"Querdenken"-Anhänger im Visier des Verfassungsschutzes

Stand: 10.12.2020, 09:25 Uhr

Die Kritiker der Corona-Maßnahmen rücken in den Fokus des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg. Auch in NRW sehen Verfassungsschützer eine wachsende Radikalisierung.

Von Tobias Al Shomer

Der Landesverfassungsschutz Baden-Württemberg will die Stuttgarter "Querdenken"-Gruppe "711" beobachten. Auch in Nordrhein-Westfalen sehen die Verfassungsschützer eine wachsende Radikalisierung bei den "Querdenken"-Anhängern. NRW-weit sind die Gruppen aber sehr unterschiedlich.  

In Bonn organisiert Heilpraktiker Jan Düspohl  "Querdenken"-Demos. Ihm gehe es um die Gesundheit der Menschen, aber er glaubt, dass die aktuellen Maßnahmen falsch seien: "Wir fragen, ob der PCR-Test überhaupt eine Infektion nachweisen kann, und wir fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und ob zum Beispiel bei einer Impfung die Impfschäden und die Nachwirkungen und Impf-Toten mehr Schaden anrichten können als eine Corona Infektion selber."

Neonazis bei Demonstrationen nicht erwünscht

Beim Thema Rechtsextremisten reagiert er genervt. In Bonn gebe es die bei den "Querdenkern" gar nicht, sagt er. Tatsächlich sind dort bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen bislang kaum Rechtsextreme in Erscheinung getreten und schon gar keine richtigen Neonazis. Die wolle man bei den Demos auch nicht dabei haben.

"Wir reden erstmal mit allen, auch mit Menschen, die vielleicht Reichsbürger genannt werden. Nur weil wir mit denen reden, übernehmen wir auf gar keinen Fall deren Positionen", versichert Düspohl. "Es gibt in einer demokratischen Gesellschaft ja eine Vielfältigkeit. Wo gewisse Menschen aus anderen Bewegungen die Maßnahmen der Regierung ähnlich kritisieren wie wir, haben wir an der Stelle zwar Überschneidungen", aber politisch habe man mit Extremisten nichts gemein.

Trend zur Radikalisierung

In anderen Teilen von NRW sieht das anders aus. In Düsseldorf ist regelmäßig die gewaltbereite, rechtsextreme Hooligan-Gruppe "Bruderschaft Deutschland" mit dabei. In Dortmund haben Neonazis versucht, die Bewegung für sich zu vereinnahmen. 

Der freie Journalist David Peters beobachtet die Corona-Kritiker im Ruhrgebiet seit Monaten und sagt, dass der Trend zuletzt eindeutig sei: "Da wird in den Chats auch diskutiert, ob es denn mal Zeit sei, gewalttätig Widerstand zu leisten, um Revolution oder ähnliches oder einen Umsturz herbeizuführen. Und das ist eine Entwicklung, die in den vergangenen Wochen und Monaten immer mehr zugenommen hat. Da sind viele die sagen: Mit Bühnenprogramm und ein bisschen Gitarre-Spielen kommen wir hier nicht weiter, wir müssen radikaler werden und wir müssen uns auch von diesem "gewaltfrei" lösen", erklärt Peters.

"Querdenken 711" unter Beobachtung

Es sind solche Beobachtungen, die dazu geführt haben, dass die Sicherheitsbehörden bei den Corona-Kritikern immer genauer hinschauen. Der Landes-Verfassungsschutz in Baden-Württemberg wird die Stuttgarter Gruppe "Querdenken 711" beobachten.

In NRW ist der Verfassungsschutz noch zurückhaltender. "Querdenken" sei noch kein Beobachtungsfall. Das könne sich aber jeder Zeit ändern, erklärt der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier. "Schon jetzt können wir diese Organisation in den Blick nehmen, denn sie sind insbesondere in den Medien präsent, also offen, und das sehen wir uns sehr genau an, weil wir auch die Sorge haben, dass Rechtsextremisten versuchen, den Widerstand gegen eine Regierungspolitik in einen Widerstand gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu radikalisieren."

Und dann, erklärt Freier, könne auch der Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Zu solchen Mitteln zählt auch der Einsatz von V-Leuten.

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