Die Diskussion um den richtigen Moment der Lockerung von Corona-Beschränkungen hat mit einem Vorstoß der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) neue Fahrt aufgenommen. Sie unterstützt die No-Covid-Initiative, die eine 7-Tages-Inzidenz von 10 und darunter anstrebt, um öffnen zu können. In Köln liegt die 7-Tages-Inzidenz am Donnerstag bei 69,4 und damit deutlich über dem Landesdurchschnitt, der aktuell 57,1 beträgt.
Die Positionen der Fraktionen zu No-Covid
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Peter Preuß, sagte auf Anfrage: "Unser langfristiges Ziel muss keine Inzidenz von zehn sein, sondern von null." Entscheidend sei die Frage: "Was knüpfen wir an den jeweiligen Inzidenzwert?" Man könne "den Menschen nicht erst den Wert 35 als Ziel nennen und dann sagen: April, April, jetzt gibt es Lockerungen aber doch erst bei zehn. Fairness und Augenmaß in der Politik sind wichtig für Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung."
Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion NRW Christof Rasche betont: Ein entscheidender Faktor für den Erfolg sei, dass die Menschen in NRW die Maßnahmen mittragen und sie nachvollziehen können. "Das Herumdoktern an Grenzwerten oder Rufe nach immer härteren Maßnahmen, erst recht bei einer positiven Inzidenzwert-Entwicklung, schaden der Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern."
Die grüne Fraktionsvorsitzende Josefine Paul hält "vorsichtige Öffnungen" ab einem Inzidenzwert von 35 für angemessen. Sie fordert eine Intensivierung der Teststrategie und eine Überprüfung aller positiven Tests auf mögliche Mutationen. "Zudem wäre es wichtig zu einem umfassenderen Berechnungsfaktor zu kommen, der neben den Inzidenzwerten weitere Parameter wie Hospitalisierungsgrad, Sterblichkeitsrate, Auslastung der Intensivbetten, Impfrate oder die Dynamik des Infektionsgeschehens aufgreift."
Für Martin Vincentz, den gesundheitspolitischen Sprecher der AfD, ist Rekers Vorstoß "als Ausdruck völliger Hilf- und Orientierungslosigkeit beklemmend und weltfremd." Wer so etwas fordere, für den sei Freiheit kein Wert. "Der Schaden einer solchen Maßnahme würde den erhofften Nutzen bei weitem übertreffen."
Auch Laschet lehnt No-Covid ab
Auch die Landesregierung hat einem schärferen Grenzwert, ab dem geöffnet werden kann, bereits eine Absage erteilt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte am Montag bei einer virtuellen Parteiveranstaltung gesagt: "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet." Am Dienstag präzisierte er im ZDF, dass er damit die Inzidenzen von 10 oder Null oder auch den Vorschlag von 25 meint. Immer neue Zahlen zu nennen verunsichere die Menschen und zerstöre Akzeptanz, so Laschet.
Aus der Landespolitik kommt also auf breiter Front eine Absage an die No-Covid-Strategie. Für Köln bedeutet das konkret, dass es schwer wird für Henriette Reker, ihre Vorstellungen umzusetzen. Denn die Gestaltungsräume für kommunale Alleingänge sind eng. Vieles kann nur in Absprache mit dem Gesundheitsministerium des Landes umgesetzt werden.
Die No-Covid-Initiative
Am 18. Januar 2021 stellten 13 deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr No-Covid-Strategiepapier vor. Ein zentrales Element ist dabei ein Lockdown bis zur Inzidenz von 10. Das Fernziel ist eine Inzidenz von null. Zudem setzt diese Strategie auf "die Testung an strategischen Einrichtungen mit hohem Publikumsverkehr ('Freitesten'), die langsame Öffnung des öffentlichen Lebens nach klar definierten Schritten und die schnelle, lokal begrenzte Wiedereinführung von Maßnahmen, sollte es zum Wiederaufflammen des Infektionsgeschehens kommen." Wünschenswert sei eine gemeinsame europäische Strategie.
Zu den Unterzeichnenden des Strategiepapiers gehören Forschende unterschiedlicher Disziplinen. Unter anderem die Virologin Melanie Brinkmann, der Physiker Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, der Ökonom Clemens Fuest, der Internist Michael Hallek von der Uni-Klinik Köln, der Düsseldorfer Pädagoge Menno Baumann und der Bonner Politikwissenschaftler Maximilian Meyer. Die Epedimiologie ist nicht vertreten.
Nicht zu verwechseln ist No-Covid übrigens mit Zero-Covid. Letztere bezieht sich auf einen internationalen Aufruf, den europäische Wissenschaftler am 19. Dezember 2020 initiiert haben. Die Ziele dieser Kampagne sind teilweise weitreichender. So will Zero Covid stärker als No Covid die Wirtschaft runterfahren.