Fanmarsch der türkischen Fans von der Innenstadt zum Stadion in Dortmund

Sicherheits-Bilanz der EM: Ermittlungen wegen Volksverhetzung

Stand: 17.07.2024, 12:49 Uhr

Dass die Fußball-EM zum überwiegend friedlichen Fest geriet, ist auch einem großen Kraftakt der Polizei zu verdanken. Zu einigen unschönen Szenen kam es dennoch - so die Sicherheitsbilanz der Behörden.

Alles in allem gilt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland als gelungenes Fest. Auch aus NRW gab es überwiegend schöne und bunte Bilder von feiernden Fans. 20 der insgesamt 51 EM-Spiele fanden in NRW statt, zuletzt das Halbfinalspiel England gegen die Niederlande im Dortmunder Westfalenstadion.

Für NRW-Innenminister Herbert Reul ist auch die Sicherheits-Bilanz der EM ein großer Erfolg: "Unsere Vorbereitungen waren genau richtig. Die Maßnahmen und Konzepte, die wir uns in den zurückliegenden Jahren kleinlich überlegt haben, waren genau das, was eine Europameisterschaft im Jahr 2024 gebraucht hat." Er danke "allen, die dafür gesorgt haben, dass es ein fröhliches, friedliches Turnier geworden ist".

Wenige Vorkommnisse

Dennoch bilanzieren die Sicherheitsbehörden im Nachgang auch einige wenige unschöne Vorkommnisse im Zusammenhang mit Volksverhetzung. Allein in NRW gab es deswegen bis 10. Juli insgesamt acht Ermittlungsverfahren, 15 wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das bestätigte das Landesinnenministerium dem WDR.

Hitlergruß in Dortmund

Fans und Polizei im Dortmunder Stadion beim Spiel Italien - Albanien

Italien gegen Albanien im Dortmunder Stadion

Laut Deutscher Presseagentur (DPA) teilte die Polizei in Dortmund mit, dass bei der dort gespielten Partie zwischen Italien und Albanien Mitte Juni mehrere Personen den Hitlergruß gezeigt hätten. Wenige Tage später sei in der Fanzone am Friedensplatz der Hitlergruß gezeigt worden. Zudem gebe es Ermittlungen gegen eine Person, die ein Foto mit Fußball-Bezug und hineinmontiertem Hakenkreuz gepostet habe. In allen Fällen habe die Polizei entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Rechtsextreme Rufe in Köln

Die Polizei in Köln berichtete demnach "exemplarisch" von zwei Vorfällen: Beim ersten EM-Spiel in der Domstadt hätten Beamte Mitte Juni beim Fanmarsch der Ungaren vor dem Spiel gegen die Schweiz "Ausländer raus"-Rufe wahrgenommen. Da diese nicht zuzuordnen gewesen seien, liefen die Ermittlungen gegen unbekannt. Mitte Juli hätten zudem zwei namentlich bekannte Männer aus Polen im Bereich der Fanzone Heumarkt unter anderem den Hitlergruß gezeigt. In beiden Fällen werde strafrechtlich ermittelt. 

Beleidigungen in Düsseldorf

Die Polizei in Düsseldorf berichtete von einem Verdachtsfall der Volksverhetzung. Es gehe um ein Video auf der Social-Media-Plattform Tiktok, in dem eine Frau schildere, dass beim Public Viewing aus einer männlichen Personengruppe heraus mehrfach volksverhetzende und beleidigende Äußerungen getätigt worden seien. Die Ermittlungen des Staatsschutzes dauerten an, hieß es. 

Keine bekannten Fälle in Gelsenkirchen

Bei der Polizei in Gelsenkirchen seien keine Verfahren im Zusammenhang mit Volksverhetzung oder verfassungswidriger Symbole im EM-Zeitraum bekannt, wie es hieß laut DPA.

