Einwanderung: Geduldete sollen dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen

Stand: 06.07.2022, 11:42 Uhr

Die Ampelkoalition will mehr Menschen ermöglichen, nach Deutschland zu kommen - und hier zu bleiben. Dafür soll das Einwanderungsrecht grundlegend verändert werden. Das Kabinett hat sich auf erste neue Regeln geeinigt - sie sollen unter anderem Geduldeten zugute kommen.

Von Christina Höwelhans

Welche neuen Regeln plant die Bundesregierung?

Die Ampelkoalition hat einen ersten Gesetzentwurf zur Migration vorgelegt. Unter anderem will die Bundesregierung Geduldeten ermöglichen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. Bei Geduldeten wurde der Asylantrag abgelehnt, sie können aber nicht abgeschoben werden - beispielsweise weil Ausweisdokumente fehlen oder die Lage im Herkunftsland unsicher ist.

Diese Menschen sollen jetzt dauerhaft bleiben dürfen, wenn sie zum Stichtag am 1. Januar 2022 mindestens fünf Jahre in Deutschland waren. Das betrifft theoretisch 136.605 Menschen. Wer mit falschen Angaben einreiste oder ein Straftäter ist, soll das Angebot nicht bekommen. Für das sogenannte "Chancen-Aufenthaltsrecht" müssen die Geduldeten in einer einjährigen Probezeit unter anderem nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und ausreichend Deutsch können.

Im Gesetzentwurf geht es auch um Regeln zur Einwanderung von Fachkräften. Unter anderem soll der Familiennachzug von Fachkräften wie IT-Spezialisten aus Drittstaaten erleichtert werden. Außerdem sollen mehr Asylbewerber an Integrations- und Berufssprachkursen teilnehmen können. Der Gesetzentwurf muss noch durch den Bundestag und den Bundesrat.

Welche Kritik gibt es an den geplanten neuen Einwanderungsregeln?

CDU und CSU befürchten durch die neuen Regeln für Geduldete, dass Menschen einen Anreiz haben, illegal nach Deutschland einzureisen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) weist das zurück und betont: Menschen, die mit falschen Angaben eingereist sind, sollten das Angebot für das "Chancen-Aufenthaltsrecht" nicht bekommen. Die Regelung im Gesetzentwurf ist außerdem begrenzt auf Geduldete, die bereits seit mindestens fünf Jahren in Deutschland sind.

Mehreren Hilfsorganisationen geht das geplante Gesetz nicht weit genug. Es greife nur einen kleinen Teil der im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen auf, kritisierten zwölf Organisationen vorab. "Das Ziel ist gut und richtig: Menschen eine Chance zu geben, die bislang keinen sicheren Status haben", sagte "terre des hommes"-Vorstand Joshua Hofert. "Der von der Ampel-Regierung angekündigte Paradigmenwechsel in der Flucht- und Migrationspolitik ist noch nicht in Sicht." Die Hilfsorganisationen kritisierten außerdem, dass Arbeits- und Ausbildungsverbote für geflüchtete Menschen dem Entwurf zufolge nicht abgeschafft werden sollen. 

Will die Ampelkoalition noch mehr im Einwanderungsrecht verändern?

Ja, dieser Gesetzentwurf ist nur der erste Aufschlag. Die Koalition will noch in diesem Jahr ein zweites Paket auf den Weg bringen. Darin wird es vor allem um die Fachkräfte-Einwanderung gehen. Deutschland brauche Arbeitskräfte aus dem Ausland, sagte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in der ARD: "Die Babyboomer gehen in Rente. Ohne Zuwanderung schrumpft unser Arbeitsmarkt um fünf Millionen Personen." Das Personal fehlt in vielen Branchen: Beispielsweise in der Gastronomie, in der Pflege, in der Kinderbetreuung und im Handwerk.