Die fünfte Pandemie-Welle kommt, angetrieben von der Omikron-Variante. Die ist möglicherweise weniger gefährlich als zum Beispiel Delta, dafür aber viel ansteckender. Wie hoch die Zahlen inzwischen sind, weiß allerdings niemand genau, weil über die Feiertage kaum Daten geliefert wurden.
Aber Wissenschaft und Politik wollen sich wappnen. Bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am Freitag geht es darum, wie gut die Corona-Maßnahmen funktionieren und wo nachgebessert werden könnte. Die Diskussionen darüber nehmen aber jetzt schon Fahrt auf.
Erstens: Mehr Impfen - aber wie?
Die Bundesregierung und die Länder, die über die Maßnahmen entscheiden, setzen zur Zeit auf die Impfkampagne - vor allem aufs Boostern. Für die hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) immer wieder geworben, jetzt will er auch Erstimpfungen forcieren. "Viele Ungeimpfte haben das Gefühl, dass der Zug für sie eh abgefahren sei. Das stimmt nicht!", wird er in "Bild am Sonntag" zitiert. " Die erste Impfung senkt bereits nach 14 Tagen das Sterberisiko drastisch."
Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer der Grünen, schlägt im WDR5-Morgenecho in die selbe Kerbe. "Wir müssen feststellen, dass sich die Omikron-Welle gerade vor uns aufbaut. Wir werden jetzt ganz dringend an das hohe Impftempo vor den Weihnachtstagen anknüpfen müssen, um hier möglichst viele Menschen durch eine Booster-Impfung, aber auch Erst- und Zweitimpfung, wirkungsvoll zu schützen."
Deswegen eröffnen die Landesregierungen immer mehr Personengruppen die Möglichkeit, sich impfen oder boostern zu lassen. Seit Jahresende dürfen zum Beispiel in den Impfstellen der Kreise und Städte in NRW auch 12- bis 17-Jährige geboostert werden.
Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, geht das aber nicht weit genug: Er möchte eine Impfplicht, wie sie Bundeskanzler Olaf Scholz im Wahlkampf angekündigt hat, und das so schnell wie möglich. Zu viele Menschen hätten keine Erst- oder Zweitimpfung, kritisiert er im ARD-Morgenmagazin. "Wir brauchen diese Impfflicht."
Zweitens: Quarantäne - für wen und wie lange?
Es gibt zwar Vorgaben, wer nach einer Infektion wie lange in Quarantäne muss - etwa in der NRW-Coronaschutzverordnung. Allerdings hat oft das örtliche Gesundheitsamt das letzte Wort. Das wird sich auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz nicht klären lassen. Da geht es eher darum, wie lange die Quarantäne dauern soll. "Wir denken in der Tat über verkürzte Quarantäne- und Isolationszeiten nach", sagt der SPD-Politiker Karl Lauterbach am Sonntag.
Denkanstöße kommen aus Großbritannien, Spanien und in den USA. Dort wurden die Regelungen gerade gelockert, trotz steigender Inzidenzen. In Frankreich zum Beispiel können Infizierte schon nach sieben Tagen aus der Isolation, Kontaktpersonen müssen sich gar nicht mehr absondern. Voraussetzung: Sie sind vollständig geimpft und testen sich immer wieder.
Dahinter steht die Befürchtung, dass durch die strengen Vorgaben weite Teile der Beschäftigten unter anderem im Gesundheitssystem ausfallen könnten. Auch hier meldet sich MPK-Vorsitzender Hendrik Wüst vorab zu Wort. Er habe Bedenken, ob auch danach differenziert werden sollte, ob jemand in der sogenannten kritischen Infrastruktur arbeitet - also in der Stromversorgung, bei der Feuerwehr oder Polizei. Er führte das nicht aus, sagte aber aber: "Da bin ich nicht sicher, ob das der richtige Weg ist." Das könnte also beim Treffen am Freitag ein Knackpunkt werden.
Drittens: Die Maskenpflicht bleibt
Auch wenn viele Menschen über die Maskenpflicht stöhnen: Bei den Experten gilt sie als wichtige Säule im Kampf gegen die Pandemie. Deswegen hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach sich gerade wieder dafür stark gemacht, die Maske zu tragen. Das gelte insbesondere für den Schulunterricht: "Das konsequente Tragen der Masken in der Schule ist ein absolutes Muss für alle Klassen."
Das heißt: Ohne Maske wird es auch in den kommenden Monaten kaum gehen. Inzwischen werden die Bestimmungen sogar verschärft, wie gerade in NRW. Wer sich nicht daran hält, muss ein Bußgeld bezahlen. Die meisten Menschen akzeptieren das. Was ihnen mehr zu schaffen macht: Seit der Einführung im April 2020 herrscht Verwirrung bei der Frage, wo die Maskenpflicht eigentlich gerade gilt. Viele wünschen sich deswegen eine klare Ansage, die für alle Städte in Deutschland gilt.
Viertens: Neues Meldesystem für Gesundheitsämter?
Keine oder kaum Daten, und das tagelang: Viele Gesundheitsämter haben über die Feiertage dicht gemacht, liefern frische Infektionszahlen erst im neuen Jahr. Die Folge: Die Verantwortlichen wissen nicht, wie die Pandemielage tatsächlich ist, und agieren im Blindflug. Für Christian Karagiannidis, Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Anlass, vor der Ministerpräsidentenkonferenz einen klaren Schnitt zu fordern: Die Bundesregierung müsse das Meldesystem der Gesundheitsämter von Grund auf neu und vor allem digitaler aufbauen.
Fünftens: Heilung per Covid-Pille?
Derweil gibt es noch einen weiteren Hoffnungsträger: Paxlovid. Das Medikament soll schwere Krankheitsverläufe bei Hochrisikopatienten verhindern. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat es bislang nicht zugelassen. Lauterbach sagte jedoch gegenüber der Welt am Sonntag, er hoffe auf eine Notfallzulassung in Deutschland bis Ende Januar.
Der Wirkstoff soll die Vermehrung des Virus im Körper stoppen. Die Bundesregierung hat sich eine Million Einheiten Paxlovid gesichert.
Sechstens: Kommt ein Lockdown?
Im Frühjahr wurde das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben schon einmal auf Eis gelegt: Treffen in größerer Runde, Shoppingtouren und Restaurantbesuche - alles verboten. Weil darunter nicht nur Geschäftsleute ächzten, soll es keine Neuauflage geben.
Allerdings werden auch die derzeitigen Vorschriften mit Kontaktbeschränkungen als "Lockdown light" eingestuft. Und es gibt Experten, die es gerne schärfer hätten - so wie der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Hans-Peter Meidinger, dem "ein kurzer gesellschaftlicher Lockdown samt eng begrenzter Distanzunterrichtsphase" lieber wäre "als dann das restliche Schuljahr mit ständigen Einschränkungen, Infektionsausbrüchen und Quarantänemaßnahmen leben zu müssen".
Möglicherweise wird es genau dazu kommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich jedenfalls die Option offengehalten. "Wir schließen nichts aus", sagte er Ende des Jahres. "Also wenn tatsächlich die Fallzahlen sich so entwickeln würden, dass auch ein harter Lockdwon diskutiert werden muss, dann gibt es da keine roten Linien."