Mehr als 270.000 Pflegebedürftige in NRW müssen weiter auf Corona-Impfung warten

Stand: 29.12.2020, 16:21 Uhr

Mehr als 60 Prozent der Pflegebedürftigen in NRW werden ambulant, also nicht in Heimen versorgt. Wann sie und viele ihrer Pflegenden gegen Corona geimpft werden, ist noch immer unklar.

Monatelang hat NRW auf den Corona-Impfstoff gewartet, jetzt ist er da. Seit Sonntag werden die ersten Menschen im Land mit dem Präparat von Biontech geimpft. Als erstes sollen besonders gefährdete Personen den Impfstoff bekommen. Laut der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) sind das unter anderem Pflegebedürftige, Über-80-Jährige sowie medizinisches und Pflegepersonal, das zu besonders anfälligen Gruppen engen Kontakt hat.

Doch viele dieser Menschen müssen voraussichtlich noch lange auf eine Impfung warten. Denn nach Informationen des NRW-Gesundheitsministeriums werden zunächst nur Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen geimpft. Doch was ist zum Beispiel mit jenen, die einen Pflegebedürftigen zu Hause pflegen?

Die Gruppe ist alles andere als klein: Mehr als 60 Prozent der 443.000 Pflegebedürftigen in NRW wurden Ende 2019 laut dem Statistischen Landesamt zuhause von Angehörigen und Mitarbeitern von ambulanten Pflegediensten versorgt. Bundesweit waren es nach Informationen des Statistischen Bundesamtes sogar 80 Prozent. Wann sie geimpft werden sollen, ist noch immer unklar.

Pflegende Angehörige sind vielfach verzweifelt

Das empört Regina Schmidt-Zadel, Vorsitzende des Landesverbands der Alzheimer Gesellschaften NRW. "Ich habe guten Kontakt zu den Menschen, die zu Hause pflegen und die sind zum Teil verzweifelt", sagte Schmidt-Zadel in einem WDR-Extra. Verzweifelt deshalb, weil sie das Gefühl hätten, beim Impfen gegen das Coronavirus außen vor zu sein.

Die pflegenden Angehörigen sind wichtig. Fallen sie aus, etwa, weil sie sich mit Corona infiziert haben, müssen die Pflegebedürftigen in ein Heim oder in ein Krankenhaus. Darüber seien die pflegenden Angehörigen zutiefst besorgt. "Sie fühlen sich alleingelassen", so Schmidt-Zadel.

Biontech-Impfstoff nicht für Impfung zuhause geeignet

Laut MAGS NRW können sich die Menschen, die in den eigenen vier Wänden gepflegt werden, älter als 80 Jahre und noch mobil sind, im entsprechenden Impfzentrum vor Ort impfen lassen, sobald die Impfzentren den Betrieb aufgenommen haben und genügend Impfstoff vorhanden ist.

Diejenigen, die nicht mehr selbst in ein Impfzentrum kommen können, sollen das Vakzin durch mobile Impfteams gespritzt bekommen. "Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der entsprechende Impfstoff auch geeignet ist", heißt es aus dem Gesundheitsministerium. "Dies ist beim Biontech-Impfstoff nicht der Fall."

Kritik an Impfempfehlungen der STIKO

Dazu kommt, dass viele der Menschen, die ihre Angehörigen zuhause pflegen, selbst dann nicht geimpft werden würden - weil sie laut Schutzimpfung-Verordnung zur Gruppe 2 mit "hoher Priorität" gehören, nicht zur Gruppe 1 mit "höchster Priorität". "Werden sie krank, ist eine Versorgung der zu Hause lebenden Menschen mit Demenz nicht mehr gewährleistet", kritisiert unter anderem die Deutsche Alzheimer Gesellschaft und fordert von der STIKO, pflegende Angehörige als zu priorisierende Personengruppe in die Impfempfehlung aufzunehmen.

Das Gleiche fordert auch die Interessenvertretung begleitender Angehöriger und Freunde in Deutschland und bemängelt grundsätzlich: "Noch immer tauchen 2,6 Millionen Menschen mit Pflegebedarf und rund fünf Millionen pflegende Angehörige in der häuslichen Pflege in den zentralen politischen Corona-Maßnahmen nicht auf."

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