In Deutschland ist der Impfmarathon gegen das Coronavirus in vollem Gange. Doch es werden noch viele Monate ins Land gehen, bis tatsächlich jeder, der es will, geimpft ist. Eine generelle Impfpflicht wird es aber nicht geben - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird nicht müde, dies zu betonen.
Dennoch fragen sich viele, ob diejenigen, die einen Impfnachweis erbringen können, Sonderrechte bekommen. Gelten dann für sie bestimmte Regeln nicht mehr? Zum Beispiel keine Maskenpflicht mehr beim Einkaufen oder in Bus und Bahn? Oder: Dürfen Geimpfte im Gegensatz zu Nicht-Geimpften wieder ins Restaurant oder ins Museum?
Spahn setzt auf Solidarität
Spahn fände das zum derzeitigen Zeitpunkt unfair. Er setzt auf Solidarität. Viele warteten, dass einige als Erste geimpft werden könnten, sagte er der ARD. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarteten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden. "Wir haben diese Pandemie gemeinsam gut durchgestanden, das sollten wir auch in den letzten Monaten, bis wir allen ein Impfangebot machen können", betonte der Minister.
Ein Impfangebot für alle - das wird erst im Laufe des Jahres 2021 kommen. Und dann? Wird es dann Privilegien für diejenigen geben, die sich gegen das Coronavirus haben impfen lassen? Manch einer befürwortet das.
Montgomery fordert Vorteile für Geimpfte
Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery etwa sagte der ARD, es könne nicht sein, dass die Mehrheit derjenigen, die sich impfen lassen, sich von den Impfunwilligen vorschreiben lassen, was künftig im öffentlichen Leben möglich ist und was nicht. Die Geimpften sollten langfristig Vorteile genießen dürfen, forderte Montgomery. Zum Beispiel, dass sie an Langstreckenflüge ohne einen Corona-Test teilnehmen dürfen oder etwa, dass sie in Kinos oder Restaurants keine Masken tragen müssen.
Impfpflicht durch die Hintertür?
Nicht ausgeschlossen ist auch, dass die Impfpflicht durch die Hintertür kommt. So hatte die australische Airline Qantas angekündigt, Reisende auf internationalen Verbindungen nur dann an Bord zu lassen, wenn sie eine Impfung nachweisen können. Montgomery sagte, dass generell Unternehmen in ihrer Vertragsgestaltung frei seien.
Diskussion auch in den sozialen Medien
"Impfpflicht - ja oder nein" - das Thema sorgt auch für Diskussionen in den sozialen Medien. So schrieb eine Userin: "Wenn man berufstätig ist und das Kind eine Betreuung braucht, geht es schon los. Ist das Kind nicht geimpft, bekommst du keinen Kita-Platz", prophezeit sie. Doch die Befürchtung der Userin ist unbegründet. Denn: Erst ab einem Alter von 16 Jahren werden Menschen überhaupt erst gegen das Coronavirus geimpft. Konkrete Impfpläne für Kinder und Jugendliche gibt es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) derzeit noch nicht.
Die Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, kann sich übrigens ebenfalls Vorteile für Geimpfte vorstellen - aber erst, wenn alle Impfwilligen überhaupt die Chance hatten, sich impfen zu lassen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Vorher nicht."
Geschäfte nur mit Geimpften? Das ist die Rechtslage
Doch wie sieht die Sache überhaupt juristisch aus? Dürfen Kneipenwirte, Konzertveranstalter oder Fluglinien vorgeben, dass sie nur noch mit Geimpften zu tun haben wollen? Dazu sagt SWR-Rechtsexperte Klaus Hempel, dass es grundsätzlich privaten Geschäftsleuten frei stehe, mit wem sie Verträge abschließen. Der Staat könne sie nicht dazu verpflichten, dass sie auch mit Ungeimpften Geschäfte machen.
Sollte es indes eines Tages einmal Impfausweise geben, dann stellt sich laut Hempel die Frage, ob Geschäftsleute von ihren Kunden verlangen dürfen, dass sie ihren Impfausweis vorzeigen. Das sei unter Rechtsexperten umstritten, stellt Hempel klar. Datenschutzrechtlich sei es nicht möglich, weil es um höchstpersönliche Gesundheitsdaten gehe. Andere Rechtsexperten sagten, dass das Vorzeigenlassen eines Impfausweises durchaus zulässig sei. "Am Ende müssen dies wohl die Gerichte klären", so Hempel.