Schweres Erdbeben in Südostasien | Kurzvideo

00:32 Min. Verfügbar bis 31.03.2027

Erdbeben in Südostasien: WHO ruft höchste Notfallstufe in Myanmar aus

Stand: 31.03.2025, 14:09 Uhr

Drei Tage nach dem Erdbeben in Südostasien suchen Rettungskräfte weiter nach Überlebenden. In NRW werden Hilfseinsätze geplant.

Nach dem schweren Erdbeben in Südostasien hat die Weltgesundheitsorganisation die höchste Notfallstufe für Myanmar ausgerufen. Es würden dringend acht Millionen Dollar benötigt, um Leben zu retten und innerhalb der kommenden 30 Tage Krankheitsausbrüche zu verhindern, erklärte die WHO am Sonntagabend.

Das bedeutet die höchste Notfallstufe der WHO

Die WHO unterscheidet drei Stufen von Notfällen. Diese Einstufung dient zur Koordination internationaler Gesundheitsmaßnahmen bei Krisen, Epidemien oder Naturkatastrophen. Stufe 3 bedeutet, dass ein schwerwiegender Notfall vorliegt. Meist sind die nationalen Kapazitäten dann überlastet. Die WHO greift in diesem Fall auf globales Personal und Ressourcen zurück und es gibt eine gemeinsame Koordination mit anderen NGOs und Staaten.

"Die WHO hat diese Krise als Notfall der Stufe 3 eingestuft - die höchste Aktivierungsstufe im Rahmen ihres Notfallreaktionsprogramms", erklärte die Gesundheitsbehörde der Vereinten Nationen. Strom- und Wasserversorgung seien in Myanmar vielerorts unterbrochen, "was das Risiko von Ausbrüchen von durch Wasser und Lebensmittel übertragenen Krankheiten erhöht".

Tausende Tote und Verletzte

Die Rettungskräfte setzten die Such- und Bergungsarbeiten weiter fort - teilweise mit Erfolg: Mehr als 60 Stunden nach dem Beben befreiten Retter ein Kind aus den Trümmern eines Apartmenthauses. Sein Gesundheitszustand soll stabil sein. Wie es aber weiter medizinisch versorgt werden kann, ist ungewiss. Die Lage im Bürgerkriegsland Myanmar ist weiterhin unübersichtlich und spitzt sich auch angesichts der Hitze mit Temperaturen von 40 Grad zu.

Nach dem Erdbeben, das neben Myanmar auch in Thailand, China und Vietnam teils deutlich zu spüren war, steigt die Zahl der bestätigten Toten weiter an. Die Militärregierung von Myanmar sprach in einer Mitteilung am Montag von mehr als 2.000 Toten. Zudem seien mehr als 3.900 Menschen verletzt worden. Es würden über 270 Personen vermisst.

Es wird vermutet, dass die tatsächliche Zahl der Toten deutlich höher ist, da viele Menschen unter eingestürzten Gebäuden verschüttet sind. Wegen der unübersichtlichen politischen Lage und schlechter Infrastruktur ist es schwierig, Hilfsgüter oder Rettungsteams nach Myanmar zu bringen.

Die ersten Hilfskräfte aus Indien und China sind bereits eingetroffen, aus zahlreichen anderen Ländern ist ebenfalls Hilfe unterwegs.

Einsatzkräfte arbeiten am Schutthaufen eines eingestürzten Hochhauses im Bau

Bangkok: Einsatzkräfte arbeiten am Schutthaufen des eingestürzten Hochhauses im Bau

In der thailändischen Hauptstadt Bangkok gibt es nach bisherigen Angaben mindestens 18 Todesopfer. Es wird befürchtet, dass die Zahl weiter steigt. Unter den Trümmern eines Hochhauses in Bangkok, das sich im Bau befand, werden immer noch weitere Menschen vermutet. "Überall war plötzlich Staub und dann dauerte es noch drei, vier Sekunden, bis das ganze Gebäude in sich zusammenbrach", schilderte eine Augenzeugin in Bangkok die dramatischen Momente. Viele Familien sind vor Ort und klammern sich an die Hoffnung, dass die Vermissten noch lebend gefunden werden. "Ich habe meinem Freund eine Sprachnachricht aufs Handy geschickt und Kerzen für ihn angezündet. Sein Name ist Kyi. Kyi ich bin hier, um dich zu finden. Bitte, wenn du noch lebst, ruf ganz laut und lass es die Retter hören", sagte Naruemol Thonglek, die Angehörige vermisst.

