Schulschließungen bei einer Inzidenz unter 100 seien nicht vorstellbar, sagte Gesundheitsminister Laumann (CDU) noch am Dienstag. Gleichzeitig forderte er ein Gesamtkonzept der Städte, das nicht nur aus Schulschließungen bestehe. Wenn einer Stadt wie Dortmund nichts Weiteres einfalle, als den Schulbetrieb wieder einzustellen, dann werde dieser Antrag selbstverständlich abgelehnt, sagte Laumann. Gleiches gelte für die Schulen in Duisburg.
"Schulschließungen können eingebettet in ein Gesamtkonzept einen Beitrag zum Infektionsschutz vor Ort darstellen", sekundierte die Landesregierung am Mittwoch. Sie dürften aber "nur das letzte und nicht das erste und alleinige Mittel der Wahl sein." Eine Klarstellung per Erlass, die die zuständigen Ministerien wohl für nötig hielten.
Dortmund fühlt sich nicht ernst genommen
Vorher hatte Dortmund beschlossen, die Schulen zu schließen. Entsprechend groß war der Ärger über die Absage aus Düsseldorf. Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) widersprach Laumann im WDR 5-"Morgenecho". Er bezweifle, dass der Gesundheitsminister das Konzept der Stadt überhaupt gelesen hat. "Wir haben eine Situation in Dortmund und in allen Städten in Deutschland, dass die britische Variante das Ruder des Infektionsgeschehens übernommen hat. Und das ändert alles."
Das Virus betreffe jetzt vor allem Kinder. "Die Übertragungsrate der Kinder in den Familien ist hundert Prozent. Das sehen wir in den Schulen und deswegen fanden wir es nicht verantwortlich, diese jetzt zu öffnen." Sorgen machen ihm vor allem, dass die Inzidenzen steigen und gleichzeitig Astrazeneca nicht mehr geimpft werden soll. Am Nachmittag erklärte der Oberbürgermeister weiter: "Wir sind dabei, mit der Verwaltung für morgen einen Antrag an die Landesregierung zu richten. Wir sehen dann vor, dass wir Montag nicht wieder öffnen. Mal sehen, wie die Landesregierung darauf reagiert."
Dass das Gesundheitsministerium damit argumentiert, es gehe um Bildungsgerechtigkeit, kann OB Westphal nicht nachvollziehen. "De facto geht es darum, dass Kinder jetzt fünf Tage in den Präsenzunterricht kommen. Ist das jetzt die große Bildungsgerechtigkeit? Ich glaube nicht", sagt er.
Sorgen der Eltern nehmen zu
Unterstützung für den Kurs der Dortmunder kommt vom Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch. "Nachgewiesene Infektionen an 29 Bochumer Schulen sind mehr als ein Alarmzeichen."
Auch die Landeselternschaft äußert scharfe Kritik am Verbot der Schulschließungen: "Das was da jetzt abgezogen wird, ist ein Ritt auf der Rasierklinge", sagt der stellvertretende Vorsitzende Dieter Cohnen im ARD-"Morgenmagazin". Zwar haben sich die Eltern in Nordrhein-Westfalen immer wieder für Präsenzunterricht ausgesprochen, den dürfe es aber nicht um jeden Preis geben. "Wenn Schulleiter oder kommunale Spitzenvertreter sagen, das geht nicht – das ist unverantwortlich – dann können wir dem nur zustimmen. Die Ängste der Eltern sind groß."
Duisburg reagiert mit Notbetrieb in Kitas
Duisburger Oberbürgermeister Sören Link würde auch gerne schnellstmöglich wieder zum Distanzunterricht zurückkehren. Ihm sei "vollkommen unverständlich, dass das Land diesen Plänen keinen Riegel vorschiebt". Als erste Reaktion kündigte Link am Mittwoch an, die Kitas erneut auf Notbetrieb umzustellen. Eltern sollen ihre Kinder möglichst zuhause betreuen.
Der Familienminister will keine "Alleingänge"
Das will der zuständige Familienminister Joachim Stamp (FDP) allerdings nicht zulassen. Im WDR-Fernsehen erklärte er, ein eingeschränkter Pandemiebetrieb sei möglich - also mit weniger Betreuung und einem Appell an die Eltern, die Kinder zu Hause zu lassen. Was nicht gehe: "Die Kitas einfach schließen und in den Notbetrieb gehen."
Man müsse auch das allgemeine Infektionsgeschehen im Blick halten, nicht nur auf Kitas und Schulen schauen, sondern auch auf Gottesdienste oder Partys im Park. Stamp warnte eindringlich vor Alleingängen einzelner Städte: Es gebe es ein geordnetes Verfahren, das berücksichtigt werden müsse.
Tatsächlich müssen Städte, die Schulen oder Kitas schließen wollen, sich erst an das Gesundheitsministerium wenden und die notwendige Allgemeinverfügung absegnen lassen. Das hat die Stadt Duisburg aber nicht getan, sagt das Ministerium am Mittwochabend auf Nachfrage des WDR: Es habe aus Medien von den Duisburger Plänen erfahren, am Tag zuvor habe es lediglich ein Beratungsgespräch gegeben. Danach habe die Stadt einen Vorschlag für eine Allgemeinverfügung vorlegen wollen, ein erster Regelungsvorschlag sei erst am Nachmittag eingegangen.