"Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass man damit viel erreichen wird und bin deswegen grundsätzlich skeptisch." NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) machte am Sonntag in der WDR-Sendung "Westpol" keinen Hehl aus seiner Einstellung zur viel diskutierten 15-km-Regel. Er bezweifle, ob sie wirklich wirke. Zudem stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit und ob die Regelung gerichtlich standhalten würde. Sein Fazit: "Es gibt bessere Möglichkeiten."
Wissenschaftler widersprechen Stamp
Damit stellt sich Stamp gegen die Absprachen beim letzten Bund-Länder-Gipfel. Nicht nur die Bundesregierung, auch viele Wissenschaftler halten die Einschränkung des Bewegungsradius für ein geeignetes Mittel. Die Bewegungsbeschränkung "treffe nicht nur die Menschen, sondern auch das Virus", sagte Rolf Kaiser, Virologe an der Kölner Uniklinik. Ähnlich argumentiert das Robert-Koch-Institut. "Es geht um das Einschränken der Kontakte", so Epidemiologe Dirk Brockmann am Sonntag. Und ergänzte: Auf einer kleineren Skala von "fünf Kilometern oder noch weniger" habe die Maßnahme noch viel größere Effekte.
Landesregierung sieht "Melde- und Testunsicherheiten"
In der neuen Corona-Schutzverordnung, die ab heute in NRW gilt, ist die 15-km-Regel aber nicht enthalten. Es gibt auch keinen Automatismus, dass sie ab einem bestimmten Inzidenzwert greift. Die Entscheidung darüber liegt bei den Kommunen. Die zögern allerdings, diese Regelung einzuführen. In Höxter und im Oberbergischen Kreis, die am Montag die höchsten Infektionswerte in NRW hatten, wird sie nicht angewendet.
Wegen der Ferien und Feiertage gebe es derzeit viele Melde- und Testunsicherheiten. Das NRW-Gesundheitsministerium hatte angekündigt abzuwarten, bis die Daten einer Woche ohne Feiertage vorlägen. Das wäre heute der Fall.
15-km-Regel soll Ausflüge verhindern
Entscheidend bei der Regelung ist übrigens dabei nicht die eigene Adresse, sondern der Wohnort. Der Radius beginnt an der Stadt- oder Kreisgrenze. Innerhalb dessen darf man sich frei bewegen.Natürlich gibt es Ausnahmen. Denn wer in einer ländlichen Region lebt, hat nicht immer einen Supermarkt um die Ecke. Deshalb heißt es: "Sofern kein triftiger Grund vorliegt". Lebensmitteleinkäufe, die Fahrt zum Job oder auch ein Arztbesuch gelten als "triftige Gründe". Die neue Regel soll vor allem dazu beitragen, dass touristische Tagestouren nicht mehr stattfinden.
Skepsis gegenüber Sinn und Wirkung
An der zwingenden Regel hatte es viel Kritik gegeben. Zum Beispiel sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, die Bewegungseinschränkungen brächten "große Teile" der Bevölkerung vor allem in ländlichen Räumen in Schwierigkeiten. Der Städte- und Gemeindebund warf auch die Frage auf, wie die Regel überhaupt kontrolliert werden soll.