Hendrik Wüst: "Es läuft alles aus, mit dem man Menschen schützen könnte"

Stand: 18.03.2022, 19:45 Uhr

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hält das neue Infektionsschutzgesetz mit seinen Lockerungen für einen großen Fehler. Im WDR-Interview beklagt Wüst den Umgang der Bundesregierung mit den Ländern.

Bundestag und Bundesrat haben am Freitag das umstrittene neue Infektionsschutzgesetz verabschiedet, das ein Auslaufen der meisten bundesweiten Corona-Auflagen schon an diesem Sonntag vorsieht. Es ermöglicht den Ländern nur, übergangsweise noch zwei Wochen bis zum 2. April die meisten Schutzmaßnahmen beizubehalten. NRW-Ministerpräsident Wüst befürchtet, dass danach der Schutz der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist.

Der WDR hat mit Wüst per Skype in seiner Corona-Isolation in Israel gesprochen.

WDR: Herr Wüst, wie geht es ihnen?

Hendrik Wüst: Mir geht's ganz prima. Ich habe offensichtlich einen sehr flachen Verlauf. Ich bin drei Mal geimpft - gut so!

WDR: Sie wirkten in der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag ziemlich angefressen von den Masken-runter-Plänen der Bundesregierung. Trotzdem hat NRW dem Infektionsschutzgesetz heute im Bundesrat zugestimmt.

Wüst: Wir hatten keine andere Wahl, weil der Bund den Ländern die Rechtsgrundlage genommen hat. Darüber haben wir uns als Länder auch geärgert - und zwar parteiübergreifend. Ich habe das so auch noch nicht erlebt, dass alle Länder eine Protokollerklärung abgeben, dass sie sauer sind, wie der Bund mit den Ländern umgeht. Aber jetzt sind die Rechtsgrundlagen eben weg und dem müssen wir uns beugen.

WDR: Bis zum 2. April hat NRW jetzt eigene Corona-Regeln festgeschrieben. Danach können Sie nur noch regionale Hotspots ausrufen. Was soll das eigentlich bringen?

Wüst: Regionale Hotspots heißt: Wir müssen für jede Großstadt und jeden Landkreis eine eigene Bewertung machen, ob das Gesundheitssystem konkret gefährdet ist. Wenn wir das landesweit machen wollen, ist zu beweisen, dass landesweit das Gesundheitssystem gefährdet ist. Ein anderer Ministerpräsident hat in der internen Runde gesagt: Das Kind muss erst in den Brunnen fallen, bis wir helfen können.

WDR: Das klingt so als ob nach dem 2. April eigentlich nichts mehr passieren wird.

Wüst: Ja, so ist das vom Bund offensichtlich gewollt. Wir hören ja verschiedene Stimmen aus der Ampel: Herr Lauterbach hat wieder gewarnt und gemahnt und hat fünf Varianten beschrieben, wie es im Herbst laufen kann: eine schlimmer als die andere. Aber das Ergebnis ist: Es läuft faktisch alles aus, mit dem man Menschen schützen könnte.

WDR: Im Bund hat sich FDP beim Infektionsschutzgesetz deutlich durchgesetzt. Auch in NRW geht ihr Koalitionspartner immer wieder deutlich auf Distanz zu ihnen. Wie oft haben sie schon von ihren FDP-Ministern gehört: Unter Laschet war's viel schöner.

Wüst: Das hab ich noch gar nicht gehört. Wir haben Verantwortung für 18 Millionen Menschen und die nehmen wir sehr kooperativ und freundschaftlich wahr. Mit dem was wir machen, sind wir uns vollkommen einig.

Das Interview führte Martin von Mauschwitz.

Über dieses Thema berichteten wir im WDR am 18.03.2022 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.

Das Gespräch wurde für die Online-Version gekürzt und sprachlich bearbeitet.

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