Bund und Länder hatten sich Anfang März darauf geeinigt, dass die Lockdown-Regeln bei einer bestimmten Inzidenz wieder in Kraft treten. Demnach soll diese sogenannte Corona-Notbremse dann greifen, wenn der Inzidenzwert an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern während der vergangenen sieben Tage liegt.
Bundesregierung kündigt Notbremse an
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Freitagabend nach dem Impfgipfel mit den Ländern, sie wolle den Bund-Länder-Beratungen am Montag nicht vorgreifen, aber: "Wir werden von der Notbremse Gebrauch machen müssen." Hamburgs Bürgermeister Tschentscher (SPD) äußerte sich ähnlich im ARD extra: "Die Notbremsen-Regelung ist wichtig." Ohne sie könne man die dritte Welle nicht brechen. Hamburg hat bereits die erst vergangene Woche eingetretenen Lockerungen zum Wochenende wieder rückgängig gemacht.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte klar, es gebe schlicht zu wenig Impfstoff, "um die dritte Welle allein durch Impfen zu stoppen." Und auch der SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach sagte: "Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wir müssen zurück in den Lockdown." NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) erklärte im Landtag lediglich, es könne keine weiteren Öffnungen geben.
Einzelhandel vor erneuter Schließung – Arbeitgeberpräsident plädiert für stärkere Öffnung
Für den Einzelhandel würde die Notbremse das Aus für "Meet and Collect" bedeuten – kein Shopping mit Terminvergabe mehr. Bei einer Inzidenz von über 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen dürfen Waren dann nur noch per "Click and Collect" verkauft werden. Geschäfte mit Produkten des täglichen Bedarfs bleiben geöffnet. Dazu zählen auch Blumengeschäfte, Buchhandlungen und Gartenmärkte.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, eine stärkere Öffnung des Wirtschaftslebens sei dringend nötig, "denn wir sind jetzt an einem Wendepunkt, wo vielen Betrieben die Puste ausgeht."
Schulen vor Rückkehr in den Distanzunterricht?
Die NRW-Landesregierung will Schulen und Kitas nur als letztes Mittel wieder schließen. Tritt die Notbremse ein, würde aber geprüft werden, ob Schulen vom aktuellen Wechselunterricht zum Distanzunterricht und Kitas zur Notbetreuung zurückkehren. Zuletzt lehnte die Landesregierung das Vorhaben der Stadt Dortmund ab, vor Eintreten des Grenzwertes von 100 Schulen und Kitas mit sofortiger Wirkung zu schließen.
Rheinland-Pfalz will dennoch Außengastronomie öffnen
Mit einem "Rheinland-Pfalz-Modell" will die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) trotz deutschlandweit steigender Corona-Infektionszahlen bestimmte Lockerungen ermöglichen. Ab Montag werde die Außengastronomie mit einem "Sicherheitsmechanismus" geöffnet, erklärte Dreyer nach einer Kabinettssitzung in Mainz.
Intensivmediziner warnen
Der Kölner Intensivmediziner Prof. Dr. Christian Karagiannidis zog einen eindrücklichen Vergleich: "Wir stehen jetzt am Beginn der dritten Welle, es ist wie eine Lawine. Und entweder stoppen wir die Lawine jetzt am Anfang, oben am Berg, und haben dann im Sommer Ruhe und sitzen im Biergarten, oder wir stellen uns unten an den Berg und versuchen, die Lawine in ein paar Wochen aufzufangen."
Auch der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx, plädiert für die Rückkehr zum harten Lockdown. "Alles, was man sich jetzt erlaubt, muss man später mit Zins und Zinseszins bezahlen", mahnte Marx in der "Augsburger Allgemeinen".