"Alle hier rannten um ihr Leben." Augenzeugin in Bangkok
zu Einsturz des Hochhauses

83 Menschen würden noch vermisst, teilten die Behörden mit. 32 Verletzte wurden gemeldet. Die Helfer kämpfen gegen die Zeit. Am Vortag hatten sie Lebenszeichen unter den Trümmern vernommen. Mit Spürhunden suchen sie nach weiteren Überlebenden. Zugleich schwindet die Hoffnung, unter den Trümmern noch Überlebende zu finden.

Spürhunde helfen bei der Suche nach Überlebenden unter Trümmern in Bangkok, 30.03.25

Spürhunde helfen bei der Suche nach Überlebenden in Bangkok

Schweres Erdbeben in Südostasien

WDR Studios NRW 30.03.2025 01:01 Min. Verfügbar bis 30.03.2027 WDR Online


Am Samstagabend und Sonntagmorgen versetzten mehrere Nachbeben die Menschen in Myanmar erneut in Angst, am Sonntagnachmittag (Ortszeit) maß die US-Erdbebenwarte USGS eine Erschütterung der Stärke 5,1.

Erdbeben in geringer Tiefe

Das Erdbeben der Stärke 7,7 hatte sich am Freitag gegen 14.20 Uhr Ortszeit (07.20 Uhr Mitteleuropäischer Zeit) 16 Kilometer nordwestlich der myanmarischen Stadt Sagaing in geringer Tiefe ereignet. Die Erschütterungen waren sogar in Kambodscha, Bangladesch und Indien zu spüren. Wenige Minuten später folgte ein weiteres schweres Beben der Stärke 6,7.

Vor allem in Myanmar richtete das Beben massive Schäden an: Häuser und Brücken stürzten ein, Straßen wurden aufgerissen. Besonders schwere Verwüstungen gab es in der zweitgrößten Stadt des Landes, Mandalay, wo dutzende Häuser einstürzten. Die 1,7-Millionen-Einwohner-Stadt liegt nahe des Epizentrums des Bebens. Viele Menschen werden dort im Freien behandelt. Zu groß ist die Sorge, dass die Gebäude, auch die Krankenhäuser, einstürzen könnten.

Ein Mann läuft die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes

Myanmar: Ein Mann läuft die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes

Betroffen war auch die Hauptstadt Naypyidaw. Dort stürzte der Eingang der Notaufnahme eines wichtigen Krankenhauses ein. Die Klinik musste hunderte Verletzte unter freiem Himmel behandeln.

Ausmaß sehr unklar - Myanmar ist im Bürgerkrieg

In den sechs am schlimmsten betroffenen Regionen des Landes wurde der Notstand ausgerufen. Das Land leidet seit vier Jahren unter einem Bürgerkrieg, der mit der Machtübernahme der Junta einsetzte. Die Infrastruktur und die öffentliche Gesundheitsversorgung sind zerrüttet und vielfach nicht mehr funktionsfähig. Es dürfte dauern, bis das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich wird.

Ein eingestürztes Gebäude in Nyapyitaw

Myanmar: Ein eingestürztes Gebäude in Naypyidaw

In einem ungewöhnlichen Schritt bat der Chef von Myanmars Militärregierung, Min Aung Hlaing, um internationale Hilfe. Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung solle "jedes Land, jede Organisation" helfen. In der Vergangenheit hatten es Militärregierungen in Myanmar selbst bei großen Naturkatastrophen abgelehnt, um internationale Hilfe zu bitten.

Aufgrund der unübersichtlichen politischen Lage und auch der kaputten Infrastruktur gestaltet sich der Einsatz in Myanmar für internationale Helfer schwierig. Die Rebellen riefen eine Teilwaffenruhe aus, damit Hilfen leichter ins Land gelangen. Dennoch griff die Militärjunta auch nach dem Beben noch Stellungen der Rebellen an.

Deutschland sagt Hilfe zu

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, Deutschland unterstütze die Hilfsprogramme der UNO und sei bereit, weitere Hilfe zu leisten. Auch die EU und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagten Unterstützung zu. Die EU unterstützt nach eigenen Angaben bereits mit Satellitenbildern.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagt, dass es derzeit keine Hinweise auf deutsche Opfer gebe. Die Lage sei noch sehr unübersichtlich. Auf den bei Urlaubern beliebten Inseln Koh Samui und Phuket spürten Anwohner nichts vom Beben.

Hilfe für die Erdbebengebiete in Südostasien

"Bündnis Entwicklung Hilft" und "Aktion Deutschland Hilft" rufen mit folgendem Konto gemeinsam zu Spenden auf:

IBAN: DE53 200 400 600 200 400 600
BIC: COBADEFFXXX
Commerzbank

Stichwort: ARD/ Erdbeben Südostasien

Hilfe für Erdbeben-Region auch aus NRW

Auch in NRW beobachten verschiedene Hilfsorganisationen insbesondere die Lage in Myanmar. Der Malteser Hilfsdienst koordiniert von Köln aus etwa 180 Helfer vor Ort. Sie versorgen die Menschen mit dem Nötigsten. Dazu gehören sauberes Trinkwasser, Zelte, Seile und Hygieneartikel. Wie groß die Notlage tatsächlich ist, ist derzeit kaum einzuschätzen. "Wir erwarten, dass die Zahlen der Betroffenen steigen werden. Wir kennen vergleichbare Erdbeben in anderen Regionen mit gleicher Ausprägung, da haben wir von 60.000 Toten gesprochen", sagt Stefanie Heil, Malteser International.

