Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech hat gemeinsam mit seinem US-Partner Pfizer einen Corona-Impfstoff entwickelt. Das Mittel wird noch getestet – die Bundesregierung geht aber davon aus, dass es Anfang 2021 in Europa auf den Markt kommen könnte. Normalerweise dauert die Zulassung von Impfstoffen Jahre. Prof. Rolf Kaiser, Virologe an der Uniklinik Köln, überrascht die schnelle Entwicklung des Corona-Impfstoffes aber nicht.
Wie sicher kann ein Impfstoff sein, der innerhalb eines Jahres entwickelt wurde?
Rolf Kaiser: Erst einmal ist es toll, dass der Impfstoff da ist. Und zweitens: Der Impfstoff ist sicher. Das erklärt sich daraus, dass der nicht nur innerhalb eines Jahres entwickelt worden ist. Da werden Sie sich fragen: Wie kann das sein? Wir kennen das Virus ja erst seit Januar.
Das kommt daher, weil die Methodik, die Impfstoffentwicklung, bereits in der Veterinärmedizin gut erprobt worden ist. Und dann hat man anhand des ersten Sars-Virus von 2002 und des Mers-Virus von 2011 Impfstoffe entwickelt. Das Mers-Virus ist ganz eng verwandt mit dem Sars-CoV-2-Virus, das gerade zirkuliert. Und daher musste man den gentechnisch hergestellten Impfstoff nur etwas verändern. Das heißt, dass man nur einen Teil ausgetauscht hat. Also praktisch den Sars- und Mers- gegen den Sars-2-Teil. Damit hat man nicht bei null anfangen müssen. Deshalb hat man durch diesen großartigen Vorlauf und Wissen und Erfahrung einen ganz anderen Startpunkt. Das ist schon jahrelang in Bearbeitung.
Ist ein Corona-Impfstoff denn grundsätzlich ein komplizierter Impfstoff?
Kaiser: Ja, denn das Sars-CoV-2-Virus vermehrt sich auf der Schleimhaut und nicht im Körper selbst. Masern vermehren sich im Körper und sind damit dem Immunsystem auch gut zugänglich. Das ist der Vorteil. Beim Sars-CoV-2-Virus muss das Immunsystem raus aus dem eigentlich Körper und in der Schleimhaut aktiv werden. Und das ist eine Herausforderung.
Wie wichtig ist die Investition in die Forschung, damit es schnell geht?
Kaiser: Natürlich spielt Geld eine Rolle. Man muss Wissenschaftler beschäftigen, die den Impfstoff im Labor entwickeln. Und sehr viel Geld verschlingen die Zulassungsstudien. Im Fall von BioNTech und Pfizer sind mehr als 40.000 Menschen mit dem Impfstoff in der Phase 3 geimpft worden. Und dafür muss man das Material herstellen, man muss das Personal haben, um die Menschen zu impfen, und man muss das Personal haben, um das Ganze zu überprüfen. Das sind Dinge, die kann eine Firma wie BioNTech gar nicht alleine stemmen, und musste sich deshalb einen Partner wie Pfizer ins Boot holen.
In der Europäischen Union gibt es während der Corona-Pandemie ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für Impfstoffe. Verwässert das das Verfahren, macht es das weniger sicher?
Kaiser: Nein, das verwässert es auf keinen Fall. Alle Daten werden sorgsam geprüft, wie das auch in einem normalen Verfahren wäre. Es wird nur beschleunigt. Die Daten werden schneller an die Behörden übermittelt und die Behörden bearbeiten die Unterlagen vorrangig. Das heißt, die sind nicht in der Warteschleife. Die Behörden konzentrieren sich auf die Bearbeitung dieser Impfstoffe.
Würden Sie sich gegen das Corona-Virus impfen lassen?
Kaiser: Natürlich, ich würde mich sofort mit einem von der europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugelassenen Impfstoff impfen lassen. Der ist erprobt und nach bestem wissenschaftlichen Wissen hergestellt und getestet. Da gibt es von meiner Seite keine offenen Fragen.
Das Interview führte Christina Höwelhans.