Plötzlich Ladenhüter: Wie kommt der Astrazeneca-Impfstoff unter die Leute?

Stand: 24.02.2021, 19:16 Uhr

Nach dem langsamen Start der Corona-Impfungen gibt es nun ein anderes Problem: Der Impfstoff von Astrazeneca bleibt massenhaft liegen. Nun wird nach Lösungen gesucht.

Von Christian Wolf

Was gerade rund um die Corona-Impfungen passiert, ist eigentlich verrückt: Wochenlang gab es massive Kritik, weil es zu wenig Impfstoff gab. Es schien, als warte eine ganze Nation händeringend auf Nachschub. Und jetzt plötzlich das: Der Impfstoff ist zwar da, aber er bleibt massenweise liegen.

Über eine Million Impfdosen liegen herum

Konkret geht es um das Mittel des Herstellers Astrazeneca. Laut dem Robert Koch-Institut wurden bis Dienstag zwar 1,4 Millionen Impfdosen geliefert, aber erst 239.000 auch verabreicht. Der Rest liegt herum, anstatt verspritzt zu werden und dafür zu sorgen, dass immer mehr Menschen geschützt sind. NRW hat bis jetzt 300.000 Dosen bekommen und gerade mal 70.000 verimpft. Und schon am Wochenende kommt Nachschub. Dann sollen bundesweit noch einmal mehr als 650.000 Dosen geliefert werden.

Skepsis bei Impfstoff von Astrazeneca

Wie kann solch ein "Impf-Stau" möglich sein? Als Grund wird immer wieder genannt, dass diejenigen, die geimpft werden können, skeptisch gegenüber Astrazeneca sind. Im Moment betrifft das in NRW die Unter-65-Jährigen in der höchsten Prioritätengruppe – also Pflegekräfte und Ärzte.

Meldungen über unbedenkliche Impfreaktionen spielen ebenso eine Rolle wie eine etwas geringere Wirkung im Vergleich zum Biontech-Impfstoff. Die Folge: Vereinbarte Impftermine werden nicht wahrgenommen oder vor Ort wird die Impfung verweigert, sobald sich herausstellt, dass der Astrazeneca-Impfstoff gespritzt werden soll.

Das Unverständnis darüber ist groß – schließlich gibt es viele Menschen, die sich sofort impfen lassen würden, aber noch nicht an der Reihe sind. So schrieb der Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen bei Twitter: "Gibt es schon Tauschbörsen für AstraZeneca-Termine, die frei wurden, weil angeblich niemand die Plörre will? Ich würde sie nehmen."

Andere Gruppen könnten jetzt früher dran kommen

Tatsächlich muss die Politik jetzt überlegen, wie sie reagiert. Denn niemand hat ein Interesse daran, dass der Impfstoff zum Ladenhüter wird. Der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte am Mittwoch: "Es muss nichts liegen bleiben." So gebe es die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Prioritätsgruppen zu wechseln. Bedeutet: Der Kreis der Berechtigten soll vergrößert werden.

Diesen Weg geht nun Köln. Dort wurden allein am Dienstag 380 von 500 Impfterminen kurzfristig abgesagt. Der Krisenstab der Stadt hat am Mittwoch entschieden, ab sofort auch Menschen der Priorisierungsgruppe zwei mit dem Astrazeneca-Impfstoff zu impfen – also auch jüngere Vorerkrankte, Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung. An der zuständigen Hotline wurden am Mittwoch aber noch keine neuen Termine vergeben.

Stiko schlägt Wartelisten vor

Einen anderen Vorschlag hat der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens. In allen Impfzentren sollte es Listen dafür geben, "wer an die Reihe kommt, wenn Dosen übrig bleiben". Der Umgang mit den Impfdosen müsse "pragmatisch vor Ort geregelt werden", forderte er in den Zeitungen der "Funke Mediengruppe".

Priorisierung komplett aufgeben?

"Zeit"-Journalist Mark Schieritz hat noch eine ganz andere Idee "Die Impfzentren sollten auf eine Priorisierung verzichten und die Termine auf Basis einer bewährten Strategie bei der Lagerräumung vergeben: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", schreibt er in einem aktuellen Beitrag. Dabei müsse die bevorzugte Behandlung bestimmter Gruppen nicht aufgeben werden. Es könnte eine Art "Schnellspur für die Alten" eingerichtet werden. "Die Alten kommen zuerst dran, aber wenn Impfstoff übrig bleibt, kommen alle anderen an die Reihe." Denn: "Jede nicht verimpfte Dosis ist ein Politikversagen."

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