#wiegehtsdemWesten in Corona-Zeiten: "Das 'alles gut' ist vorbei"

Stand: 05.05.2021, 20:28 Uhr

Über ein Jahr Corona hat viele an ihre Grenzen gebracht. Wir wollten wissen: Wie geht es Ihnen? Nicht wirklich gut, zeigen viele Antworten. Aber: Es gibt auch hilfreiche Tipps für den Krisen-Alltag.

Seit über einem Jahr gibt es kaum ein anderes Thema als Corona. Zu Recht, denn die Folgen der Pandemie sind einschneidend. Wir haben Sie gefragt: Wie sieht es bei Ihnen aus? Die Antworten darauf bei Youtube, Twitter und Facebook fielen mal mehr, mal weniger frustriert aus. "Frau Zeitlos" zum Beispiel hangelt sich von Tag zu Tag, bis endlich alle in der Familie geimpft sind.

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"Langsam aber sicher könnte sich das Virus mal verp....n"

In vielen Kommentaren sprechen Menschen sehr offen über Trauer, Wut oder einfach nur Erschöpfung: "Ich bin erschöpft - mental", anwortet A.E.Schultz. "Ich fange an, meine Wohnung nicht mehr leiden zu können." Bei manchen hat das Schicksal gleich "voll zu geschlagen", wie bei Sonja Schmidt: "Freundin musste im Februar ihre Gaststätte schließen. Mein Bruder musste seine Firma schließen. Ich bin in psychologischer Betreuung, weil mich das so sehr mitgenommen hat."

Andere wie "fortysomething" sind "am Ende, weil ich und meine Familie von der Politik im Stich gelassen wurden und werden. Keine verlässliche Strategie, kein Schutz, keine Perspektive." Gaby Matzke gehört zu denen, die ganz gut durchkommen - aber auch sie macht sich Sorgen: "Bekomme ich dieses lästige Virus, wer versorgt dann meine Mutter? Ich weiß, das ist Meckern auf hohem Niveau, anderen Leuten geht es mit Sicherheit noch schlechter als mir." Ihr wütend-resigniertes Fazit: "Langsam aber sicher könnte sich das Virus mal verp....n."

"Das ''alles gut' ist irgendwie vorbei"

Wir haben auch im Livestream mit Menschen gesprochen, die wegen ihres Berufs ständig mit anderen reden und deswegen ein Gespür für die Stimmung bekommen haben - ein Radiomoderator, ein Sozialarbeiter und ein Schülersprecher. Und, wie geht's? Anfangs noch gut, sagt 1Live-Moderator Philipp Isterewicz. "Aber das knallt jetzt von allen Seiten rein, bei der Arbeit, wenn ich mich mit Freunden treffe, abends im Fernsehen. Wenn man ständig davon umgeben ist, dann gibt es keine guten Vibes." Und er hat inzwischen auch Respekt vor der Frage, "weil man vielleicht eine unschöne Antwort bekommt": Die Oma hat das Virus, der Freund weiß nicht mehr, wie er die Miete bezahlen soll, "das kommt dann ganz nah". Kurz: "Das 'alles gut' ist irgendwie vorbei."

Jeder hat sein Päckchen zu tragen, die jungen Leute ganz besonders

Was die Pandemie mit dem Menschen macht, bekommen sie sehr genau mit. Radiomoderator Isterewicz zum Beispiel hört von jungen Leuten, die Angst haben, dass ihr Schulabschluss nicht viel wert ist, oder die traurig sind, weil der Abi-Ball nicht stattfinden kann. "Jeder in der Pandemie hat sein Päckchen zu tragen, die jungen Leute ganz besonders."

Die "Jungs" bleiben weg - und gehen verloren, sagt ein Sozialarbeiter

Das erlebt auch der Sozialarbeiter Philipp Schmitz, der in Düsseldorf mit Jugendlichen arbeitet - normalerweise. Wegen Corona läuft sein Jugendzentrum auf Sparflamme, er sieht "seine Jungs" kaum noch. Dabei müssen sie gerade jetzt reden und sich Hilfe holen können. "Bei manchen hätte ich vor einem Jahr noch etwas machen können, aber die sind nicht mehr aufgetaucht. Das ist dann schiefgegangen." Das ist frustrierend, sagt er: "Ich würde gerne mehr machen."

