Mehr Gewalt gegen Kinder im Lockdown

Stand: 26.05.2021, 11:53 Uhr

Viele haben davor gewarnt, jetzt ist es Gewissheit: In der Pandemie wurden deutlich mehr Gewalttaten gegen Kinder erfasst. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr hoch.

"Es ist eine Ausnahmesituation für Familien" sagt Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts, zum Corona-Lockdown. "Die Beengtheit, Existenzängste, familiäre Spannungen können dazu beitragen, dass sich Gewalt stärker entlädt." Die Zahl der Verbrechen gegen Kinder und Jugendliche steigt deutlich - das zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020.

Ein Viertel in NRW - Dunkelziffer ist hoch

Rund 17.000 Fälle von sexueller Gewalt an Kindern wurden in ganz Deutschland im vergangenen Jahr registriert - rund ein Viertel davon in NRW. Das ist ein Anstieg von 6 Prozent im Vergleich zu 2019. Das BKA kann zwar nicht beweisen, dass Corona für die steigenden Zahlen verantwortlich ist - die Fälle werden oft zeitverzögert aufgeklärt und gemeldet. Der Zusammenhang sei aber plausibel.

Auch die Aufklärung wird durch Corona schwieriger: Wenn Kinder nicht in die Schule gehen, nicht in den Sportverein oder zum Musikunterricht, fällt Missbrauch oft später auf. Niemand bemerkt blaue Flecken, niemand wird aufmerksam, wenn die Kinder von Erfahrungen zu Hause sprechen. Die Dunkelziffer dürfte entsprechend hoch sein.

Viel Kriminalität im Netz: 50 Prozent mehr

Besonders besorgniserregend sind für die Ermittlerinnen und die Ermittler auch Verbrechen, die digital begangen werden: Kinder werden von Tätern über das Internet angeschrieben und bedrängt. Die Zahl der Straftaten mit kinderpornografischem Material stieg im Vergleich zu 2019 um mehr als 50 Prozent.

BKA-Präsident Münch gibt allerdings zu bedenken: Auch verbesserte Aufklärungsmethoden führen zu den Zahlen. Als Beispiel nennt er die zahlreichen Ermittlungen in Missbrauchsnetzwerken in NRW: "Die Behörden gelangten an immer weitere Tatverdächtige, das hat sich kaskadenartig ausgeweitet."

Münch rechnet damit, dass die Fallzahlen auch in Zukunft weiter steigen - etwa, wenn ab Februar 2022 auch Betreiber sozialer Medien verdächtiges Material an Ermittlungsbehörden weiterleiten müssen.

Bessere Prävention und Aufklärung

Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) aus dem Innenministerium sagte schon im Vorfeld, es gebe genug Mittel im Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern. Sie müssten aber effektiv eingesetzt werden, zum Beispiel in der Prävention. Kinder und Jugendliche müssten außerdem besser über die Folgen aufgeklärt werden, wenn sie Nacktaufnahmen von sich und anderen ins Netz stellen.

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