Abkehr vom Inzidenzwert: Warum Mediziner das jetzt gut finden

Stand: 24.08.2021, 21:34 Uhr

Die Bundesregierung rückt vom Inzidenzwert als bestimmenden Richtwert für ihre Corona-Maßnahmen ab. Künftig soll der Fokus auf der Hospitalisierung liegen. Führenden Medizinern gefällt das.

"Die 50er-Inzidenz hat nun wirklich angesichts der Impfquoten und der Delta-Variante auf der anderen Seite ausgedient", sagt Gernot Marx am Dienstag in der Aktuellen Stunde mit Blick auf die Inzidenz-Grenze, an der das Infektionsschutzgesetz härtere Corona-Maßnahmen vorsieht. Marx ist Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).

Eine viel höhere Impfquote ist nötig

Man müsse sich jetzt die anderen Parameter zunutze machen. Dazu zählt er neben der Hospitaliserung, sprich der Aufnahme in ein Krankenhaus, die Zahl der Covid-Patienten auf Intensivstationen, die Impfquote und die Inzidenz. Sie sei "einer der wichtigen Parameter geblieben".

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Komplexe Situation

Derzeit habe man eine "eine sehr komplexe Situation": "Wir haben jetzt etwa 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger geimpft, was sehr gut ist, aber noch nicht ausreicht." Man benötige zwar noch eine viel höhere Impfquote, habe gleichzeitig aber viele junge Menschen, die sich infizieren und nur selten schwer erkranken.

Wie ist ein neuer Wert zu verstehen?

Seit mehr als einem Jahr Pandemie sind die Inzidenzwerte mittlerweile für viele ein Begriff - sei es als per Verordnung geregelter Wert für Beschränkungen in Kreisen und Gemeinden oder als Ausdruck eines Bedrohungspotenzials zukünftiger Corona-Wellen. Der abstrakte Wert wird im Alltag verstanden, in konkrete Handlungen umgesetzt. Vielleicht motiviert seine Höhe auch zu Impfungen. Kann das auch die Kennziffer der Hospitalisierung?

Die lag am Montag nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bei 1,3 pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen. Da war die Inzidenz in NRW schon wieder über 100 geklettert.

Virus trifft auf besser geschützte Gesellschaft

Aber die Zahlen sind nunmal nicht vergleichbar. Da die Corona-Lage eine völlig andere ist, brauche es neue Maßstäbe. Mittlerweile trifft das Virus auf eine besser geschützte Gesellschaft - sei es durch die Impfung oder dadurch, dass jüngere Menschen offenbar über ein besseres Immunsystem verfügen.

Weniger Infizierte landen im Krankenhaus

"Wir hatten in der Vergangenheit die Situation, dass bis zu zwölf Prozent der registrierten Infizierten auch im Krankenhaus gelandet sind - mit schweren Verläufen. Das ist durch die Durchimpfung der Bevölkerung anders geworden", sagt Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Mittlerweile würden nur noch fünf Prozent der Infizierten im Krankenhaus landen.

Die Hospitalisierung in den Vordergrund zu rücken, betrachtet Gaß als sinnvoll, weil man an ihr "die Belastung und mögliche Überlastung des Gesundheitswesens, der Krankenhäuser erkennt".

Neues Meldeverfahren seit sechs Wochen

Dass noch kein so griffiger neuer Indikator wie der Inzidenzwert auf den Tisch liegt und alles noch etwas vage ist, erkärt Gaß damit, dass man nun "seit etwa sechs Wochen ein neues Meldeverfahren habe". Die Krankenhäuser seien nun verpflichtet, sehr umfangreiche Informationen über die Covid-Patienten zu liefern.

Dieses Verfahren sei jetzt etabliert. Nun lägen die Erkentnisse wie etwa Alter und Impfstatus vor, würden vom Robert Koch-Institut ausgewertet und veröffentlicht. Divi-Chef Marx ist zuversichtlich, den Kampf gegen Corona mit diesen Daten präziser führen zu können: "Ich glaub wir sind in der Lage frühzeitig zu erkennnen, wenn weitere Maßnahmen getroffen werden müssen."

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