Das Ohr am Puls der Corona-Zeit: Vier Profi-Zuhörer berichten

Stand: 05.05.2021, 05:51 Uhr

"Wie geht's?" - Das fragen manche Menschen beruflich. Wir sprachen mit vier professionellen Zuhörern, die Jugendliche in der Corona-Zeit betreuen, Paare begleiten, Therapien anbieten oder für die Kirche arbeiten.

Von Susanne Schnabel

Selten war unser Mitteilungsbedürfnis so groß wie in der Corona-Krise: Sorgen, Neuigkeiten, Ärgernisse - es passiert so viel, über das wir reden wollen. Zuhören hingegen ist nicht jedermanns Sache. Was erleben professionelle Zuhörerinnen und Zuhörer, was bewegt die Menschen? Vier Protokolle.

Sozialpädagogin Nikola Hülbrock, Selfkant

Die Diplom-Sozialpädagogin hat die pädagogische Leitung einer stationären Jugendhilfeeinrichtung im Selfkant im Kreis Heinsberg mit Unterkunft für 34 Mädchen.

"Ich arbeite in einer stationären Jugendhilfe-Einrichtung im Kreis Heinsberg mit minderjährigen Mädchen, beziehungsweise volljährigen jungen Frauen. Vor einem Jahr war es für die Bewohnerinnen schlimm, dass sie als Erste in den Lockdown mussten. Das spielt heute keine Rolle mehr. Sie hatten auch anfangs Angst, dass ihre Eltern krank werden. Über sich selbst machen sie sich keine Sorgen. Das ist ein gesunder Egozentrismus.

Einige machen sich allerdings jetzt Gedanken über ihre berufliche Zukunft und ihren Schulabschluss. Sie haben Bedenken, dass sie stigmatisiert werden als diejenigen, die 2020 oder 2021 Abitur gemacht haben."

Diakon Ralf Knoblauch, Bonn

Er ist Diakon in der Kirchengemeinde Thomas Morus im Bonner Nordwesten. Als Holzkünstler setzt er mit seinen Königsskulpturen Projekte zum Thema Würde um.

"Ich arbeite in einem sozialen Brennpunkt, besuche Familien und erfahre, wie sich die Probleme durch Corona verschärfen. Viele versuchen sich mit ihren Minijobs irgendwie über Wasser zu halten, haben existenzielle Ängste.

Die 'Tafel' ist geschlossen, und den bedürftigen Menschen fehlen Lebensmittel, oder Familien haben zu Hause Probleme beim Homeschooling, weil sie kein Internet und keinen Drucker haben. Wir versuchen dann zu helfen mit Gutscheinen. Und unsere Sekretärin druckt den Kindern gerne was aus."

Paartherapeut Eric Hegmann, Hamburg

Er ist Paartherapeut und -berater, Single-Coach, Autor, Parship-Berater und Gründer der "Modern Love School".

"Die Themen bei Paaren haben sich während Corona nicht wirklich verändert. Es geht immer um die Fragen: Siehst du mich? Nimmst du mich wahr? Bist du für mich da? Kann ich mich auf dich verlassen? Allerdings wirkt die Pandemie wie ein Brennglas: Bei Paaren, die vorher schon Probleme hatten, verstärken sich die Konflikte.

Nicht allen Paaren gelingt es, emotionale Nähe erstellen. Wegen Homeoffice und Lockdown verbringen wir viel Zeit miteinander. Wenn der Partner emotional nicht wirklich für einen da ist, dann fühlt man sich noch viel einsamer, als würde man alleine zu Hause sitzen. Die meisten sind aber froh, dass sie ihre Partner haben, und kommen gut durch die Krise."

Psychologin Katja Ehrenberg, Köln/Bonn

Sie lebt in Bonn, ist Professorin für Psychologie an der Hochschule Fresenius Köln und freie Beraterin, Trainerin und Wissenschaftsautorin.

"Als sehr positiv sehe ich, dass diese Frage total an Tiefe gewonnen hat: Wie geht es Dir? Wir erlauben uns immer öfter eine wirklich ehrliche Antwort, nicht nur bei den Profi-Zuhörenden. Das oberflächlich-fassadenhafte 'Super, alles gut, und selbst?' bricht auf, und Menschen zeigen sich zunehmend auch mit ihren Grenzen und Verletzlichkeiten.

Ich glaube, dass uns das als Gesellschaft wirklich guttut und hoffentlich über Corona hinaus ein echteres Miteinander ermöglicht, in dem wir zum Beispiel auch leichter um Hilfe bitten und Hilfe besser annehmen lernen."

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