Nach Tod einer Lehrerin in Ibbenbüren: Konsequenzen gefordert

Stand: 23.01.2023, 20:00 Uhr

Der tödliche Angriff auf eine Lehrerin in Ibbenbüren hat zu einer neuen Debatte über Gewalt gegen Lehrkräfte geführt - ein Tabu-Thema in vielen Schulen.

Von Heike Zafar

"Es sind oft völlig banale Situationen, die einzelne Schüler komplett ausrasten lassen", erzählt eine Lehrerin aus dem Münsterland. Sie möchte anonym bleiben. Aber das Thema "Gewalt gegen Lehrkräfte" liegt ihr sehr am Herzen. Sie selbst hat noch keine körperliche Gewalt erlebt, wohl aber Beschimpfungen und Beleidigungen, etwa wenn sie mal wieder ein Handy konfisziert hat.

Eine Lehrerin, die anonym bleiben möchte, redet über Gewalt, die ihr widerfahren ist.

Beschimpfungen und Beleidigungen gehören zum Schulalltag

"Das bringt die Emotionen total zum Explodieren und dann wird geschrien: 'Sie dürfen das nicht, ich verklage Sie'", schildert die Lehrerin. "Und wenn man dann nicht runter eskaliert, kann man sich durchaus mal was abholen, auch Schläge. Das kann passieren." Es bestehe dringender Handlungsbedarf. "Wir haben viel zu lange weggeguckt."

Messer bei Grundschülern sichergestellt

Michael Kaulingfrecks, Leiter einer Grundschule in Münster und Sprecher der Lehrergewerkschaft VBE ist einer der wenigen, der offen über das Thema spricht. Obwohl die Kinder an seiner Schule gerade mal 6 bis 10 Jahre alt sind, kommt es auch hier zu verbalen und körperlichen Attacken gegen Lehrkräfte. Eine Sekretärin wurde von einem Vater bedroht.

In seinem Safe bewahrt Kaulingfrecks Messer und andere gefährliche Gegenstände auf. Er hat sie bei Kindern in seiner Schule sichergestellt. Darunter ein schweres Taschenmesser mit einer scharfen Klinge. "Man wundert sich schon, was manche Kinder in ihrem Tornister haben", sagt der Schulleiter.

VBE: Zunehmende Gewalt an Schulen

Die Ergebnisse einer Schulleitungsumfrage in ganz NRW zu Gewalt an Schulen.

VBE-Umfrage macht Probleme offenkundig

"Das Thema muss auf den Tisch und darf nicht unter den Teppich gekehrt werden", fordert Doris Feldmann vom Bezirkspersonalrat des VBE. Die Gewalt an Schulen habe deutlich zugenommen, sagt sie und präsentiert Zahlen: Nach einer VBE-Umfrage unter 1.000 Schulleitern in Deutschland berichtet fast jeder Zweite (46 Prozent) von körperlicher Gewalt. 73 Prozent der Schulleiter haben an ihrer Schule Beschimpfungen, Bedrohungen und Beleidigungen ihrer Lehrkräfte erlebt.

"Null-Toleranz" gefordert

"Man muss den Mut haben, hinzusehen und auch Anzeige zu erstatten", beteuert Doris Feldmann vom VBE. "Wir brauchen Null-Toleranz." Allerdings schreckten viele Lehrerinnen und Lehrer vor einer Strafanzeige zurück - auch aus Angst vor Bedrohungen.

Außerdem zögen Anzeigen einen Rattenschwanz von Bürokratie nach sich. Feldmann ist überzeugt, dass der Fachkräftemangel an Schulen das Problem noch verstärkt: Sozialarbeiter:innen würden häufig als Vertretungskräfte im Unterricht eingesetzt und hätten damit für andere Dinge keine Zeit.

Über dieses Thema haben wir am 23.01.2023 in der Lokalzeit Münsterland im WDR Fernsehen und auf WDR 2 berichtet.