Familien unter Druck durch Homeschooling: Was Eltern jetzt helfen kann
Stand: 29.01.2021, 20:31 Uhr
Nach einem ungewöhnlichen halben Jahr gibt es Zeugnisse für die Schüler - Zeit, um auch für die Eltern Bilanz zu ziehen. Was brauchen sie gerade? Ein Interview mit Kindermedien-Expertin Malin Büttner.
Viele Kinder dürften gerade für ihre Halbjahresnoten eine kleine Belohnung bekommen. Doch was ist mit den Eltern? Sie mussten neben ihren eigentlichen Berufen mit dem Distanzunterricht auch noch die Rollen von Aushilfslehrkräften übernehmen. Wir haben mit der Moderatorin und Kindermedien-Expertin Malin Büttner gesprochen. Die Mutter von drei Kindern ist Mit-Initiatorin der Initiative "Familien unter Druck", einem vom Bundesfamilienministerium geförderten Projekt zur Unterstützung von Eltern.
WDR: Frau Büttner, Sie sind selbst Mutter und haben zwei Kinder zuhause, wie sieht Ihr Alltag gerade aus?
Büttner: Mein Alltag ist momentan wie der von so vielen ein Ding der Unmöglichkeit. Ich versuche, mit meiner älteren Tochter den Schultag zu strukturieren und bespaße nebenbei die Kleine. Das darf aber nicht zu unterhaltsam sein, denn dann hat die Große keine Lust mehr auf ihre Schulsachen. Dann gucke ich irgendwann auf die Uhr: Oh Mist, jetzt muss ich was kochen.
Zwischendurch schreibe ich Mails, habe irgendwelche Calls. Nachmittags versuche ich noch, alle einmal nach draußen zu scheuchen, aber man kann ja kaum etwas machen. Abends arbeite ich dann noch lange.
WDR: Die Kinder bekommen Zeugnisse, hoffentlich gute Noten - was wünschen Sie sich zum Halbjahres-Ende?
Büttner: Ein Zeugnis möchte ich nicht, denn ich bin ja keine Lehrerin, aber so eine "warme Dusche", wie sie Kinder manchmal kriegen - das wäre mal schön. Dass mal einer sagt: Ihr Eltern, ihr macht das gut. Da das aber momentan naturgemäß selten jemand sagt, mache ich das jetzt für alle Eltern: Ihr seid gut. Ihr gebt euer Bestes. Und das macht ihr gut! Seid nicht so streng zu euch. Niemand ist perfekt - und in einer Pandemie schon gar nicht.
WDR: Wie können Eltern sich motivieren, die Zeit irgendwie durchzuhalten?
Büttner: Es ist sehr wichtig, sich mit anderen Eltern auszutauschen, um nicht zu vereinsamen. Entweder man macht das 1:1 auf einem Spaziergang oder digital per Zoom oder Whatsapp. Dann merkt man nämlich, dass alle ähnliche Schwierigkeiten haben und man nicht alleine ist. So können Eltern mal Dampf ablassen - und die Situation danach bestenfalls auch wieder mit ein bisschen Humor nehmen.
WDR: Welche anderen konkreten Tipps habt ihr bei "Familien unter Druck" für den Alltag zwischen Job und Homeschooling?
Büttner: Eltern brauchen neue Regeln. Zum Beispiel: Es muss nicht immer Bio-Essen sein, dann gibt es jetzt halt zweimal die Woche Pommes, weil das schneller geht. Dafür hat man danach noch eine Stunde Zeit, um gemeinsam zu spielen. Das ist viel wichtiger als die perfekte Struktur.
Wichtig ist außerdem, sich als Eltern kleine Inseln zu schaffen, wo man sich nur um sich selbst kümmert. Das kann ein Spaziergang mit einer Freundin oder einem Freund sein - oder vielleicht auch mit der Bekanntschaft, die man normalerweise an der Kita trifft. Mein Mann spielt manchmal für sich selbst Gitarre, das ist auch wichtig. Und wenn man sich über längere Zeit total ausgebrannt fühlt, sollte man sich auf jeden Fall an eine psychologische Beratungsstelle wenden.
WDR: Wie kommen Eltern und Kinder gut gemeinsam durch den Tag?
Büttner: Am besten setzen sich alle zusammen, um eine Struktur für den Tag zu erarbeiten. Dazu ist es auch sehr wichtig, dass die Kinder ihre Ideen einbringen können. Es hilft, regelmäßig Bewegung und Spiele einzubinden - und sich immer wieder Feedback zu geben.
WDR: Was könnte die Politik tun, um die Situation für Eltern zu verbessern?
Büttner: Ich wünsche mir, dass es in NRW endlich klare Regeln dafür gibt, welche Kinder in die Kitas dürfen. Dadurch, dass diese Entscheidung auf die Eltern abgewälzt wird, wird die Elternschaft zusätzlich gespalten und gegeneinander ausgespielt. Das führt dann auch noch zu Streit oder schlechten Gefühlen untereinander und stresst zusätzlich. Wir brauchen eine klare Ansage aus der Politik.
Die Fragen stellten Sabine Tenta und Anna Palm.