (dies ist in NRW bisher nicht so eindeutig für den privaten Bereich geregelt). Angehörige eines Haushalts dürfen nur noch mit einer weiteren Person zusammenkommen; maximal dürfen sich fünf Menschen treffen. Kinder unter 14 Jahren zählen nicht dazu.
  • sollen die meisten Geschäfte wieder schließen. Ausgenommen: Lebensmittelhandel, Reformhäuser, Apotheken, Drogerien, Optiker, Buchhandlungen, Gartenmärkte, Tierbedarf und Tankstellen. Medizinische Dienstleister sowie Friseure sollen geöffnet bleiben - wenn eine Maske getragen wird.
  • sollen Freizeiteinrichtungen wie Theater, Zoos und Museen geschlossen werden.
  • sollen Übernachtungsangebote untersagt werden.
  • soll Sport nur kontaktlos allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand erlaubt sein. Ausnahmen gelten für Leistungssportler.

Ab einer Inzidenz von 200 an drei aufeinander folgenden Tagen ...

  • sollen Schulen den Präsenzunterricht einstellen. Auch Kitas sollen dann schließen. Es soll allerdings Notbetreuung ermöglicht werden.

Das Gesetz muss noch vom Bundestag verabschiedet werden. Wenn das Gesetz dort keine Zwei-Drittel-Mehrheit bekommt, also nicht noch eine weitere Fraktion neben der Großen Koalition zustimmt, hat der Bundesrat das letzte Wort. Ob das Gesetz vor Ende April in Kraft tritt, ist fraglich.

Intensivmediziner sehen dramatische Lage

Intensivmediziner mahnen zu einer schnellen Umsetzung. "Die Luft wird dünn und die Belastung der Mitarbeiter nimmt ebenfalls dramatisch zu", sagte der frühere Präsident der Deutschen Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI) Uwe Janssens im WDR. In Ballungsgebieten wie Köln oder Berlin gebe es nur noch deutlich unter 10 Prozent freier Intensivbetten.

Auch Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Intensivmedizin (DGIIN), sagte: "Es muss JETZT was passieren." Die Auslastung der Betten habe ihren Höhepunkt längst erreicht.

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