Debatte um Maskenpflicht: Bald wieder "oben ohne"?

Stand: 13.06.2021, 17:57 Uhr

Seit über einem Jahr ist er unser ständiger Begleiter: der Mund-Nase-Schutz. Nun stellt Bundesjustizministerin Lambrecht die Pflicht zur Diskussion. Zu früh? Oder längst überfällig?

Von Andreas Poulakos

Die Dänen machen es vor: Ab Montag wird in unserem Nachbarland die Maskenpflicht für fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens aufgehoben. Trotz rasant sinkender Infektionszahlen und vielen Lockerungen der Corona-Regeln - in den Gesundheitsministerien der Bundesländer zögert man noch. Der Grund ist nicht schwer zu erraten: Masken haben sich in der Pandemie bewährt. Nach anfänglichen Diskussionen über Sinn oder Unsinn einer Vorschrift sind sich die meisten Virologen mittlerweile einig, dass medizinische Masken zumindest teilweise wirksam sind. Und für die Politik nicht ganz unwichtig: Sie sind im Vergleich zu anderen Corona-Maßnahmen unschlagbar billig.

Lambrecht: Länder müssen Vorschrift überdenken

Streng genommen handelt es sich aber bei der Maskenpflicht um eine Einschränkung der Grundrechte. Darauf zielt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die in der "Bild am Sonntag" die Länder dazu aufforderte, über eine Aufhebung der Vorschrift nachzudenken. "Die Verantwortlichen in den Ländern müssen laufend genau prüfen, ob und wo eine Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist, wenn die Inzidenzzahlen niedrig sind und weiter sinken." Unterstützung kam vom stellvertretenden FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. Wenn die Länder nicht selbst aktiv werden, würden sie mit Sicherheit bald von den Gerichten dazu gezwungen.

Selbst SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der eher nicht für überzogene Lockerungsforderungen bekannt ist, kann sich offenbar Erleichterungen vorstellen. Natürlich könne die Maskenpflicht draußen fast überall aufgehoben werden, dort gebe es kein Superspreading. "Aber drinnen eben leider doch", schrieb Lauterbach bei Twitter.

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Damit liegt Lauterbach auf einer Linie mit führenden Aerosolforschern wie Gerhard Scheuch. Im SWR hatte Scheuch schon vor Wochen erklärt, wissenschaftlich mache es überhaupt keinen Sinn, Masken im Freien zu tragen. Der Kontakt unter freiem Himmel reiche selten aus, um sich zu infizieren. Man müsste sich 15 Minuten sehr eng gegenüberstehen und sich quasi in der Aerosol-Wolke des Gegenüber befinden, um ein ernsthaftes Risiko einzugehen.

Inzidenzen bei Jugendlichen noch hoch

Allerdings hatte Lambrecht am Sonntag auch ausdrücklich ein Ende der Maskenpflicht in Schulen ins Gespräch gebracht. Schüler seien "von der Maskenpflicht besonders betroffen", weil sie im Unterricht fast pausenlos getragen werden müssen. Und die aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass die Zahl der Neuinfektionen bei Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 19 Jahren aktuell fast doppelt so hoch liegt wie bei allen anderen Altersgruppen. Wo genau die Infektionsorte liegen, weiß zwar niemand - ausschließen kann man die Schulen jedoch nicht.

Virologe warnt vor Experimenten mit Schulen

Virologe Martin Stürmer warnte am Sonntag in der "Aktuellen Stunde" vor Lockerungsexperimenten mit Schülern und verwies auf die Gefahr durch die zuerst in Indien aufgetretene Delta-Variante, die sich auch in anderen europäischen Ländern ausbreitet. Weil Kinder und Jugendliche in aller Regel nicht geimpft werden, müsse eine unkontrollierte Ausbreitung in der Altersgruppe unbedingt verhindert werden. "Die Delta-Variante wartet nur darauf, das wir Fehler begehen."

Viele wollen weiter Masken tragen

Ganz verschwinden werden die Masken wohl nie mehr. Das ist zumindest das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey. Demnach wollen fast die Hälfte der Deutschen auch nach der Pandemie in bestimmten Situationen Maske tragen, um sich vor Krankheiten zu schützen. Auch in anderen Ländern wie Japan gehören seit der SARS-Epidemie im Jahr 2002 Masken zum ganz normalen Straßenbild.

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