Bestechungsprozess gegen Ex-Bürgermeister: Chatnachrichten als Beweis

Stand: 18.09.2024, 15:19 Uhr

Vor dem Landgericht Münster hat der Korruptionsprozess gegen den Ex-Bürgermeister von Ostbevern begonnen. Anderthalb Stunden brauchte der Richter, um das erste Beweismittel vorzutragen: 652 Chatnachrichten zwischen den beiden Angeklagten, dem ehemaligen Gemeindeoberhaupt und einem Geschäftsmann.

Von Andrea Hansen

Um neun Uhr am Mittwochmorgen begann der Prozess vor dem Landgericht gegen Wolfgang Annen, den ehemaligen Bürgermeister von Ostbevern, und einen Geschäftsmann aus Münster.

Der Ex-Bürgermeister soll von dem Geschäftsmann Bestechungsgelder angenommen und mit diesen sein Einfamilienhaus in Rheinland-Pfalz finanziert haben.

Auf dem zu billig verkauften Grundstück steht bis heute keine Kita.

Der Geschäftsmann soll dafür zwei Grundstücke deutlich unter Marktwert erhalten haben. Auf einem davon sollte eine Kita gebaut werden, die heute immer noch als ausgebrannte Rohbau-Ruine das Grundstück blockiert.

Bestechung und Bestechlichkeit - Höchststrafe zehn Jahre Haft

Dem Ex-Bürgermeister wird Bestechlichkeit, dem Geschäftsmann Bestechung vorgeworfen. Beides sind Verbrechen, so der Sprecher des Landgerichts: Die Höchststrafe liege bei zehn Jahren.

Nachdem die Staatsanwältin die Anklage verlesen hatte, stieg das Gericht in die Beweisaufnahme ein. Und schon durch den ersten Beweis bekamen die Besucher einen intensiven Einblick in die Abläufe.

Der Richter verlas 652 Chatnachrichten, die die beiden Angeklagten sich zwischen 2015 und 2019 geschickt hatten. Aus denen wurden etliche Details ihrer Vorgehensweise deutlich.

Chatnachrichten offenbaren finanziellen Druck

Anderthalb Stunden brauchte der Vorsitzende, um den Chatverlauf vorzulesen.

Besonders oft geht es darin um die Zahlungen an Wolfgang Annen. Der drängt immer wieder, er brauche das Geld schnell, weil an seinem Haus ein Baustopp drohe. Sein Komplize vertröstet: "Habe noch keine Lösung, die ohne Risiken funktioniert!"

Die Antwort darauf: "Zwei Koffer, Luxemburg". Im Saal wird gemurmelt, leise aufgelacht oder kurz gestöhnt, wenn die vorgelesenen Nachrichten zu schräg werden.

Die Nachfragen Annens werden drängender, oft erhält er erst nach Tagen eine Reaktion seines "Geschäftspartners": "Russland, Handy im Tresor, jetzt Helsinki".

Ostbeveraner äußern Entrüstung über kriminelle Energie

Die finanzielle Not von Ex-Bürgermeister Annen wird im Chatverlauf sehr deutlich - die Skrupellosigkeit bei der ganzen Sache auch. Als sich in Ostbevern Widerstand gegen die Pläne regt, wird auch das Thema in den Chats.

Da wird überlegt, ob man einer der Beschwerdeführerinnen nicht mal Behörden auf den Hals hetzen könne. Und es wird ein Treffen auf Deck B3 im Parkhaus bei IKEA Kamen verabredet. Es ist wie in einem schlechten Film.

Den verfolgen auch einige Menschen aus Ostbevern. Sie sind entrüstet über das, was sie da hören. Manche, die sich früh skeptisch gezeigt und dafür im Ort wenig Beifall erhalten hatten, äußern auch Genugtuung.

Noch sieben Verhandlungstage bis zum Urteil

Der Anwalt des münsterschen Geschäftsmannes wies die Vorwürfe zurück: Sein Mandant habe sich nichts zuschulden kommen lassen, es habe sich um ein Darlehen unter Freunden gehandelt. Er stellte eine Aussage für den zweiten Prozesstag in Aussicht.

Der Anwalt von Wolfgang Annen wollte nicht mit dem WDR sprechen. Ob sein Mandant sich im weiteren Prozessverlauf noch äußern werde, ließ er im Gerichtssaal offen, wenn dann wohl nur zum Schluss des Verfahrens.

Beide Angeklagten sind in Deutschland nicht vorbestraft. Gegen den Geschäftsmann läuft jedoch aktuell noch ein weiteres Strafverfahren in Münster.

Ein geladener Zeuge erschien nicht vor Gericht, weil er im Urlaub war. Der Richter unterbrach daraufhin die Verhandlung bis zum 02.10.2024. Da wird auch der aktuelle Bürgermeister von Ostbevern als Zeuge auftreten. Das Urteil soll am 26.11.2024 fallen.

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