Das NRW-Innenministerium meldete 683 Straftaten im Zusammenhang mit der EM: 211 Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz -strafbare Pyrotechnik -, 154 Körperverletzungen, 87 Hausfriedensbrüche, 28 Diebstähle, 31 Beleidigungen und 25 Sachbeschädigungen. 210 Personen seien vorläufig in Gewahrsam genommen worden.

Diskussionen um türkischen "Wolfsgruß"

Ein Fan in Duisburg zeigt den Wolfsgruß nach der Niederlage der türkischen Nationalmannschaft im EM-Viertelfinale

Wolfsgruß bei Autokorso in Duisburg

Diskussionen gab es über den sogenannten "Wolfsgruß", den Fans der türkischen Mannschaft immer wieder zeigten. Zuvor hatte die UEFA eine Spielsperre gegen den türkischen Nationalspieler Merih Demiral verhängt, der auf dem Spielfeld den Arm zum Wolfsgruß erhoben hatte. Er ist das Zeichen der rechtesextremistischen türkischen "Ülkücü"-Bewegung, die auch "Graue Wölfe" genannt und in Deutschland und auch in NRW vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Laut NRW-Innenministerium ist die Ülkücü-Bewegung eine "heterogene türkisch-rechtsextremistische Bewegung" mit einem "übersteigerten Nationalbewusstsein", die als ihre Feinde neben Kurden auch Armenier und Juden bezeichne.

"Wolfsgruß durchaus präsent"

Viele Fans reagierten dennoch empört auf die Sperrung des Nationalspielers - und der Wolfsgruß war offenbar rund um sämtliche Spiele der Türkei immer wieder sichtbar. In den Stadien, während der Fanwalks und bei Autokorsos der türkischen Fans.

Das Thema Wolfsgruß sei durchaus "präsent" gewesen, bestätigt ein Sprecher der Dortmunder Polizei auf WDR-Anfrage, "die Problematik hatten wir hier über Wochen". Die ersten beiden Spiele der türkischen Mannschaft fanden in Dortmund statt. Tausende Türkei-Fans kamen ins Stadion, weitere tausende feierten beim Public Viewing - und immer wieder der Wolfsgruß.

Aber: Da die Geste in Deutschland nicht verboten und somit keine Straftat ist, habe man die Vorfälle nicht erfasst und keine Ermittlungsverfahren einleiten können, sagt der Sprecher. "Hin und wieder sind wir proaktiv eingeschritten, wenn wir beobachten konnten, dass es durch den Wolfsgruß zu Provokationen kam."

Kraftakt auch für die Bundespolizei

Das Bundesinnenministerium spricht vom "größten Einsatz" in der Geschichte der Bundespolizei. Jeden Tag seien rund 22.000 Kräfte im Dienst für die Sicherheit der EM gewesen. Zusätzlich habe das Technische Hilfswerk die Gastgeberstädte und andere Behörden mit etwa 13.000 überwiegend ehrenamtlichen Kräften unterstützt.

Hooligans seien zwar vor Ort gewesen, "aber das präsente Auftreten der Polizeibeamten des Bundes und der Länder und vor allem robuster Bereitschaftspolizeikräfte" habe Versuche, Gewalttaten zu verüben, weitgehend unterbunden.

An den deutschen Binnengrenzen hätten die besondere Kontrollen gewirkt: Im Zeitraum vom 7. Juni bis zum 15. Juli 2024 wurden demnach 1.112 Haftbefehle vollstreckt, rund 8.300 unerlaubte Einreisen registriert und über 100 Hooligans an der Einreise nach Deutschland gehindert. Auch das Das International Police Cooperation Center (IPCC) in Neuss habe dazu beigetragen, potentielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu deeskalieren.

Unsere Quellen:

  • NRW-Innenministerium
  • Polizei Dortmund
  • Pressemeldung Landesregierung NRW
  • Pressemeldung Bundesinnenministerium
  • Nachrichtenagentur DPA