Angst vor der Zukunft

"Die Stimmung ist echt schlimm": Dario Schramm sieht die Dinge aus Sicht der Schüler, die mit Homeschooling, der Einsamkeit und der Angst vor der Zukunft klar kommen müssen. Andererseits verbreitet der Abiturient, der auch Generalsekretär der Bundeschülerkonferenz ist, viel Optimismus. Er glaubt zum Beispiel nicht, dass die Schulabschlüsse der "Generation Corona" weniger wert sind - "das ist kein Makel, da können wir stolz drauf sein!" Oder, wie Radiomoderator Isterewicz sagt: "Wer unter diesen Umständen Abi gemacht hat, hat eine Schippe mehr drauf als andere."

Reden, reden, reden

Stolz auf sich sein, trotz der Umstände: Ein Tipp für die Einsamen, Frustrierten und Ängstlichen. Der andere: Immer wieder mit anderen reden, zur Not eben über Videochat. "Wende dich an Menschen, denen du vertraust", sagt Sozialarbeiter Schulz. "Erzähl ihnen das und entwickelt gemeinsam eine Strategie." Hautpsache man merkt, dass man nicht allein ist mit der Pandemie.

A.E. Schultz, der die Wohnung zu eng wurde, hat eine andere Strategie: "Ich möchte einen Lachkrampf bekommen, der allen Unmut, alle Verkrustungen wegsprengt und dann am tosenden Meer sitzen, lachende Freunde, jauchzende Kinder um mich herum." Manchmal hilft es, sich wegzuträumen.

Kommentare zum Thema

42 Kommentare

  • 42 Marcus 07.05.2021, 08:27 Uhr

    Ich bin einfach nur wütend wie man mit den Kindern umgeht. Unsere kleine hatte in diesem Jahr nur 5 Tage Unterricht. Seit Februar ist sie in der Notbetreuung. Wenn das Kind zuhause sitzt und nur noch weint weil es nicht zur Schule darf, zerreißt einem das Herz. Zum Glück hat unsere einen Rückhalt, zum einen Familiär als auch Seitens der angagierten Schule. Viele andere haben das nicht. Diese Kinder gehen leider unter. Ich habe den Eindruck, dass es der Politik egal ist. Das macht mich wütend und traurig. Spielen, toben, Schule etc, das ist der Job der Kinder. Das wird ihnen verwehrt und wird Nachhaltige folgen haben. Dass es Maßnahmen geben muss steht außer jeder Frage. Es fehlt meiner Meinung die Weitsicht und das Fingerspitzengefühl.

  • 41 Werner 06.05.2021, 12:00 Uhr

    Wenn die Baumärkte wieder öffnen, kann der Lockdown meinetwegen noch lange weiter gehen. Klar wäre es schön mal wieder Essen zu gehen, oder ins Theater, oder Kino, aber letztendlich ist das Luxus. Das vieles etwas langsamer läuft gefällt mir. Mit dem ÖPNV zur Arbeit fahren ist aktuell super entspannt. Leider habe ich das erst gemerkt, als mein Auto letzte Woche kaputt gegangen ist. Aber auch der Berufsverkehr war im letzten Jahr deutlich entspannt. -> Danke an alle, die im Homeoffice arbeiten, ob gewollt oder gezwungen! Das man viele Sachen nicht mal eben 'holen' kann, scheint auch meinem Geldbeutel gut zu tun. Ich denke zweimal nach, ob es nicht auch anders geht und oft geht es tatsächlich. Bestellen nicht nötig! Das Familienleben hat auch gewonnen. Wir sitzen mehr zusammen, reden mehr, spielen auch mal, gehen gemeinsam Spazieren oder Fahrradfahren. Wenn man mich also fragt "wie gehts?", kann ich ganz persönlich nur "prima" Antworten.

  • 40 Felix Vosen 06.05.2021, 11:27 Uhr

    Ich gebe zu, nach wie vor könnte es schlimmer sein, was ich nicht zuletzt durch eine zweiwöchige Quarantäne gelernt habe und selbst das war schon schlimmer als jetzt. Dennoch: Mein Frust über die Tatsache, dass ich immer noch nicht impfberechtigt bin (auch wenn das durchaus Sinn ergibt) und dass meine bereits um ein Jahr verschobene Hochzeit in einem extrem limitierten Rahmen stattfinden muss, wächst immer mehr an. Ja, die Gründe leuchten mir zwar ein, das ändert aber nichts an schlechten Gefühlen ob der Situation. Dennoch: Niemand meiner Familie war erkrankt und mein bester Freund hat seine Infektion gut überstanden, daher eben: Es könnte wesentlich schlimmer sein.

