Ihre Fragen: Soll ich mich mit Omikron anstecken lassen, wenn ich geboostert bin?

Stand: 29.01.2022, 13:02 Uhr

Wir beantworten Ihre Fragen zu Corona. Hier: Ist es sinnvoll, sich als Geboosterter bewusst mit Omikron zu infizieren?

Von Julia Polke und Jörn Seidel

Die massive Omikron-Welle führt vor Augen, dass sich früher oder später womöglich jeder mit dem Coronavirus infizieren wird. Sogar wenn man geboostert ist. So erwarten es Expertinnen und Experten wie der Virologe Christian Drosten.

Sich absichtlich mit Omikron infizieren?

So mancher Infizierter mag sich in diesen Tagen trösten: So habe er es nun wenigstens hinter sich. Aber ist es sinnvoll, daraus zu schlussfolgern, dass eine frühe Infektion sogar erstrebenswert ist? Das fragte Beate Scheurlen den WDR.

"Ich bin jetzt frisch geboostert. Und ich frage mich, ob ich mich nicht vielleicht bewusst infizieren soll, indem ich jemanden treffe, der die Krankheit jetzt hat, weil über kurz oder lang wird sie uns ja alle ereilen." Beate Scheurlen

Ein Argument, das dafür spricht, sich bewusst zu infizieren: Wer nach einer Omikron-Infektion und einem milden Krankheitsverlauf genesen ist, mag die jetzige Infektionswelle mit Blick auf sich selbst tatsächlich ein wenig gelassener sehen. Denn das Risiko wäre dann geringer, sich mit genau dieser Corona-Variante in Kürze noch einmal anzustecken.

Viele Argumente gegen eine absichtliche Infektion

Die Argumente gegen eine absichtliche Infektion dürften aber schwerer wiegen. Kurz gefasst sind es diese:

  • Auch ein milder Verlauf kann unangenehm sein. Trotz Booster sind schwere Verläufe nicht ausgeschlossen.
  • Das Risiko durch Long Covid ist unklar.
  • Unklar ist auch, wie lange eine Genesung vor weiterer Ansteckung schützt.
  • Man trägt zum Infektionsgeschehen bei und gefährdet dadurch andere.

Die ausführliche Antwort lässt sich mit einer Gegenfrage beginnen: Würde man sich freiwillig mit der Grippe anstecken? So sieht es auch die Virologin Sandra Ciesek.

"Man steckt sich ja auch nicht absichtlich mit Hepatitis C an, nur weil man es gut behandeln kann. Das ist einfach nicht der richtige Weg." Virologin Sandra Ciesek

Es sei "absurd, dass man überlegt, sich extra anzustecken", so Ciesek im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" vom 18. Januar. Zumindest könne man bei einer Infektion aber davon ausgehen, dass man als Geboosterter vorher "das Beste gemacht hat, was man tun kann, um einen milden Verlauf zu haben."

Durch eine Impfung, vor allem durch einen Booster, bilden sich im Körper Antikörper, B- und T-Zellen. Die Antikörper bieten auch einen Schutz vor Ansteckung - aber sie werden weniger im Laufe der Zeit. Die B- und T-Zellen bleiben. Und mit ihnen bleibt auch ein Schutz vor schwerer Erkrankung.

Auch milder Verlauf teils unangenehm

Gegen eine bewusste Infektion spricht auch: Schon ein milder Krankheitsverlauf kann unangenehm sein. Auch dieser kann zum Beispiel zu Atemnot führen und sich lange ziehen - sogar wenn man geboostert ist.

Trotz Booster schwere Impfdurchbrüche möglich

Außerdem kommt es auch bei Geboosterten vereinzelt zu schweren Impfdurchbrüchen. So registrierte das Robert Koch-Institut vom 27. Dezember bis 23. Januar 670 Geboosterte, die mit Corona im Krankenhaus behandelt werden mussten. Mehr als ein Drittel von ihnen war zwischen 18 bis 59 Jahre alt, fast alle anderen waren älter. Insgesamt 66 Geboosterte starben demnach.

Spätfolgen unklar

Spätfolgen - auch Long Covid und Post Covid genannt - gelten zwar nach einer schweren Erkrankung als wahrscheinlicher, kommen aber auch bei milden Verläufen vor. Hinzu kommt: Omikron ist noch gar nicht lange genug in der Welt, um über die möglichen Spätfolgen genauere Aussagen treffen zu können.

Ob Impfungen vor Long Covid schützen, da gehen die Studiendaten auseinander. Es gibt Studien, die auf eine deutliche Reduktion von Langzeitfolgen durch die Impfung hinweisen. Aber es gibt auch einige, bei denen sich kein Unterschied durch eine Impfung erkennen lässt.

Schutz vor erneuter Infektion unklar

Unklar ist auch noch, ob und wie lange man nach einer Infektion mit der Omikron-Variante vor einer erneuten Corona-Infektion geschützt ist. Nach Ansicht des Robert Koch-Instituts ist man bei Omikron nicht mehr so lange geschützt wie bei Delta.

Infizierte stecken andere an

Ein weiteres Argument gegen eine absichtliche Infektion: Man trägt zum Infektionsgeschehen bei. Denn die allermeisten Ansteckungen führen zu weiteren Ansteckungen. In den Infektionsketten kann immer jemand dabei sein, der schwer erkrankt - und vielleicht sogar medizinisches Personal ansteckt. Auch werden bei zu vielen Klinik-Fällen planbare Operationen verschoben. Eine Belastung für Patienten - und das ganze Gesundheitssystem.

Darüber hinaus müssen selbst bei milden und symptomfreien Verläufen Infizierte in Isolation. Viele können dann ihren Jobs nicht nachgehen, zum Beispiel Polizisten, Busfahrer, Entsorger, Lehrer und Erzieher. Das kann zu einer Gefahr für die kritische Infrastruktur werden, wie Corona-Expertenrat warnte.

Kurzum: Wer sich nicht ansteckt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Sich als Geboosterter bewusst mit Omikron zu infizieren, birgt viele Risiken.

Über dieses Thema berichtete am 29.01.2022 auch das WDR 5 Morgenecho und die "Aktuelle Stunde" im WDR Fernsehen.

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