Wie wir im WDR mit Künstlicher Intelligenz umgehen
Stand: 14.11.2023, 16:00 Uhr
Mit dem Start von ChatGPT ist Künstliche Intelligenz (KI) schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit und in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Das Potenzial dieser Technologie geht indes weit über Texterzeugung hinaus. Auch wir im WDR beschäftigen uns mit KI – wie und auf welcher Grundlage wir das tun, erläutern wir hier.

Programmdirektor Jörg Schönenborn
Künstliche Intelligenz (KI) ist im Alltag vieler Menschen angekommen, sie hilft bei Hausaufgaben oder der Bearbeitung von Urlaubsbildern, ihr Potenzial reicht von der Autokorrektur bei der Texteingabe über den smarten Kühlschrank bis zu medizinischen Analysen und weit darüber hinaus. „KI-Anwendungen eröffnen auch uns als Medienhaus viele neue Möglichkeiten“, sagt Jörg Schönenborn, Programmdirektor Information, Fiktion, Unterhaltung im WDR. „Wir bewegen uns hier in einem Wachstumsfeld.“ Ein Feld, auf dem Daten-Experten unseres Senders seit etwa 2015 Erfahrungen sammeln. Auf dieser Basis erfolgte Anfang 2022 die Gründung des Competence Center Artificial Intelligence (CCAI). Das Team ist Ansprech- und Realisierungspartner für alle Ideen und Fragen rund um das Thema Künstliche Intelligenz, berät schwerpunktmäßig zu den Themen Nutzungsdaten-und Metadaten-Analyse.
Mittlerweile haben viele Bereiche und Redaktionen im WDR Erfahrungen gesammelt, aus denen zum Teil konkrete Anwendungsmöglichkeiten geworden sind. Schon vor ChatGPT half KI im WDR dabei, Audios und Videos in Text zu überführen. Bei der Recherche in gemeinsamen Datenbanken der ARD werden Mitarbeiter:innen von der so genannten „Crossmedialen Suche“ unterstützt: Sie analysiert Texte und Bilder und stellt dabei durchsuchbare Metadaten zusammen. Bereits online nutzbar sind die Bildersuche beim Online-Projekt „Digit“ und die sprachgesteuerten Voice-Apps der WDR-Angebote „Hörspielspeicher“ oder „Rockpalast“. Derzeit wird u. a. an KI-gestützter Live-Untertitelung von Fernsehsendungen gearbeitet. Außerdem wird getestet, mit Hilfe von KI bestehende Online-Texte in Leichte Sprache zu übersetzen und dann auch diese Versionen ins Netz zu stellen, um die Barrierefreiheit unseres Angebots auszuweiten.
Technik, Rechte, Ethik - KI hat viele Ebenen
Bei allen Chancen – die Entwicklung der Technologie ist rasant und nicht frei von Risiken. Beispiel: Gesichter und Stimmen lassen sich in Videos heute so gut kopieren, dass sie vom Original kaum zu unterscheiden sind („Deepfakes“) – was bedeutet das für den WDR, den seine Moderatorinnen und Moderatoren eigentlich unverwechselbar machen? Was können wir dagegen tun, wenn solch in die Irre führenden Deepfakes auftauchen?

Stefan Moll, Leiter des KI-Teams
Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich im WDR ein interdisziplinäres Team, das KI-Team. Es ist Anlaufstelle für aktuelle Fragen der WDR-Redaktionen, erarbeitet aber auch grundsätzliche Positionen und hält den Kontakt zu KI-Teams in anderen ARD-Häusern. „Dabei betrachten wir die Themen aus unterschiedlichen Perspektiven“, sagt Stefan Moll, Leiter des KI-Teams. „Ganz oft geht es gleichzeitig um technische, rechtliche und inhaltliche Fragen, oft spielen auch ethische Aspekte eine Rolle.“
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im WDR muss den Werten und Zielen dienen, die sich aus der öffentlich-rechtlichen Verfassung des WDR, seinem Programmauftrag und seinen Programmgrundsätzen ergeben.
Neben den Punkten Rechtmäßigkeit, Verantwortlichkeit und Transparenz betrifft dies vor allem seinen gesellschaftlichen Auftrag, durch vielfältiges, umfassendes, inklusives, wahrhaftiges und unabhängiges Programm Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu sein. aus "Grundsätze für den KI-Einsatz im WDR"
Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung konkreter Anwendungsideen für Nutzerinnen und Nutzer steht im Zentrum: Transparenz. In welchen Fällen und wie müssen wir den Einsatz von KI klar erkennbar machen, damit unser Programm glaubwürdig bleibt? Wir haben uns im WDR darauf verständigt, dass wir nicht extra darauf hinweisen, wenn KI bei der Recherche oder der Übersetzung von fremdsprachigen Texten genutzt wurde. Werden aber beispielsweise Bilder und Grafiken online bzw. im Fernsehen oder Stimmen in einem Hörfunk-Beitrag künstlich erstellt, so informieren wir darüber im entsprechenden Fernseh-, Hörfunk- oder Online-Beitrag.
Und wo geht diese Reise hin? „Ich sehe KI als Werkzeug, das einige unserer Abläufe beschleunigen kann. Sie kann und wird aber die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten nicht ersetzen. Am Ende braucht es immer den Menschen, der recherchiert, der Inhalte prüft und verantwortet“, sagt Jörg Schönenborn. Und Stefan Moll ergänzt: „Ich glaube, dass KI eine ähnlich große Veränderungskraft entfalten wird wie Online oder Social Media.“