  • 39 Stephan Schmidt 05.05.2021, 23:05 Uhr

    Hab´letztens ein Wort gelesen, das trifft´s so ziemlich: " Mütend"... Ja, so langsam werde ich Müde... seit fast anderthalb Jahren schränken wir uns Privat und im Betrieb in weiten Bereichen ein, machen keinen Urlaub, treffen keine Freunde, gehen am Wochenende oder Abends nicht mehr aus... Aber wofür? Andere tun das nicht und wollen sogar noch mehr Freiheiten. Trotzdem müssen wir Tag für Tag weiterarbeiten- ich bin schliesslich Handwerker und kann den Laden nicht einfach zumachen- Die Menschen brauchen ihre Autos! Und es macht sich so langsam ein Gefühl der Wut und Enttäuschung breit: Wir haben jeden Tag Kundenkontakt- lässt sich nicht vermeiden- und die Menschen nehmen keine Rücksicht auf uns... Gefühlt findet JEDER einen Grund, vorrangig geimpft zu werden- nur wir Handwerker nicht- wir müssen OHNE Impfung weitermachen... Jetzt ist auch noch die Befreiung von geimpften Personen in der Diskussion... Ein Schlag in´s Gesicht... Bin einfach nur noch enttäuscht von meinen Mitmenschen...

  • 38 Mareike 05.05.2021, 22:22 Uhr

    Wie es mir geht? Muss..... Durch konsequente Abstumpfung, im Sinne von: besser nicht drüber nachdenken wie's mir geht, ist es halbwegs auszuhalten. Es gibt Tage, da bin ich komplett verzweifelt. Es fehlen die Gemeinschaftserlebnisse in Form von Orchesterproben und -konzerten so, das kann man keinem erklären. Alles immer wieder verschoben, neu geplant, wieder verschoben. Es ist egal, ob es an Krieg oder Coronamaßnahmen liegt. Ich bin auch froh, daß hier kein Krieg ist, aber ich kann dieses Argument zum kleinreden meiner zeitweiligen Verzweiflung auch nicht mehr hören. Gut, wir haben genug zu essen, Wohnung usw. aber man fühlt sich wie lebendig begraben. Ich hab das Gefühl, das hört nie wieder auf....

  • 37 Loreley11 05.05.2021, 21:57 Uhr

    Ich war gerade vor dem Ostern auf dem städtischen Friedhof- fast auf jeder Reihe gibt es eines frisches Grab am 2020 datiert- so etwas noch nie gesehen, es ist einfach furchtbar.. Corona hinterlasst sicher die Spuren für kommende Jahren.

  • 36 ZD 05.05.2021, 21:13 Uhr

    Distanzunterricht in Woche 15 mit einem Erst- und einem Fünftklässler, ich im Home-Office... Ich merke, dass ich an immer mehr Tagen schon vom normalen Verhalten meiner Kinder genervt bin, das macht mich dann noch zusätzlich fertig! Ich liebe meine Kinder und ich arbeite gern, aber beides zusammen GEHT NICHT! Und dann die Aussicht darauf, dass die Kinder wegen hoher Inzidenzwerte nicht zur Schule gehen dürfen und andere, die sich langweilen (weil schon im Ruhestand oder Kurzarbeit) und die Lockerungen genießen können zB in der Nachbarschaft eine Gartenparty mit Sektfrühstück veranstalten... Mir ist klar, dass es juristisch nicht anders geht, aber gesellschaftlich ist da total viel Sprengstoff drin! Ich fordere daher alle diejenigen auf, die solche Lockerungen in Anspruch nehmen können: Jeden Tag eine gute Tat! Fragt Eure nicht privilegierten Nachbarn, ob Ihr ihnen helfen könnt! ZB etwas aus der Innenstadt mitbringen oder ihren Rasen mähen oder ein Mittagessen kochen... Ihr findet was!

