CDU-Chef Laschet löst Wirbel um Corona-Grenzwerte aus

Stand: 16.02.2021, 16:26 Uhr

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat den Inzidenzwert als Maßstab für weitere Öffnungen in Frage gestellt - und damit eine kontroverse Diskussion ausgelöst.

Von Sabine Tenta

Der digitale Neujahrsempfang des baden-württembergischen Landesverbands des CDU-Wirtschaftsrats hat es zu bundesweiter Beachtung geschafft - dank Armin Laschet. Der NRW-Ministerpräsident und neue CDU-Bundesvorsitzende sagte dort am Montagabend: "Populär ist glaube ich immer noch die Haltung, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder." Das trage aber nicht auf Dauer, sagte Laschet.

Man müsse das Virus und seine Mutationen zwar ernst nehmen. Aber man müsse zu einer abwägenden Position zurückkommen. Kinder, die monatelang nicht in Schule oder Kita gehen, erlitten vielleicht Schaden fürs ganze Leben. Laschet warnte vor einem zu einseitigen Fokus auf den Inzidenzwert. Man könne nicht immer neue Grenzwerte erfinden: "Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen." Man müsse all die anderen Schäden etwa für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Kultur genauso im Blick haben.

Welchen Grenzwert meint Laschet?

Wenn man sich den Mitschnitt der Veranstaltung anschaut, sieht man, dass es nur in einem kurzen Passus um die Inzidenzwerte geht. Ansonsten ist es eine wirtschaftspolitische Grundsatzrede des CDU-Bundesvorsitzenden an die Mitglieder in Baden-Württemberg, die im Landtagswahlkampf sind. Eine gute Viertelstunde spricht Laschet insgesamt.

Zur Öffnungs-Debatte sagt Laschet: "Da gibt es die Aktivisten, die Zero-Covid sagen, die Werte unter 10 als Ziel geben, aber da gibt es die anderen, die genau sagen, wie können wir denn Schritt für Schritt wieder ins wirtschaftliche, ins gesellschaftliche, ins kulturelle, ins soziale Leben zurückkommen." Unklar ist, ob Laschet die unterschiedlichen Positionen der Initiativen von Zero-Covid und No-Covid möglicherweise verwechselt. Nur letztere sprechen von einer Inzidenz unter 10.

Dann erwähnt Laschet die nächste MPK am 3. März und sagt dann wörtlich: "Meine Grundposition ist, wir können, nachdem wir jetzt die 50 erreicht haben - Baden-Württemberg hat heute 49 erreicht, wir werden in Kürze auch die 35 erreichen - aber man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet. Das wird die Debatte sein, die die nächsten Wochen bestimmt." Es ist in diesem Kontext offen, welchen Grenzwert genau Laschet mit der "Neuerfindung" meint. Sicher ist, die Debatte, die er erwähnt, hat er damit befeuert.

Um Wogenglättung bemüht

In der öffentlichen Diskussion, die sich an der Rede von Laschet entspann, wurde er weitestgehend so verstanden, als würde er die 35-Inzidenz infrage stellen. Die war als entscheidender Wert bei der letzten Runde der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Bundeskanzlerin Merkel (CDU) vereinbart worden: Sinkt die 7-Tage-Inzidenz stabil unter 35, sollen die Beschränkungen schrittweise zurückgenommen werden, zunächst für Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen.

Laschets Umfeld bemühte sich am Dienstag, die Wogen der Diskussion zu glätten. So versicherte sein Sprecher, Laschet halte an den Inzidenzwerten von 50 bzw. 35 fest, die mit den anderen Bundesländern vereinbart sind.

Kutschaty: "Schluckauf-Politik" von Laschet

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty, sagte am Dienstag dem WDR: "Das ist eine Schluckauf-Politik des Ministerpräsidenten. Je nach Belieben ändert er seinen Kurs, das ist schlecht für unser Land, denn wir brauchen jetzt Vertrauen in die Entscheidungen der Regierungschefs."

Stamp: Inzidenzen nicht ignorieren

Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) sprach sich am Dienstag dafür aus, bei der Corona-Politik weder ausschließlich die Inzidenzen der Neuinfektionen im Blick zu haben, noch sie gänzlich zu ignorieren. Es sei eine "Gesamtschau der pandemischen Entwicklung" notwendig, die auch die Schäden der Corona-Einschränkungen berücksichtigen müsse. Man müsse in der Pandemie "auf Sicht fahren" und zugleich den Menschen auch Perspektiven aufzeigen.

Gegenwind und Zuspruch für Laschet im Netz

Ausführlich hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach die Forderung von Laschet zurückgewiesen. Auf Twitter schrieb er: "Die Position von Armin Laschet ist problematisch. Der Grenzwert von 35 wurde nicht 'erfunden' sondern abgeleitet von dem höheren R-Wert der Mutation B117. Auch ist der Lockdown nicht 'populistisch' sondern unbeliebt, wie neue CDU Umfrage zeigt."

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Der Schauspieler Jan Josef Liefers schrieb hingegen auf Twitter: "Gegenwind für @ArminLaschet ? Nicht von mir! Ich finde seinen Beitrag sinnvoll und diskutabel."

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