Die Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany hat bereits am Freitag ein Lagezentrum in Duisburg eingerichtet. I.S.A.R. ist auf Einsätze in Erdbebengebieten spezialisiert und könnte spezielle Such- und Rettungsteams sowie medizinische Nothilfe schicken.

Allerdings wird es vorerst keinen Einsatz geben, sagt ein Sprecher von I.S.A.R. dem WDR. Die Lage in Myanmar sei zu unübersichtlich. Durch die instabile politische Situation in Myanmar fehlen den deutschen Helfern Ansprechpartner, um verbindliche Absprachen zu treffen und den Einsatz zu koordinieren.

Ein weiterer Faktor sei die Zeit. Bei Sucheinsätzen in Erdbebengebieten sind die ersten 72 Stunden entscheidend. Anreise und Materialtransport nach Myanmar gestalten sich ebenfalls schwierig. I.S.A.R. prüft nun Hilfslieferungen, zum Beispiel für medizinische Ausrüstung.

Technisches Hilfswerk in Bereitschaft

Auch das Technische Hilfswerk ist auf die Suche nach Vermissten in Erdbebengebieten spezialisiert. Das THW steht aber vor demselben Problem. Im Lagezentrum in Bonn rechnet man kaum noch mit einem Sucheinsatz. Das THW könnte aber auch technische Hilfe leisten, zum Beispiel bei der Trinkwasseraufbereitung.

Die in Bonn ansässige Welthungerhilfe prüft nach den Worten ihres Landesdirektors Henry Braun, die bereits laufende Unterstützung von Menschen in Not mit Nahrungsmitteln, Bargeld und Hygieneartikeln auszuweiten. Das katholische Hilfswerk Missio Aachen richtete einen Hilfsfonds für Myanmar ein.

Rotes Kreuz hält Hilfsgüter bereit

Hilfsgüter könnten auch vom Deutschen Roten Kreuz ins Krisengebiet geschickt werden. "Wir stehen in engem Austausch mit dem Roten Kreuz Myanmar und finden gerade heraus, was benötigt wird", sagt DRK-Sprecherin Rebecca Winkels dem WDR. Man stehe "jederzeit bereit".

Das Rote Kreuz hält für Notfälle, wie in Myanmar, in seinen Lagern permanent Material bereit. Zelte, Decken und Hygieneartikel könnten kurzfristig geliefert werden.

Schwieriges Lagebild für Hilfsorganisationen

Für die Organisationen gestaltet sich die Koordination ihrer Hilfe extrem schwierig. Normalerweise melden Staaten, die Hilfe brauchen, sehr konkret, was benötigt wird. Das ist aufgrund der politischen Situation in Myanmar aber nicht so einfach. Es gibt keine eingeübten Kommunikationskanäle mit der Militärregierung in Myanmar.

Auch die Anreise ins Krisengebiet ist schwierig. Wegen der schlechten Infrastruktur in Myanmar ist die Anreise für deutsche Helferinnen und Helfer sehr umständlich und zeitintensiv.

Häufig Erdbeben in der Region

In Myanmar ist die Gefahr für Erdbeben relativ hoch. Die US-Erdbebenwarte zählte zwischen 1930 und 1956 sechs starke Beben mit einer Stärke von mindestens 7,0 in der Nähe der sogenannten Sagaing-Verwerfung, die sich von Norden nach Süden durch das Land zieht. Hier bewegen sich die indische Kontinentalplatte und die eurasische Platte mit einer Geschwindigkeit von etwa 18 Millimeter pro Jahr aneinander vorbei.

Es bauen sich Spannungen auf, die sich immer wieder entladen - nach einer ruhigeren Phase, die fast 70 Jahre angehalten hatte, erläuterte das Deutsche Geoforschungsinstitut (GFZ) in Potsdam. Dessen Experten gehen aktuell von einer Bruchlänge von mehr als 200 Kilometern aus.

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
  • TikTok-Accounts, u.a. von baimondesu und jamessingular
  • Helmholtz-Institut für Geoforschung Potsdam
  • Incorporated Research Institutes for Seismology, IRIS
  • Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
  • Deutsche Geoforschungsinstitut
  • WHO Emergencies Grading