  • 35 Ralf 05.05.2021, 20:51 Uhr

    Ich möchte einmal loswerden wie es mir ergangen ist. Am 31,03,20 wurde meine Mutter ( 95 Jahre alt ) aus einem Krankenhaus entlassen. Am 01,04,20 bin ich ,ihr Sohn, in den Ruhestand gegangen. Am 02,04,20 wurde meine Mutter positv getestet. Sie wurde also im Krankenhaus infiziert. Da meine Frau die Pflege meiner Mutter übernommen hatte, hat sich meine Frau bei meiner Mutter in den 2 Tagen an denen wir nicht wussten das sie positv war infiziert und anschließend auch mich. Wir hatten beide einen schweren Verlauf. Meine Frau verstarb am 21.04,20 Meine Mutter hatte keine Symtome. Ich habe mich wieder erholt und bin am 01,05,20 aus dem Krankenhaus entlassen worden. Am 10,08,20 ist dann meine Mutter verstorben,nicht an Corona .Sie gab sich die Schuld uns angesteckt zu haben. Wie es mir geht? Kein Kooentar

    Antworten (2)
    • WDR.de 05.05.2021, 21:39 Uhr

      Es tut uns sehr leid zu lesen, welche Verluste Sie erleiden mussten, Ralf. Wir können nur erahnen, welch psychische Belastung das für Sie sein muss. Falls Sie das Gefühl haben, mit jemandem anonym über Ihre Gedanken und Gefühle sprechen zu wollen, können wir Ihnen folgende Nummern empfehlen: 0800 111 0 111 , 0800 111 0 222 oder 116 123. Darunter erreichen Sie rund um die Uhr Menschen, die Ihnen zuhören und helfen können. Wir wünschen Ihnen ganz viel Kraft für die Zukunft und alles Gute.

    • Ulrike 07.05.2021, 09:12 Uhr

      Mir fehlen die Worte, wenn ich Ihren Bericht lese. Es tut mir sehr leid, dass es Ihre Familie so schlimm getroffen hat. Ich wünsche Ihnen viel Kraft!

  • 34 Juliane M. 05.05.2021, 20:27 Uhr

    Ich fühle mich aufgrund von Corona endlich verstanden. Ich bin seit einer Infektion im Jahr 2017 ans Haus gefesselt und werde von unserem Gesundheitssystem alleine gelassen. Seit drei Jahren läuft mein Kampf um Hilfe. Das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS), das jetzt Dank Corona endlich von unserem Gesundheitssystem zur Kenntnis genommen wird, hat mich vor vier Jahren aus dem Leben gerissen. Seit vier Jahren lebe ich in sozialer Isolation. Seit vier Jahren muss ich anderen Menschen beim Leben zugucken. Die Coronaregeln fühlen sich für mich an wie "Willkommen in meiner Welt". So wie jetzt alle leben müssen, so muss ich seit vier Jahren leben. Alleine, ohne Hilfe durch unser Gesundheitssystem. So wie sich jetzt aufgrund von Corona alle Menschen fühlen, so fühlen sich kranke Menschen seit Jahren. Ich wünsche mir, dass nach Corona keiner vergisst wie es sich anfühlte sozial isoliert zu sein und auf Hilfe anderer angewiesen zu sein.

  • 33 Sigrid Weiser 05.05.2021, 19:59 Uhr

    Ich bin mit dem Start der pandemie nach Münster gezogen. ich bin schon so oft umgezogen, aber es ist ein riesiger Unterschied, ob man mit 40 oder mit 66 umzieht. Aber ich habe es keine Sekunde bereut. Niemals habe ich so nette Nachbarn erlebt.

  • 32 Martina 05.05.2021, 19:48 Uhr

    Wie es geht.........................mmmh, die Frage ist schon komisch, wir leiden doch alle irgendwie. Ich bin in Kurzarbeit, wir haben auf Arbeit so viel zu tun, das uns kaum Luft zum Atmen bleibt. Wenn ich nach 5 std arbeit nach Hause komme, bin ich völlig fertig. Mein Mann ist im Homeoffice und langweilt sich und schaut Fernsehen 24/7, ich ertrage das nicht. Meine Töchter driften in Depressionen ab. Oberstufe nur Distanz, Uni auch nur Distanz. Ich halte das nicht mehr lange aus.

    Antworten (1)
    • WDR.de 05.05.2021, 21:33 Uhr

      Danke, dass Sie uns so offen von Ihrer Situation berichten, Martina. Wir können uns vorstellen, wie frustrierend der Alltag für Sie sein muss und wie schwierig die Situation für Ihre Tochter ist. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen!

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