Kein Corona-"Lockdown" in Gütersloh

Stand: 21.06.2020, 17:27 Uhr

  • Landesregierung verzichtet zunächst auf Lockdown im Kreis Gütersloh
  • Infektionen klar auf Schlachthof Tönnies lokalisierbar
  • Arbeiter leben in mehr als 1.300 Unterkünften

Von Thomas Drescher

Die Landesregierung verzichtet auf einen "Lockdown" im Kreis Gütersloh - vorerst, wie Ministerpräsident Armin Laschet nach einem Besuch im Krisenstab am Sonntag (21.02.2020) erklärte. Das Infektionsgeschehen, so Laschet, sei klar auf dem Schlachthof Tönnies zu verorten. Die explodierenden Infektionszahlen seien ganz klar mit der örtlichen Fleischindustrie verbunden. Dennoch bestehe weiter ein "enormes Pandemierisiko".

Von den über 1.300 infizierten Personen seien nur 16 Personen nicht bei Tönnies beschäftigt, sagte der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU). Mehr als 7.000 Tests wurden am Sonntag abgeschlossen. Die Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet.

Hoffnung auf Eingrenzung des Virus

Er habe die Hoffnung, dass das Virus nicht vom Schlachthof-Personal auf die Bevölkerung überspringt, sagte Laschet. Dass dies bisher nicht geschehen sei, habe damit zu tun, dass die Menschen, die aus Rumänien, Bulgarien und auch aus Polen stammen, mit dem Rest der Bevölkerung wenig Kontakt hatten, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). "Das spielt uns jetzt gerade in die Hände", so Laumann weiter, auch wenn dies aus Gründen fehlender Integration eigentlich problematisch sei.

Polizei-Hundertschaften sollen Quarantäne überwachen

Das Wichtigste, neben den flächendeckenden Tests, sei es nun, die Quarantäne durchzusetzen. Anders als im Fall des Westfleisch-Schlachthofs in Coesfeld, wo nur wenige Wohnanlagen zu überwachen waren, ergeben sich für die Behörden im Kreis Gütersloh allerdings ganz andere Probleme. Denn die über 7.000 Tönnies-Mitarbeiter sind in mehr als 1.300 Liegenschaften untergebracht.

Drei Polizei-Hundertschaften aus dem ganzen Land seien nach Ostwestfalen beordert worden, um die Quarantäne zu überwachen, sagte Laschet. Mit den Konsulen der Länder Bulgarien, Rumänien und Polen sei vereinbart worden, so viele Dolmetscher wie nur möglich in die Region zu bringen. Sie sollen den Menschen in Quarantäne erklären, wie sie sich nun verhalten müssen und sie möglichst an einer Abreise in ihre Heimatländer hindern. Dort, so der Gesundheitsminister, bestünde die große Gefahr, dass sie ihre Angehörigen infizieren und das Virus immer weitertragen.

Beste Gesundheitsversorgung versprochen

Laschet und Laumann versprachen den Infizierten die "beste Gesundheitsversorgung" - unabhängig von der Frage, ob sie in Deutschland krankenversichert seien.

Landrat Adenauer sagte, die gesamte Bevölkerung im Kreis Gütersloh solle die Möglichkeit zu kostenlosen Corona-Tests erhalten. Fleischunternehmer Clemes Tönnies sagte inzwischen zu, die Kosten für diese Test zu übernehmen.

Für Tönnies wird es eng

Nach dem erneuten Corona-Ausbruch auf einem Schlachthof, muss sich die Fleischindustrie offenbar auf Gesetzesverschärfungen einstellen. Gesundheitsminister Laumann sagte, seine Meinung in dieser Frage sei abgeschlossen: „Mit der Fleischindustrie kann es keine freiwilligen Vereinbarungen geben, sondern nur verbindliche Gesetze“, so der CDU-Politiker.

"Wir werden auch Herrn Tönnies beim Wort nehmen, dass er gesagt hat, es kann keinen Zustand geben wie zuvor. Wir brauchen neue Regeln, neue Bedingungen - und das ist auch das, was wir vom Unternehmen erwarten", sagte Ministerpräsident Laschet.

Zu einem möglichen Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie, das Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) durchsetzen will, sagte Laschet, Nordrhein-Westfalen unterstütze dieses Vorhaben.

Kritik von Opposition

Der Oppositionsführer im Landtag, Thomas Kutschaty (SPD) sagte dem WDR, er habe erhebliche Zweifel daran, ob das Problem noch regional zu begrenzen sei. Die Infizierten hätten massive Kontakte über die Grenzen des Kreises Gütersloh hinaus gehabt. Kutschaty kritisierte, dass in dieser Lage weiterhin Schwimmbäder geöffnet blieben. Auch kulturelle Veranstaltungen müssten auf den Prüfstand. Hier drohe eine Weiterverbreitung des Virus.

Kritik kam auch vom SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. "Armin Laschet macht sich und die gesamte Politik von Bund und Ländern im Umgang mit lokalen Infektionsausbrüchen lächerlich und unglaubwürdig", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post" (Montag). Die vereinbarte Grenze von 50 Neuinfektionen pro Woche je 100.000 Einwohner sei in Gütersloh klar überschritten. "Es ist völlig falsch, dass jetzt kein lokaler Lockdown im Kreis Gütersloh verhängt wird", sagte Lauterbach. Die Menschen bekämen den Eindruck, dass die Politik sich nicht an die eigenen Regeln halte.

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