Corona-Müdigkeit: Wie sinnvoll ist die Aussicht auf Lockerungen für Geimpfte?

Stand: 27.04.2021, 15:56 Uhr

Tausende Neuinfektionen, volle Intensivstationen und strenge Corona-Regeln in NRW. Gleichzeitig diskutiert die Politik über Lockerungen für Geimpfte. Ziemlich kontraproduktiv, findet ein Soziologe.

Die Corona-Lage in NRW bleibt angespannt. Zwar ist die Zahl der am Dienstag gemeldeten Neuinfektionen im Vergleich zur vergangenen Woche leicht gesunken. Die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz liegt mit 186,6 aber weiterhin auf hohem Niveau. Und vor allem: Die Intensivstationen werden immer voller. Zahlreiche Kliniken in Nordrhein-Westfalen melden eine Auslastung von mehr als 90 Prozent.

Gleichzeitig steigt die Frustration in der Bevölkerung. Auch Ende April sind noch immer keine Lockerungen in Sicht. Im Gegenteil: In immer mehr Städten und Kreisen gelten strengere Corona-Regeln, weil der Inzidenzwert fünf Tage nacheinander 100 beziehungsweise 150 oder 165 übersteigt.

Lockerungen für Geimpfte

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gibt sich nach dem Impfgipfel am Montag dennoch optimistisch und lobt das Impftempo in NRW. Demnach könnten am Mittwoch fast 180.000 Menschen an nur einem Tag geimpft werden. Gleichzeitig stellt Laschet in Aussicht, möglichst schnell die bestehenden Corona-Regeln für Geimpfte zu lockern.

Kanzleramtschef Helge Braun gab jedoch zu bedenken, dass auch Geimpfte das Virus noch weiter verbreiten könnten. "Das geschieht zu einem gewissen Prozentsatz", sagte Braun im ARD-Morgenmagazin.

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Deshalb könnten Geimpfte zwar viele Freiheitsrechte zurückbekommen - Maßnahmen wie Abstand halten und Maske tragen könne man aber erst aufgeben, wenn große Teile der Bevölkerung geimpft seien.

Ohnehin soll der Bundesrat erst Ende Mai darüber entscheiden, wie genau diese Lockerungen aussehen. Für viele wird der kommende Monat dadurch zu einer Zeit, die noch überstanden werden muss, bevor dann mit dem Juni der "Monat der Hoffnung" anbricht.

Soziologe: Politische Diskussion verwirrt Menschen

"In Hinblick auf die Einhaltung der Corona-Regeln halte ich diese ganze Diskussion für ziemlich kontraproduktiv", sagt jedoch der Soziologe Michael Corsten. Er geht davon aus, dass das sprunghafte Verhalten der Politiker viele Menschen in erster Linie verwirrt und nicht dazu beiträgt, dass sie sich konsequent an die noch geltenden Beschränkungen halten.

"Seit in der vergangenen Woche die bundesweite Notbremse beschlossen wurde, ist die Inzidenz noch nicht deutlich gesunken", sagt Corsten. Wenn jetzt bereits über Lockerungen für Geimpfte gesprochen werde, sende das ein falsches Signal an die Bevölkerung. "Denn man darf nicht vergessen: Der Anteil der Menschen, die bereits komplett geimpft sind, ist noch immer sehr gering", so der Soziologie-Professor der Universität Hildesheim.

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Den Schritt der Politik kann sich Corsten nur damit erklären, dass dadurch vielleicht die Impfbereitschaft in den kommenden Monaten erhöht werden soll. "Ich hielte es für sinnvoller, abzuwarten, ob die Notbremse Wirkung zeigt", sagt er. "Und wenn ja, könnte man die Menschen dadurch motivieren, dass man Ende Mai über Lockerungen für alle sprechen kann."

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