Teil-Impfpflicht startet - aber vorerst kein Durchgreifen

Stand: 16.03.2022, 19:02 Uhr

Nach langen Auseinandersetzungen tritt die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen in Kraft. Aber erst einmal gelten Ermessensspielräume und Umsetzungsfristen.

Von Christian Wolf

Auch wenn der russische Angriffskrieg auf die Ukraine gerade viele andere Themen in den Hintergrund rücken lässt, lohnt sich ein Blick darauf, was sich auch in Sachen Corona tut. Denn seit Mittwoch ist ein umstrittenes Vorhaben Wirklichkeit: die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. Hinter diesem etwas abstrakten Begriff verbirgt sich die Vorgabe, dass die Beschäftigten in Gesundheit und Pflege nachweisen müssen, dass sie gegen Corona geimpft oder genesen sind.

Impfpflicht nicht nur für Heime und Krankenhäuser

Spontan denken dabei die meisten wohl an Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern und Heimen. Die sind in der Tat betroffen - aber nicht nur. Es geht um die gesamte Belegschaft, also auch Reinigungskräfte oder Hausmeister. Zudem sind auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Arztpraxen, Rettungsdiensten, Dialyseeinrichtungen, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegediensten betroffen. Allein in NRW geht es schätzungsweise um bis zu eine Million Beschäftigte.

Sie alle müssen ihrem Arbeitgeber bis heute zeigen, dass sie vollständig geimpft sind oder eine maximal 90 Tage zurückliegende Genesung vorliegt. All diejenigen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, müssen ein ärztliches Zeugnis vorlegen.

Harsche Konsequenzen möglich

Soweit die Theorie. Geht es aber um diejenigen, die nichts vorweisen können, wird es kompliziert. Denn es ist unklar, wie streng die Vorgaben durchgezogen werden. Theoretisch kann das örtliche Gesundheitsamt dem Ungeimpften verbieten, die Einrichtung zu betreten oder dort tätig zu sein. Auch drohen Geldbußen von bis zu 2.500 Euro, Lohnausfall und arbeitsrechtliche Konsequenzen bis zu Abmahnung und Kündigung.

Vorerst keine Beschäftigungsverbote

Was davon in der Praxis tatsächlich auch getan wird, ist offen. Denn dem Gesetz zufolge können die Ämter entsprechende Verbote verhängen, sie müssen das aber nicht tun. In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. In Nordrhein-Westfalen sind Beschäftigungs- oder Betretungsverbote nach Ansicht des Gesundheitsministeriums nicht unmittelbar zu erwarten. Bis zur vollständigen und flächendeckenden Umsetzung hätten die örtlichen Gesundheitsämter bis zum Sommer Zeit.

Zunächst soll der Arbeitgeber bis Ende März das zuständige Gesundheitsamt informieren, wenn Beschäftigte keine Nachweise erbringen oder Zweifel an der Echtheit der Dokumente bestehen. Das Amt soll dann Kontakt zu den Betroffenen aufnehmen. Wenn die dann weiterhin keinen Nachweis vorlegen oder sich einer ärztlichen Untersuchung verweigern, kann das Betreten der Einrichtung oder das Arbeiten dort untersagt werden.

Dieses Prozedere kann sich aber hinziehen. Denn das Gesundheitsministerium räumt den Ämtern eine stufenweise Umsetzung bis zum 15. Juni ein. Zudem gibt es Ermessensspielräume. So soll geschaut werden, um welche konkrete Tätigkeit es geht oder wie die Situation in der Einrichtung oder dem Unternehmen ist. Am Ende könnte es also sein, dass zum Beispiel bei einer Küchenhilfe ohne Kontakt zu Patienten ein Auge zugedrückt wird. Jeder Fall soll einzeln geprüft werden.

Gesundheitsämter sollen vom Land mehr Geld für Personalausgaben bekommen

Genau das macht die Sache für die Gesundheitsämter so schwierig. "Der Aufwand ist immens", sagt der Geschäftsführer des Städtetages NRW, Helmut Dedy. Es brauche finanzielle und personelle Unterstützung durch das Land. Diese Hilfe kommt offenbar auch. Die Landesregierung hat nach Angaben von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) rund 16 Millionen Euro beantragt - Geld, das den Gesundheitsämtern vor allem für Personalausgaben zur Verfügung gestellt werden soll.

Das Land will zudem den Aufwand in den betroffenen Einrichtungen so gering wie möglich halten. Hierzu bietet das NRW-Gesundheitsministerium den von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffenen Einrichtungen und Unternehmen einen Onlinedienst an, um Daten den Gesundheitsämtern zu melden. Über das Wirtschafts-Service-Portal.NRW des Landes könnten die Einrichtungen ihrer Meldepflicht aus dem Infektionsschutzgesetz des Bundes "einfach, sicher und datenschutzkonform" nachzukommen, hieß es.

Genaue Zahlen über Ungeimpfte? Gibt es nicht

Bleibt noch eine Frage offen: Um wie viele Menschen geht es eigentlich? Genaue Zahlen dazu, wie hoch die Zahl der Ungeimpften in den betroffenen Bereichen ist, gibt es nicht. Mitte Februar schätzte das NRW-Gesundheitsministerium, dass bis zum Beginn der Impfpflicht etwa 50.000 bis 100.000 Menschen noch nicht über einen vollständigen Impfschutz verfügten.

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